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Mutterbeihilfe—ja, aber wie?

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Die österreichischen Familienorganisationen fordern seit Jahren die Einführung einer „Mutterbeihilfe“. Diese Idee ist nicht neu, sie wurde in einigen westeuropäischen Ländern schon vor längerer Zeit verwirklicht. In Österreich verbanden die breite Öffentlichkeit und viele Politiker bisher damit nur mehr oder weniger verschwommene Vorstellungen, meist ohne klare Bezogenheit zu einem durchdachten familienpolitischen Konzept. Um den konkreten Sinn und die familienpolitische Bedeutung dieses vielfach nur als Schlagwort bekannten Anliegens der Öffentlichkeit näher bekannt zu machen, widmete der Katholische Familienverband die letzte seiner traditionellen Jänner-Kundgebung (Kaana-Tag i960) diesem Thema.

Zum vergangenen Wochenende kündete der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, O 1 a h, im Zusammenhang mit dem Rentenreformprogramm der SPÖ eine familien-politische Initiative an, die die Einführung einer Mutterbeihilfe und der 14. Kinderbeihilfe sowie die Erhöhung der Geburtenbeihilfe zum Ziel hat. Die Parteiführung der SPÖ hat diese Forderung anerkannt und Unterstützung zu ihrer Verwirklichung zugesagt. Während das Verlangen nach Einführung einer 14. Kinderbeihilfe — wofür im Parlament seit längerer Zeit schon ein Antrag liegt — und die Erhöhung der Geburtenbeihilfe in Übereinstimmung mit dem derzeitigen Aktionsprogramm der Familienorganisationen stehen, weicht der konkrete Plan betreffend die Mutterbeihilfe vom Vorschlag der Familienbewegung in wesentlichen Punkten leider ab. Nach Ausführungen von Präsident Olah soll allen jenen Müttern durch ein Jahr eine monatliche Beihilfe von mindestens 150 Schilling gewährt werden, die in der Krankenversicherung der Unselbständigen und der Selbständigen versichert oder als Angehörige erfaßt sind. Mütter, die von der gesetzlichen Einrichtung des Karenzurlaubes Gebrauch machen, sollen für die Dauer des Karenzurlaubes vorerst eine Mutterbeihilfe von mindestens 300 Schilling rno^athch^erhalten.

DIE AUFFASSUNG DER FAMILIENBEWEGUNG ,röil Was soll nun diese Mutterbeihilfe tatsächlich sein und welche Zielsetzung ist mit ihr verbunden? Vom Programm der Familienbewegung her, die diese Forderung aus der konkreten Situation der österreichischen Verhältnisse und in Anlehnung an ausländische Vorbilder aufgestellt und ohne Rücksicht auf tagespolitische Propagandabedürfnisse begründet und populär gemacht hat, ergibt sich darauf nachstehende Antwort.

# Die Mutterbeihilfe soll eine Maßnahme im Rahmen des allgemeinen Familienlastenausgleichs werden, wobei die konkrete Form der Verwirklichung nur von familienpolitischen Gesichtspunkten bestimmt werden darf. Parteipolitische, interessenpolitische und andere jenseits der Familienpolitik liegende Gesichtspunkte haben dabei keine Berücksichtigung zu finden (Einengung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf Arbeitnehmer oder Selbständige; Bevorzugung bzw. Benachteiligung — unterschiedliche Höhe der Beihilfe - irgendeiner Bevölkerungsgruppe aus Gründen, die außerhalb der Familienpolitik liegen).

# Die Idee der Mutterbeihilfe ist nicht auf die Frau als Individuum bezogen, sondern ■ auf deren Rolle in Haushalt und Familie. Insofern versteht die Familienbewegung darunter keine persönliche Einkommensquelle für die Frau selbst, sondern eine besondere Art von Haushaltszulage.

Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß es sich nicht um ein Mutter-„Gehalt“, also um eine direkte Bezahlung der mütterlichen Tätigkeit - sozusagen als Gegenstück zum väterlichen Erwerbseinkommen — handelt, so daß der Einwand, die vorgeschlagene Maßnahme bedeute eine Herabsetzung des unbezahlbaren Dienstes der Mutter, genau so hinfällig ist wie jener, der darin eine unnötige Durchbrechung des Grundsatzes der väterlichen Familienerhaltung und damit eine Verstärkung der individualistischen Verselbständigung der Ehefrau auf Kosten einer harmonischen Familiengemeinschaft erblickt. Wie bei allen übrigen Anliegen der Familienbewegung, so ist auch die Idee der Mutterbeihilfe nur aus familienbezogenem Denken zu verstehen. Es bedarf keines Hinweises, daß keine einseitigen frauenrechtlerisch-emanzipatorischen Akzente mit diesen Bestrebungen verbunden sind, deren oberster Grundsatz Harmonie und Wohlergehen der G e s a m t f a m i 1 i e ist und bleibt.

$ Obwohl also die Mutterbeihilfe nicht als ein persönliches Einkommen der Frau (sondern als ein solches für die ganze Familie) anzusehen ist, hat die Bezeichnung „Mutterbeihilfe“ dennoch einen guten Sinn. Sie wurde gewählt, um damit eine sichtbare Wertschätzung gegenüber dem Beruf der Hausfrau und Mutter zum Ausdruck zu bringen. Eine auf die Tätigkeit der Familienmutter ausgerichtete und danach benannte familienpolitische Maßnahme soll für den Beruf der Hausfrau und Mutter eine öffentliche Anerkennung bedeuten und wäre sicher auch geeignet, ihr öffentliches Ansehen und ihr eigenes Selbstwertgefühl zu stärken.

# Eine solche Mutterbeihilfe sollte nun aber nur jenen Familien gewährt werden, in denen die Mutter keiner außerhäuslichen Erwerbsarbeit nachgeht. Für diese Auffassung sind ausschließlich familienpolitische Überlegungen maßgebend, in keiner Weise aber interessen- oder tagespolitische Motive. Als erste Begründung dazu muß die wirtschaftliche Dringlichkeit angegeben werden: Das Mißverhältnis in der Einkommenslage und Ausgabengestaltung zwischen Familien mit nuT einem einzigen und solchen mit zwei Erwerbseinkommen. Es ist eine unmittelbar einsichtige und über jeden Zweifel erhabene Alltagserfahrung, daß im Regelfall ein durchschnittlicher oder gehobener Lebensstandard (bezogen auf den gesellschaftlichen Stand der Einzelfamilie) nur in jenen Familien vorhanden ist, in denen zwei Erwerbseinkommen zur Verfügung stehen. Nimmt man bei einem doppelverdienenden Ehepaar an, daß im Durchschnitt der Mann 60 Prozent, die Frau 40 Prozent vom gemeinsamen Einkommen verdient, so bedeutet die Einstellung der Erwerbsarbeit durch die Ehefrau aus Gründen des recht verstandenen Familienwohls eine Verringerung des Haushaltsbudgets um 40 ProzentI Bei vielen Arbeitern und kleinen Angestellten vergrößert sich diese Kürzung wegen der endeten Einkommensverhältnisse bis zu 50 Prozent! Daß dieser Unterschied bei den Mehrkrnderfamifien ohne erwerbstätige Mutter angesichts der äußerst unzureichenden Familienlastenausgleichszahlun-gen geradezu zu einem „Absturz“ in der Lebenshaltung führt, ist ebenso einleuchtend wie bekannt. Deshalb ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, daß bei Vorhandensein ohnehin nur unzureichender Mittel eine solche Mutterbeihilfe nur den Familien mit einem einzigen Einkommen gewährt wird; denn diese sind es, die beim derzeitigen Stand des Familienlastenausgleichs ganz unter die Räder gekommen sind, bei denen sich der mangelhafte Familienlastenausgleich derart kraß auswirkt. Besonders für sie haben die Familienorganisationen deshalb in den vergangenen Jahren immer wieder soziale Gerechtigkeit gefordert, ohne daß bisher ein nennenswerter Fortschritt gelungen wäre. Eine solche Mutterbeihilfe könnte nun als „zweiter Schritt“ im Familienlastenausgleich diesem Kreis der „Ausgebeuteten unseres Jahrhunderts“ eine sinnvolle und wirkungsvolle Hilfe bringen. Eine Hilfe, die dann allerdings länger als ein Jahr andauern und mehr als 150 Schilling monatlich ausmachen müßte. Das ist die konkrete Vorstellung der Familienbewegung von einer zweckmäßigen und im Rahmen der gegebenen familienpolitischen Verhältnisse gerechten Mutterbeihilfe: Anerkennung für die für die Einzelfamilie genau so wie für die Gesamtgesellschaft bedeutsame hauptberufliche Tätigkeit der Familienmutter durch eine Beihilfe im Rahmen des Familienlastenausgleichs, um die Einstellung des außerhäuslichen Erwerbsberufs der Mutter eher zu ermöglichen, beziehungsweise einen gewissen Ausgleich zum krassen Einkommensunterschied zu schaffen, der zwischen einem doppelten oder aber nur einfachen Familieneinkommen besteht. Wegen der Begrenztheit der Mittel, zur Vermeidung einer verhältnismäßig wirkungslosen Verzettelung und in Anbetracht der Tatsache, daß beim derzeitigen Stand des Familienlastenausgleichs die soziale Deklassierung der Familie mit der Anzahl der Kinder stark zunimmt, scheint — wenigstens zunächst — eine Begrenzung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf Familien (ohne erwerbstätige Mutter) mit drei und mehr Kindern geboten.

Diesen Vorstellungen wird nun der Vorschlag von seifen des Gewerkschaftsbundes leider nicht gerecht. Zunächst ist schon die geforderte Voraussetzung der Krankenkassenzugehörigkeit fehl am Platz, weil es sich dabei um ein Merkmal handelt, das für die Familienpolitik irrelevant • fc-'DfeielbV gjlt- für die Forderung, daß bei Beanspruchung des gesetzlichen Karenzurlaubes ein Betrag in doppelter Höhe ausgezahlt werden soll. Ob die Familienmutter vor der in Frage kommenden Niederkunft erwerbstätig war und deshalb Anspruch auf einen Karenzurlaub hat oder nicht, ist ebenfalls ein Umstand, der außerhalb der familienpolitischen Erörterung liegt (wirtschaftliche Notlage ist ja heute keineswegs ein durchgehendes Kriterium der Erwerbstätigkeit der Ehefrau). Damit ist nicht gesagt, daß solchen Müttern, die aus wirtschaftlicher Not — welche nun durch Auszahlung einer Mutterbeihilfe beseitigt beziehungsweise verringert werden soll — einem außerhäuslichen Erwerbsberuf nachgingen und nun bei Unterbrechung der Erwerbstätigkeit eine finanzielle Einbuße erleiden (die Mutterbeihilfe wird ja nie die Höhe des vollen Erwerbseinkommens ausmachen), nicht in irgendeiner Form auf arbeitsrechtlichem Gebiet

— etwa im Rahmen der Arbeitslosenversicherung

— geholfen werden soll. Dabei kann es sich aber bloß um eine arbeitspolitische, nicht aber um eine familienpolitische Maßnahme handeln, weshalb eine solche Entschädigung nicht aus den Mitteln des allgemeinen Familienlastenausgleichs bezahlt werden kann. Familienpolitische Maßnahmen können nur auf familienpolitischen Erwägungen beruhen.

Schließlich wird in dem gewerkschaftlichen Plan zur Mutterbeihilfe die wesentliche und primäre Unterscheidung zwischen Müttern, die im Interesse ihrer Familien und der ganzen Gesellschaft keiner außerhäuslichen Erwerbsarbeit nachgehen beziehungsweise nach der Geburt eines Kindes darauf verzichtet haben, und jenen, die ihre Erwerbstätigkeit beibehalten, nicht gemacht. Mit dieser Unterscheidung aber steht und fällt die von der Familienbewegung mit der Mutterbeihilfe verbundene Zielsetzung: die Anerkennung für das Opfer der hauptberuflichen Tätigkeit der Familienmutter und die so dringende finanzielle Ausgleichszahlung für — zunächst kinderreiche

— Familien mit nur einem Erwerbseinkommen. Es steht und fällt damit auch das mit den Vorstellungen der Familienbewegung verbundene Bemühen, den Müttern — zunächst wenigstens den kinderreichen — die Entscheidung zur Rückkehr in die hauptberufliche Familientätigkeit zu erleichtern. Jeder, der die wahren Ziele moderner Familienpolitik kennt, wird deshalb verstehen, daß die Familienbewegung den vorliegenden gewerkschaftlichen Plan einer Mutterbeihilfe — sosehr die Initiative an sich zu begrüßen ist — nicht bejahen kann, weil dieser vom Standpunkt der Familienpolitik aus mit Strukturfehlem behaftet ist. Als ein ernster Beitrag zur weiteren Diskussion sei er jedoch willkommen.

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