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Aus- und abgeräumt

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Familienministerin Ruth Feld-grill-Zankel hat eine Reform des Familienlastenausgleichs angekündigt. Das Beihilfensystem soll klar und durchschaubar werden. Die Beihilfenhöhe soll sich nach Familiengröße und Familieneinkommen richten. Das Ziel ist grundsätzlich zu begrüßen. Aber den Worten müssen Taten folgen.

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Familienministerin Ruth Feld-grill-Zankel hat eine Reform des Familienlastenausgleichs angekündigt. Das Beihilfensystem soll klar und durchschaubar werden. Die Beihilfenhöhe soll sich nach Familiengröße und Familieneinkommen richten. Das Ziel ist grundsätzlich zu begrüßen. Aber den Worten müssen Taten folgen.

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Die Mitglieder des Familienpolitischen Beirates, die ÖVP-Mitglieder des Familienausschusses des Nationalrates, die SPÖ-Sprecherin Gabriele Traxler, Bundesministerin Ruth Feldgrill-Zankel, wollten nicht, Finanzminister Ferdinand Lacina wollte, daß die Zweckbindung des Fa-milienlastenausgleichsfonds (FLAF) aufgehoben wird.

Die Mitglieder des Familienpolitischen Beirates wollen eine Erhöhung der Familienbeihilfe um 200 Schiling und deren Dynamisierung, Bundesministerin Feldgrill will eine Erhöhung um 100 Schilling und eine Dynamisierung, Frauenministerin Johanna Dohnal will um 500 Schilling mehr, Lacina will nicht.

„Zur Herbeiführung eines Lastenausgleichs im Interesse der Familien" sollen nach dem Familienlastenaus-gleichsgesetz die Familien die im Gesetz genannten Leistungen erhalten.

Insbesondere seit 1978 wurde der Fonds immer wieder zur Finanzierung verschiedener Maßnahmen oder zur Budgetsanierung herangezogen. So wurde in zwei Etappen 1978 und 1980 der Dienstgeberbeitrag, die Haupteinnahmequelle des FLAF, um 25 Prozent, also von sechs auf 4,5 Prozent (der Lohnsumme) gesenkt. Der Beitrag zur Sozialversicherung wurde dafür angehoben. Der Fonds und damit die Familien haben damit bis einschließlich 1991 zumindest 98 Milliarden Schilling verloren. Begründet wurde die Maßnahme seinerzeit damit, daß der „hohe" Bundesbeitrag zur Sozialversicherung nicht weiter vertretbar sei. 1990 mußt der Bund aber weiterhin 58 Milliarden Schilling leisten.

„Sanierungsopfer" Familie

Wäre die Umwidmung nicht erfolgt, müßten allein im Jahre 1991 um rund 10,7 Milliarden Schilling mehr gezahlt werden. Ist deswegen die Sozialversicherung gerettet? Der FLAF ist jedenfalls in seinen Wirkmöglichkeiten eingeschränkt. Denn: Hätte er diese Mittel, könnte alleine damit die Familienbeihilfe um etwa 500 Schilling pro Kind und Monat erhöht werden. Man kann dahermit Recht sagen, daß die Famil ien als einzige Bevölkerungsgruppe bisher seit vielen Jahren einen wesentlichen Beitrag zur Budgetsanierung geleistet haben.

Es sprengte den Rahmen, alle weiteren Sünden aufzuzählen, es muß aber daran erinnert werden, daß etwa auch 1991 der Fonds und damit die Familien zur Kassa gebeten wurden und der Anteil des FLAF an der Einkommenssteuergestrichen wurde, das sind 2,29 Prozent oder zirka 2,4 Milliarden Schilling. Damit hätte die Familienbeihilfe pro Kind und Monat um zumindest 110 Schilling angehoben werden können.

Bei der Streichung dieser Einnahmen für 1991 zeigt sich auch, wie wenig sinnvoll die Aufhebung der Zweckbindung der Haupteinnahmequelle des FLAF, des Dienstgeberbeitrages, ist. Wie alle anderen Steuereinnahmen des Staates mußten diese 2,4 Milliarden im Verhältnis von 60:40 zwischen Bund und Ländern/ Gemeinden aufgeteilt werden. Dies würde bei einer Aufhebung der Zweckbindung wohl auch für den Dienstgeberbeitrag gelten.

Es wundert daher nicht, daß bei den Budgetverhandlungen Lacina von dem ursprünglichen Plan abrückte und zuerst aus dem Fonds Geld ausborgen wollte. Auch das ist nicht neu. Liegt doch bereits jetzt ein Schuldschein des Bundes aus den Jahren 1952 bis 1970 im Wert von 1,6 Milliarden Schilling (in dieser Höhe seit 1983) in der Schatulle des FLAF, natürlich unverzinst. Bei 6,5 Prozent machen die verlorenen Zinsen ohne Zinseszinsen jährlich 100 Millionen Schilling aus.

Außer acht gelassen wird dabei, daß nach dem geltenden Gesetz der Familienfonds einen Reservefonds in der Höhe von einem Drittel des Gesamtaufwandes haben sollte, also für 1991 rund 14 Milliarden Schilling. Zu Beginn dieses Jahres betrug der Stand des Reservefonds nur 4,3 Milliarden in bar und die Schuld des Bundes. Der Barbestand wird nach Angaben des Familienministeriums bis zum Ende dieses Jahres auf etwa 2,4 Milliarden Schilling absinken.

Jedoch war Geld vorhanden und wollte man dies für die Familien ausgeben, hieß es, man müsse entsprechend dem Gesetz Reserven bilden. Jetzt gibt es - dem Gesetzestext nach - ungenügende Reserven, und der Finanzminister wollte kassieren.

„Schon zu Beginn der siebziger Jahre wurden dem Fonds neue Aufgaben (insbesonders Schulbücher und

Schülerfreifahrten) zugewiesen. Die Veränderung der Leistungsstrukturen im Berichtszeitraum ergibt sich vor allem daraus, daß

□ die in den frühen siebziger Jahren eingeführten Leistungen (insbesonders die Schulfahrten) besondere Kostensteigerungen aufwiesen, und

□ in den achtziger Jahren die Zuweisung neuer Aufgaben weiter fortgesetzt und intensiviert wurde, wobei gleichzeitig

□ die .Stammleistungen' des Fonds (Familien- und Geburtenbeihilfen) relativ zu den neuen Leistungen nur geringfügig erweitert wurden, und

□ der im Prinzip vorhandene Finanzierungspielraum des Fonds nicht ausgenützt wurde, weil die wichtigste Einnahmequelle des Fonds, die Dienstgeberbeiträge, reduziert wurden .wird im Familienbericht 1989 aufgezeigt. .

Resümierend merkt Universitätsprofessor Christoph Badelt dort an: „Die Entwicklung des letzten Jahrzehnts ist daher seitens der allgemeinen Wirtschaftspolitik durch den Versuch gekennzeichnet, die Zweckbindung der Gebarung des Familien-lastenausgleichsfonds sehr extensiv zu interpretieren. Inhaltlich wird diese Zweckbindung dadurch immer weiter aufgelöst. Zwar ist die Familienrelevanz sämtlicher Aufgaben des Fonds unbestritten; es ist aber im Hinblick auf die familienpolitischen Ziele nicht sehr glaubwürdig, sich dieser Familienrelevanz gerade in Zeiten schwieriger Budgetlagen erstmals zu entsinnen und dadurch die allgemeinen Budgetmittel zu entlasten."

Nach dem hartnäckigen und von den Familienorganisationen unterstützten Widerstand der Familienministerin gegen die Pläne des Finanzministers soll nun der Fonds letztlich die Kosten des zweiten Karenzjahres in der Höhe von 1,7 Milliarden Schilling anstatt der Arbeitslosenversicherung bezahlen. „Wenn das Karenzgeld nicht mehr Sache der Arbeitsmarktverwaltung, sondern des FLAF ist, ist nicht einzusehen, warum es weiterhin zwei Klassen von Müttern beziehungsweise Vätern geben soll. Es ist nun nicht mehr akzeptabel, daß der Bezug des Karenzgeldes von einer Erwerbstätigkeit abhängig ist und die Hausfrauen wieder und weiterhin herausfallen," stellt Elisabeth Schritt-wieser, Präsidentin des Katholischen Familienverbandes dazu fest. . Offen ist derzeit, ob es eine Erhöhung der Familienbeihilfe und auch eine Anhebung des Familienzuschlages geben wird. Die Familiensprecherin der ÖVP, Rosemarie Bauer kündigte dies kürzlich an, nun ist aber danach keine Rede mehr.

Ist eine Erhöhung der Familienbeihilfe notwendig?

Im Unterschied zu andern wichtigen sozialen Leistungen und auch zu Leistungen aus dem Familienfonds ist die Familienbeihilfe nicht dynamisiert und muß - oft in einem mühseligen politischen Entscheidungsprozeß - durch Gesetzesänderung den steigenden Preise angepaßt werden. Die Einnahmen des FLAF sind aber dynamisiert.

„Ein Vergleich mit der Preisentwicklung (Verbraucherpreisindex) zeigt allerdings in jedem Fall, daß die reale Steigerung der Familienbeihilfe im Berichtszeitraum eher gering war," stellte Badelt bereits im Familienbericht 1989 fest. Der aktuelle Vergleich über die Entwicklung der Familienbeihilfe zeigt:

□ der Tariflohnindex stieg von 1979 bis 1990 um 82,9 Prozent;

□ der Verbraucherpreisindex von Oktober 1979 bis Juli 1991 um 55,5 Prozentpunkte;

□ der Ausgleichszulagenrichtsatz für alleinstehende Pensionisten, allgemein als Armutsgrenze anerkannt, stieg von 1978 bis inklusive 1990 von 3.535 Schilling auf 6.790 Schilling, also um 92 Prozent;

□ die Familienbeihilfe für ein Kind stieg vom 1.1. 1979 bis 1991 nur um

42,8 Prozent.

Die Familienbeihilfen sollen den krassen Unterschied des Lebensstandards mildem, der dadurch entsteht, daß Familien mit Kindern das Familieneinkommen auf mehrer Personen aufteilen müssen. Untersuchungen zeigen überdies, daß der Anteil, den die Familienbeihilfe an der Belastung durch Kinderkosten trägt, mit steigender Kinderzahl immer geringer wird, daß durch die von den Eltern zu tragenden Kinderkosten das Einkommen verringert wird und die Familien immer mehr von den Kosten eines Kindes selbst bezahlen müssen.

Die dargestellten Zahlenvergleiche zeigen, daß die Familienbeihilfe zumindest um 13 Prozent höher sein müßte als derzeit, oder 165 Schilling. Wer selbst einkaufen geht, weiß, daß aber der Verbraucherpreisindex nur unzureichend die tatsächlich die Familien betreffenden Teuerungen wiedergibt.

Nun könnt jemand meinen, daß die Mittel des Familienfonds dafür nicht ausreichen. Wenn alle sparen müssen, muß auch die Ausgabenseite des Fonds betrachtet werden. So ist etwa die Frage der Schüler„frei"fahrt dringend einer sinnvollen Lösung zuzuführen, die Übernahme von zwei Drittel der Untersuchungskosten beim Mutter-Kind-Paß durch den Fonds ist nicht mehr vertretbar, und auch die „Gratis"-Schulbuchaktion zu prüfen.

Wenn alle sparen müssen, muß auch innerhalb des Fonds eingespart werden, damit die notwendigen und gerechten Direktleistungen für die Familien verbessert werden können. Die Familienminister in kündigte daher eine Reform des FLAF an, mit dem Ziel, die Leistungen zu dynamisieren und die Verwaltung zu vereinfachen.

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes Österreichs.

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