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Die Lasten ausgleichen...

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Finanzminister Dr. Schmitz hat angekündigt, worüber „Die Furche“ mehrmals berichtet hat, daß er eine Steuerreform für die Familie in die Wege leiten wolle. Er hat damit bei den Familienerhaltern des Mittelstandes neue Hoffnung auf Beseitigung eines alten Unrechtes geweckt. Leider aber findet seine Initiative nicht den Beifall aller. Es wird eingewendet, daß von steuerlichen Maßnahmen nur die besser situier-ten Familien profitieren können. Die Empfänger kleiner Einkommen hätten ohnehin keine oder fast keine Steuer mehr zu zahlen. Der großen Masse der Familien sei also auf diesem Wege nicht zu helfen. Wenn der Staat in der Lage ist, so der Gegenvorschlag, auf einen Teil seiner Steuereinnahmen zu verzichten, dann sollte er diese Mittel jenen zuwenden, die sie wirklich dringend benötigen, nämlich den Familienerhaltern der unteren Einkommensschichten. Dies sei aber nur durch Erhöhung der Beihilfen möglich.

Diese Einwendungen und Vorschläge gehen von völlig falschen Auffassungen aus. Erstens: Gewiß gibt es in Österreich Bevölkerungsgruppen, deren Einkommen hart am Existenzminimum, ja sogar unter diesem liegt. Für eine der Leistung entsprechende Anhebung solcher zurückgebliebener Einkommen zu sorgen, ist aber nicht Sache der Familienpolitik, sondern einer zielbewußten Wirtschafts- und Lahnpolitik. Es ist zweitens eine völlig falsche Auffassung, Familienpolitik sei „soziale Hilfe“ des Staates für „bedürftige“ Familien. Von dieser falschen Auffassung her, die die Zielsetzung auf Fürsorgemaßnahmen einengt, wären steuerliche Maßnahmen allerdings nicht zielführend. Das Ziel des Familienlastenausgleichs ist jedoch in Wirklichkeit ein anderes: nämlich die Beseitigung der Unterschiede im Lebensniveau, die sich bei Beziehern gleich hohen Einkommens daraus ergeben, daß der eine von diesem Einkommen nur den Unterhalt für sich seihst, der andere aber auch den Unterhalt für Frau und Kinder bestreiten muß. Diese Unterschiede im Lebensniveau werden nicht nur in den unteren Einkommensschichten als schweres soziales Unrecht empfunden, sondern nicht minder auch in den Schichten mit gehobenen Einkommen. Denn in jeder Einkommensschichte stehen heute, was den Lebensstandard betrifft, die Kinderlosen an erster und die Kinderreichsten an letzter Stelle

Ein in allen Einkommensschichten gleich wirksamer Lastenausgleich kann auf dem Wege der Beihilfen allein nicht herbeigeführt werden. Die Beihilfen haben für alle Familien das gleiche Ausmaß, die Aufwendungen für die Familie sind aber je nach der Einkommenslage des Ernährers verschieden. Da es in 4er Lebensgemeinschaft Familie nicht zweierlei Lebenshaltungen geben kann, steigt bei wachsendem Einkommen der Aufwand für alle Familienmitglieder zwangsläufig (die These „Jedes Kind in Österreich hat gleiche Ansprüche“ übersieht die Lebensgemeinschaft und gesellschaftliche Einheit Familie, sie entspricht dem kollektivistischen Konzept einer familienlosen Gesellschaft und einer umfassenden Staatsfürsorge für eine in staatlichen Anstalten ohne Eltern heranwachsende Kindergeneration.) Daher muß auch in den gehobenen Einkommensschichten ein wirksamer Ausgleich der Familienlasten durchgeführt werden. Dies ist durch eine Differenzierung der Einkommen-(Lohn-) Steuer möglich.

Der dritte Irrtum schließlich betrifft den Charakter dieser Steuerdifferenzierung. Sie darf nicht so ausgelegt werden, als würde der Staat, indem er den Familienerhalter geringer besteuert als den Kinderlosen, auf ihm rechtmäßig zustehende Steuereinnahmen verzichten. Es handelt sich nicht um ein „Geben“ in Form von „weniger Nehmen“, nicht um eine „soziale Hilfe“, eine Fürsorgeleistung des „Vaters Staat“, die bloß der Einfachheit halber von der Steuer in Abzug gebracht wird und die daher, wenn der Steuerbetrag zu gering ist, um noch davon etwas abziehen zu können, in Form einer finanziellen Zuwendung erfolgen müßte. Eine solche Konstruktion wäre wohl auch vom Gesichtspunkt des Familienlastenausgleichs sinnvoll und möglich, doch hätten in einem solchen Ausgleichssystem dann die heutigen Familienbeihilfen keinen Platz.

Die Berücksichtigung der Fami-lienilasten bei der Einkommensbesteuerung ergibt sich schon aus dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit (siehe „Die Furche“ Nr. 6). Doch hat die Steuer im Rahmen des Familienlastenausgleichs eine besondere Funktion: Während der Ausgleich durch die Beihilfen der Sicherung des sozial-kulturellen Existenzminimums für alle Familien dient, wird durch die familiengerechte Differenzierung der Steuerlast im Lebensniveau von Kinderlosen und Familien, deren Einkommen ein gehobenes Lebensniveau ermöglicht, hinsichtlich ihrer erhöhten Familienlasten herbeigeführt.

Der Staat „gibt“ in diesem Falle den Familienerhaltern mit höherem Einkommen nichts, er nimmt ihnen bloß von ihrem selbst Erworbenen weniger weg, und das nicht etwa zu Lasten der Familienerhalter mit kleinen Einkommen (diese zahlen ohnehin keine Steuer!), sondern zu Lasten der Kinderlosen mit höheren Einkommen. Das Gesamt der Steuereinnahmen wird davon nicht berührt, ob die Bezieher gleich hohen Einkommens alle gleich viel Steuer zahlen, oder ob den Kinderlosen entsprechend mehr, den Familienerhaltern dafür entsprechend weniger weggesteuert wird.

Nur von der falschen Auffassung her, daß Familienpolitik Fürsorge des Staates für einkommensschwache Familien sei, und daß geringere steuerliche Belastung der Familienerhalter eine unangebrachte Fürsorgeleistung zu Lasten des Staatsbudgets sei, kann die Forderung nach stärkerer steuerlicher Berücksichtigung der Familienlasten in Alternative zur Forderung nach Erhöhung der Kinderbeihilfe gebracht werden. Bei sachlicher Beurteilung kann es eine solche Alternative nicht geben, schon deshalb nicht, weil die Beihilfen aus Fondsbeiträgen und nicht aus allgemeinen Steuermitteln des Bundesbudgets finanziert werden.

Wenn seit 1962 die laufende Gebarung der Familienfonds Abgänge aufweist und diese Abgänge aus dem allgemeinen Budget gedeckt werden müssen, so handelt es sich dabei um Rückzahlungen, die deshalb notwendig geworden sind, weil die Fondsüberschüsse von 1952 bis 1961 im Rahmen des allgemeinen Budgets ausgegeben wurden und nur rechnungsmäßig zu Buch stehen. Eine Entwicklung, die echte Staatszuschüsse zur Beihilfenflnanzierung nötig machen würde, muß als ein weiterer Schritt zum Etatismus unter allen Umständen vermieden werden.

Die Forderung nach maßgeblicher Erhöhung der Beihilfen ist jedoch ebenso unabweisbar. Die steuerliche Berücksichtigung der Familienlasten ist nur deshalb notwendig, weil es in einer marktwirtschaftlich geordneten Wirtschaft nur Leistungseinkommen geben kann und diese nicht mit der Anzahl der Kinder steigen. Das gilt aber genauso für die niedrigen Einkommen, die nicht der Besteuerung unterliegen. Daher gilt es nicht nur auf steuerlichem Gebiet, ein Unrecht zu beseitigen, sondern genauso auch jenes Unrecht, das alle Familien durch das ungenügende Ausmaß der Beihilfen des Familienlastenausgleichs erleiden, ein Unrecht, von dem besonders die Empfänger niedriger Einkommen betroffen sind!

Daher muß es Aufgabe der gesetz* gebenden Körperschaften sein, auch auf dem Beihilfensektor die Voraussetzungen zu schaffen, daß weitere Fortschritte erzielt werden können.

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