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Wieder hofft die Familie...

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Jeder darf nur nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Wirtschaftliche Leistungsminderung muß sich in einem entsprechenden Steuernachlaß auswirken. Dieser elementare Grundsatz der Steuerpolitik ist theoretisch unbestritten, in der Praxis aber gibt es einen Bereich, in dem er seit Kriegsende in Österreich beharrlich mit Füßen getreten wird, nämlich in der Anwendung auf die Familie.

Jedes Kind ist ein gewichtiger Faktor wirtschaftlicher Leistungsminderung. Trotz fünfzehn Jahre andauernder seriöser Tatsachendarstel-lung ist die steuerliche Kinderermäßigung in unserem Land immer noch beschämend gering. Beschämend im Hinblick auf das tatsächliche Ausmaß der durch Kinder bewirkten finanziellen Leistungsminderung, beschämend auch im Vergleich zu anderen Staaten, die ein solches Unrecht an der Familie nicht kennen beziehungsweise es längst beseitigt haben.

In Österreich ist dieses Unrecht so zustande gekommen, daß die steuerliche Kinderermäßigung seit 1946 der laufenden Geldwertverdünnung nicht angepaßt wurde. Vielmehr hat man sie allmählich „einfrieren“ lassen, so daß sie schon seit mehr als zehn Jahren teilweise nur noch ein Fünftel bis ein Sechstel ihres damaligen Wertes ausmacht. Die Kinder als Ursache beträchtlicher wirtschaftlicher Leistungsminderung der Familie finden so in Österreich in geradezu einmaliger Weise keine angemessene Berücksichtigung. Nicht einmal die günstigen Gelegenheiten der Steuersenkungsaktionen in den Jahren 1953, 1954 und 1957 unter Finanzminister Karnitz wurden genützt, trotz der nachhaltigen Vorstellungen der Familienverbände. Erstmals bei der Steuersenkung unter Finanzminister Klaus zum 1. Juli 1962 wurde die Familie nicht mehr übergangen, wobei es eines nachhaltigen Einsatzes von Dr. Klaus bedurfte, um gegen den hartnäckigen Widerstand familienuninteressierter Kreise wenigstens einen bescheidenen Abbau des steuerlichen Unrechtes an der Familie erstmals durchzusetzen. Es kam damals zur geringfügigen An-hebung der steuerlichen Kinderermäßigung bis zu jeweils monatlich acht (!) Schilling für die ersten und zweiten Kinder und bis zu jeweils monatlich rund 34 Schilling für die dritten und weiteren Kinder.

Nunmehr hat Finanzminister Schmitz eine steuerpolitische Initiative ergriffen. Ihm, dem grundsatzpolitisch orientierten Fachmann, dürfte es nunmehr hoffentlich gelingen, den von Dr. Klaus beharrlich erkämpften Anfang zu einem nennenswerten Erfolg auszuweiten. Trotz aller Demagogie, trotz aller Störmanöver, die dagegen bereits eingeleitet wurden. Trotz aller Zer-rederei auch, die den einfachen, zwingenden Sachverhalt auf den Kopf stellen und aus der Beseitigung eines tatsächlichen Unrechts einen unbegründeten Steuervorteil machen will.

Verdeutlichen wir die gegenwärtige Situation mit einigen Zahlen. Die maximale monatliche steuerliche Kinderermäßigung beträgt für die ersten und zweiten Kinder jeweils 108 Schilling, für die dritten und die weiteren Kinder jeweils etwa 134 Schilling. Das bedeutet, daß gegenüber einer monatlichen Lohnsteuer von 750 Schilling bei einem kinderlosen Verheirateten ein Familienvater mit drei Kindern immer noch 390 Schilling Steuer zahlen muß. In den ausgabenreichen Jahren der heranwachsenden Kinder hat er eine wirtschaftliche Leistungsminderung gegenüber einem Kinderlosen desselben Einkommens von mindestens 2500 Schilling monatlich, seine Steuerlast aber ist nur um 350 Schilling kleiner.

Gegenüber einer monatlichen Lohnsteuer von 1500 Schilling bei einem kinderlos Verheirateten zahlt der Familienvater mit drei Kindern immer noch 1140 Schilling Steuer, der mit fünf Kindern 870 Schilling. Bei fünf heranwachsenden Kindern hat eine Familie dieses Einkommens gegenüber dem kinderlos Verheirateten eine wirtschaftliche Leistungsminderung von nicht weniger als etwa 5000 Schilling aufzuweisen, wogegen die Steuerlast nur um 630 Schilling kleiner ist.

Beträgt die monatliche Lohnsteuer für einen kinderlos Verheirateten 3000 Schilling, so sinkt sie bei Vorhandensein von drei unterhaltspflichtigen Kindern lediglich auf 2640, bei fünf Kindern auf 2370 Schilling ab. In den ausgabenreichen Jahren der heranwachsenden Kinder bedeutet dies ein krasses Mißverhältnis der monatlichen finanziellen Leistungsminderung im einen Fall von etwa 3000 bis 4000, im anderen von etwa 5000 bis 6000 Schilling zur Lappalie einer monatlichen Senkung der Steuerlast im einen Fall um 360, im anderen um 630 Schilling. In solchem Maße also wird in Österreich hinsichtlich der Kinder der Steuergerechtigkeit zuwidergehandelt.

Zur besseren Übersichtlichkeit seien diese Zahlenbeispiele in nachstehender Tabelle zusammengefaßt:

.!£“n Loto- Lohn-

.ktaderlo. steuer ln/3 steuer 111/5

2£$2ST (dreiKinder> der)

750 390 121

1500 1138 870

3000 2640 2370

Es muß überdies bedacht werden, daß die mit steigendem Leistungslohn immer noch geringfügiger sich auswirkende steuerliche Kinderermäßigung mit der Tatsache kontrastiert, daß die Kinder aus der vom Leistungslohn der Eltern bestimmten Lebenshaltung nicht ausgeschlossen werden können. Ein höherer Aufwand der Eltern umfaßt in gewisser Hinsicht notwendigerweise auch ihre Kinder, wobei hier nicht zuletzt an die kulturellen Erfordernisse gedacht ist. Bei steigendem Leistungslohn Wird also einerseits die steuerliche Kinderermäßigung immer noch unwirksamer, während anderseits die Aufwendungen für die Kinder steigen, auch wenn keinerlei Luxus betrieben und keine aufwändigen Prestigeausgaben getätigt werden.

Diesen Unterschied auszugleichen, wäre ja gerade die Aufgabe der steuerlichen Kinderermäßigung im Rahmen des Familienlastenausgleichs. Dazu müßte sie im Endziel eine Valorisierung auf den wertmäßigen Stand von 1946 erfahren, das heißt die derzeit maximale Kinderermäßigung bei der Lohnsteuer in der Höhe von monatlich je 108 Schilling für die ersten beziehungsweise zweiten Kinder und von je 134 Schilling für die dritten und weiteren Kinder müßte eine Höhe von monatlich etwa 600 Schilling für jedes Kind erreichen. Die Familienbewegung wäre zufrieden, wenn es nunmehr gelänge, die steuerliche Kinderermäßigung pro Kind und Monat etwa bis auf 250 Schilling anzuheben. Jedem Realpolitiker ist es klar, daß das angestrebte Ziel nur in Etappen erreichbar ist. Nach dem überaus bescheidenen Anfang bei der Steuersenkung 1962 müßte nun eine wirksamer zweiter Schritt folgen.

Für die Verwirklichung des einleitend genannten Grundsatzes gerechter Besteuerung ist es uninteressant, ob die Familien, denen ein steuerliches Unrecht geschieht, eine Mehrheit oder Minderheit in der Bevölkerung bilden. Gerechtigkeit hat jedem zu widerfahren! Der stets wiederholte Hinweis, daß bei Vorhandensein mehrerer Kinder der größere Teil der Familien ohnehin keine oder nur noch eine geringe Steuer zahle, entkräftigt in keiner Weise die Forderung nach Herstellung der Steuergerchtigkeit allen Familien gegenüber. Auch diejenigen, die von der Steuer in ungerechtester Weise seit 20 Jahren geschröpft werden, haben ein Anrecht darauf, daß dieser schändliche Zustand endlich einmal beseitigt werde, gleichgültigt, ob sie eine Mehrheit oder eine Minderheit in der Bevölkerung bilden. Oder will sich unsere weithin grundsatzlose Politik auch noch zu der“ (ohnehin vielfach praktizierten) These versteigen, ein Unrecht sei nur noch dann anzuerkennen beziehungsweise zu beseitigen, wenn davon (aus wahlpolitischen Gründen) die Mehrheit einer Bevölkerung betroffen wird!

Es ist sehr zu hoffen, daß nicht neuerdings politisch einflußreiche Kreise den Abbau des steuerlichen Unrechtes gegenüber den benachteiligten Familien mit allen Mitteln zu verhindern suchen, nur weil jene, die schon keine Steuer mehr zahlen, davon keinen Nutzen hätten. Es ist doch selbstredend, daß der, der keine Steuer zahlt, von der Beseitigung eines steuerlichen Unrechtes anderen gegenüber nichts profitieren kann. Diese selbstverständliche Tatsache birgt in sich keinerlei Elemente, die gegen die Beseitigung des bestehenden Steuerunrechtes verwendet werden könnten. Der Neid ist leider eine zentrale Triebfeder im menschlichen Denken und Handeln, besonders stark ausgeprägt und besonders nachhaltig wirksam in unserer Zeit des grundsatzlosen Massenegoismus.

Es bleiben noch Fragen offen, insbesondere die Gewährung eines Steuerfreibetrages für den alleinverdienenden Familienerhalter, die Beibehaltung der einmal erreichten optimalen Steuergruppe der Familienerhalter auf Lebzeiten, die Staffelung der steuerfreien Nebeneinkünfte je nach der Kinderzahl usw. Auch die prinzipielle Frage, ob bei zwei Erwerbseinkommen in einer Ehe, die steuerliche Ehegatten- und Kinderermäßigung zweimal zu gewähren sei, wäre einer eingehenden Untersuchung wert.

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