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Wohin mit den Familiengeldern?

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In der „Furche“ vom 30. April d. J. konnte der Verfasser eine detaillierte Aufstellung der Überschüsse der beiden Familienfonds seit dem Jahre 1952 veröffentlichen. Er warf die Frage nach dem Verbleib dieser Mittel auf, die — zumindest seit dem Familienlastenausgleichsgesetz vom Dezember 1954 — „für Maßnahmen im Rahmen des Familienlastenausgleichs zweckgebunden“ sind (30, Abs. 4).

Am 14. Juni d. J. — also sechs Wochen nach dieser Veröffentlichung — richteten sozialistische Abgeordnete im Parlament unter Bekanntgabe eben dieser Überschußziffern eine Anfrage an den Finanzminister, die in derselben Richtung ging. Das Zentralorgan der Sozialistischen Partei Österreichs, die „Arbeiter-Zeitung“, sprach in diesem Zusammenhang von „Aufdeckung“ und „Enthüllung“. Und in der parlamentarischen Anfrage der Sozialisten heißt es: „Nun ist bei Durchsicht der Rechnungsabschlüsse zu ersehen, daß ein riesiger Betrag entweder bisher stillschweigend vom Finanzministerium zweckwidrig verwendet wurde, oder das Bundesministerium für Finanzen hat das Vorhandensein dieser Summe der Volksvertretung verschwiegen“ (47. Beiblatt zur Parlamentskorrespondenz vom 14. Juni 1960).

Zunächst muß dazu gesagt werden, daß diese Äußerungen von einer Seite, die sich erst vor kurzem, nämlich aus Anlaß der Krankenkassensanierung, mit sehr viel Energie für eine eindeutig zweckwidrige Verwendung der Mittel des Kinderbeihilfenfonds eingesetzt hat und diesen ihren Schritt heute noch hartnäckig verteidigt, etwas merkwürdig anmuten. Vor allem aber werfen sie ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Gründlichkeit und Tüchtigkeit von Abgeordneten, die es all die Jahre nicht an Versicherungen fehlen ließen, daß ihnen das Wohl der Familie besonders am Herzen liege: Die jährlichen Einnahmen und Ausgaben und daher auch die Überschüsse der Familienfonds sind nämlich den Bundesvoranschlägen und Bundesrechnungsabschlüssen zu entnehmen, die von den Abgeordneten zum Nationalrat jedes Jahr gebilligt und beschlossen worden sind. Die jetzt zur Schau gestellte Überraschung ist daher entweder geheuchelt oder einbeschämendes'Armüts-■ Zeugnis. Den Familienorganisationen wurde tatsächlich, dies sei betont, immer wieder versichert, die — geringfügigen — Überschüsse müßten für den Fall eines Konjunkturrückganges (und damit einer rückläufigen Bewegung der Fondseinnahmen) als Reserve zurückbehalten werden.

Der Verfasser ist der Exponent nicht einer unpolitischen, sondern einer hochpolitischen, nämlich einer familienpolitischen Bewegung, aber keiner parteipolitischen Organisation, sondern einer überparteilichen Familienorganisation. Als solcher will er sich nicht in den parteipolitischen Streit einmengen. Darum sei gleich klargestellt: Über das tatsächliche Ausmaß der Überschüsse haben beide Parteien bisher einmütig geschwiegen, obwohl sie darüber genau informiert waren oder sich durch Einsicht in die Finanzgebarung (die Rechnungsabschlüsse sind ja keine Geheimakten!) oder durch parlamentarische Anfragen ausreichend hätten informieren können.

Es ist eine bedauerliche Tatsache, daß die Familienorganisationen in ihrem Kampf auf sich allein gestellt sind. Man läßt sich zwar gerne von ihnen inspirieren, versagt ihnen jedoch, da sie sich von keiner Partei ins Schlepptau nehmen lassen, die öffentliche Würdigung, ja die „Arbeiter-Zeitung“ versucht sie sogar parteipolitisch abzustempeln, um sie damit vor ihrem Publikum auch als gegnerische Organisation diffamieren zu können. Dabei liegt den Familienorganisationen nur eines am Herzen: das Wohl aller Familien! Und das Österreichische Nationalkomitee der „Union Internationale des Organis-mes Familiaux“ (UIOF) wäre bei sachlicher und sachkundiger Einstellung der geeignete Coden, auf dem eine fruchtbare Zusammenarbeit der Familienorganisationen mit den familienpolitischen Experten der politischen Parteien durchaus möglich wäre!

Auf eine Initiative der Familienbewegung hin ist es also nunmehr gelungen, die Frage der Zweckbindung der Fondsmittel und der Verwendung der Fondsüberschüsse auch auf parlamentarischem Boden aufzurollen. Um zu einer Klärung zu kommen, sind grundsätzliche Erwägungen notwendig. Durch den Familienlastenausgleich sollen die Unterschiede im Lebensstandard beseitigt werden, die dadurch entstehen, daß das Aufziehen und Erziehen von Kindern heute erhebliche finanzielle Aufwendungen notwendig macht, die bei der Einkommensgestaltung nach dem Leistungsprinzip unberücksichtigt bleiben müssen. (Denn in unserem marktwirtschaftlichen System kann es keinen Lohn nach Familiengröße, sondern nur nach Leistung geben, und das gleiche gilt auch für Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit.)

Es geht demnach um eine „zweite Einkommensverteilung“. Die ideale Lösung stellt die nach dem Familienstand differenzierte Heranziehung der Staatsbürger zu den öffentlichen Lasten dar, also die Berücksichtigung der Familienlasten bei der Steuerbemessung, wie dies in Österreich — allerdings nur sehr unzureichend — durch die „Kinderermäßigung“ geschieht. Da aber dieser steuerliche Familienlastenausgleich (bei dem es sich nicht um „Steuernachlässe“ des Fiskus für „Bedürftige“ handelt, sondern um eine gerechte Verteilung der Steuerlast nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) praktisch erst von einer gewissen Einkommenshöhe an zum Zuge kommt, ist auch die Leistung von Ausgleichszahlungen („Beihilfen“) unabweislich. Auch die Beihilfen bewirken, im Sinne der sozialen Gerechtigkeit, also eines echten gesellschaftlichen Ausgleichs, eine Kaufkraftverlagerung von den heute konsummäßig privilegierten Kinderlosen zu den benachteiligten Familien.

Wir dürfen uns glücklich schätzen, daß Einhebung, Verwaltung und Verteilung der Mittel, die dem Ausgleich durch Beihilfen dienen, im wesentlichen in der Hände des “Staates' liegen, dessen Finanzverwaltung diese Aufgaben ohne kostspieligen Verwaltungsaufwand besorgt. Da es sich jedoch nicht etwa um eine Alimentation der Kinder aus öffentlichen Mitteln, sondern um einen gesellschaftlichen Einkommensausgleich zwischen Kinderlosen, Kinderarmen und Kinderreichen handelt, hat der Gesetzgeber Vorsorge zu treffen, daß die fraglichen Mittel auch nur für diesen Ausgleich zur Verwendung gelangen. Dies zu gewährleisten, wurden Ausgleichsfonds geschaffen, die jedoch ohne Rechtspersönlichkeit sind. Der Wert dieser Fonds muß allerdings fraglich erscheinen. Tatsächlich laufen Einnahmen und Ausgaben beider Fonds über das allgemeine Budget (1950 bis 1955 in Kapitel 26, seit 1956 in Kapitel 18), und tatsächlich wurden in den vergangenen Jahren beträchtliche Mittel des Familienlastenausgleichs für andere Zwecke verwendet, wogegen das Parlament bedauerlicherweise bislang keine Einwendungen erhoben hat.

Aus Kreisen der Familienbewegung kam daher der Vorschlag, die Fonds mit Rechtspersönlichkeit auszustatten. Aber auch dies würde keinen hinreichenden Schutz gegen zweckfremde Verwendung der Familiengelder bedeuten, solange über diese nach Belieben, d. h. nach wechselnden Mehrheitsverhältnissen, nach wechselnder Budget- und Konjunkturlage verfügt werden !:ann. Die Fonds wären Rechtspersonen ohne eigene, vom Gesetzgeber unabhängige Willensbildung. Auch ist fraglich, ob bei einer solchen Änderung die Finanzverwaltung die Agenden der Fonds überhaupt weiterführen könnte; sie könnte dies nicht, ohne den Fonds die damit verbundenen Verwaltungskosten anzulasten.

Nur unter der Voraussetzung, daß die Mittel solcher Fonds so angelegt werden, daß über sie zugunsten der Familien jederzeit verfügt werden kann, wären größere Reserven sinnvoll. Es bleibt die Frage, ob eine vom Staat bloß „gutgeschriebene“ Reserve im Budget gerade dann freigegeben werden könnte, wenn sie z, B. infolge eines stärkeren Rückganges der Beschäftigung in Anspruch genommen werden müßte. Ob diese Frage mit ja oder nein beantwortet wird: im Ernstfall würde jedenfalls die Ausfallshaftung des Bundes bestehen, so daß mit dieser Änderung praktisch nichts erreicht würde. Der Hinweis auf solche Reserven ist also kein sehr überzeugendes Argument dafür, daß Mittel, die nach den Bestimmungen der Familiengesetzgebung aufgebracht werden, nicht für die Familien, sondern im Rahmen des Gesamtbudgets für andere Zwecke Verwendung finden.

Nicht die Frage der Fonds, sondern die Frage einer im Gesetz absolut gesicherten Zweckbindung der Mittel ist daher der Angelpunkt. Die Familienorganisationen haben gefordert, daß die Zweckbindung im Gesetz klarer zum Ausdruck gebracht werden muß. Soweit Überschüsse nicht im laufenden Verwaltungsjahr zur Verbesserung der Beihilfen verwendet werden, sind sie weiterhin zur Verfügung zu halten. Ein nennenswerter Überschuß ist jedoch auf alle Fälle ehestens dem im Gesetz festgelegten Zweck zuzuführen. Was in dieser Hinsicht besonders dringlich wäre, ist eine monatliche Rechnungslegung, damit der Gesetzgeber auch zeitgerecht erfährt, ob und in welchem Umfang sich Überschüsse bilden.

Die gänzliche Aufzehrung dieser Überschüsse wünschen auch die Familien nicht. Aber die ihnen in den vergangenen Jahren entzogenen Mittel wird das Parlament nicht ganz abschreiben können. Zumindest auf die Überschüsse seit dem Jahre 1955, nach dem Inkrafttreten des Familienlastenausgleichsgesetzes, das sind bis 1959 rund 1,3 Milliarden Schilling, haben die Familienerhalter einen gerechten Anspruch! Es ist Aufgabe der Volksvertreter — denn sie sind zuständig! —, in den kommenden Jahren diese Schuld abzutragen und in Hinkunft besser dafür zu sorgen, daß die Familien auch tatsächlich erhalten, was ihnen gewidmet ist!

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