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Die Bilanz ist äußerst dürftig

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Viele Veranstaltungen gab es in diesem Jahr der Familie. Und das Ergebnis? Äußerst ernüchternd, wenn man die Koalitionsvereinbarung betrachtet.

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Viele Veranstaltungen gab es in diesem Jahr der Familie. Und das Ergebnis? Äußerst ernüchternd, wenn man die Koalitionsvereinbarung betrachtet.

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Am Ende eines Jahres, in dem vom Familienministerium subventionierte Familienfeste in allen Bundesländern gefeiert, Ideen- und Journalistenwettbewerbe zum Thema Familie ausgeschrieben und etliche Enqueten abgehalten wurden, setzt die Regierung mit ihrem Sparpaket einen traurigen Schlußpunkt. Waren alle programmatischen Reden zum Thema Familie bloße Lippenbekenntnisse? Was bleibt vom Internationalen Jahr der Familie 1994?

Auf besondere Kritik des Katholischen Familienverbandes stößt die Absicht der Koalitionsparteien, die Altersstaffel bei der Familienbeihilfe und die Mehrkinderstaffel bei den Kinderabsetzbeträgen abzuschaffen. Die neue einheitliche Familienbeihilfe soll nur mehr 1.500 Schilling ausmachen, der Kinderabsetzbetrag auf „mittlerem Niveau“ (geredet wird von 400 Schilling pro Kind) vereinheitlicht werden.

Zum Vergleich: Bis jetzt betrug die Familienbeihilfe für Kinder unter 10 Jahren 1.400, für Kinder ab 10 Jahren 1.650 und für Studierende 1.950 Schilling. Der Steuerabsetzbetrag machte bis jetzt für das erste Kind 325, das zweite 525 und das dritte sowie alle weiteren 700 Schilling aus.

„Das Jahr der Familie endet mit dem Beginn der Zerstörung der Familie,“ sagt Frieder Herrmann, Präsident des Katholischen Familienverbandes Österreichs, und geißelt die geplanten Sparmaßnahmen der Koalition als „Skandal und Gewissenlosigkeit“. „Das Internationale Jahr der Familie 1994 war ein Flop und endet mit einem familienpolitischen Skandal ersten Ranges,“ sagt Gerhard Lueghammer, der Vorsitzende des Katholischen Familienver- bandes der Erzdiözese Wien. Das Sparprogramm zeige die Ungerechtigkeit der Regierung und ihre Phantasielosigkeit, sinnvoll und sozial gerecht zu sparen. Zum ersten Mal in der zweiten Republik werde die Familienbeihilfe, die Basisleistung des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF), angetastet.

GELD FÜR VERKEHRSBETRIEBE

Ein zehnprozentiger Selbstbehalt bei Schulbüchern und Schülerfreifahrt scheint gleichfalls schon paktiert. „Es ist kein Wunder, daß dem FLAF das Geld ausgeht, wenn man für Kinder Erwachsenen tarife verrechnet, damit die Verkehrsbetriebe genügend Einnahmen einbringen. Es ist unfaßbar, daß die Familien jetzt auch noch die Verkehrsbetriebe subventionieren sollen,“ kritisiert Lueghammer.

Die Pressechefin des Familienmi nisteriums, Margarete Stocker, versendet Faxnachrichten, in denen die Einrichtung des Österreichischen Nationalkomitees für das Internationale Jahr der Familie und die Einrichtung von 15 Arbeitskreisen, an denen 700 Wissenschaftler, Experten, Funktionäre und Vertreter der Familienorganisationen teilgenommen haben, als Begründung der „breitesten familienpolitischen Diskussion, die je in Österreich in Bewegung gesetzt werden konnte“, gefeiert wird.

Immerhin wurde in den 15 Arbeitskreisen über die verschiedenen Aspekte zum Thema Familie nachgedacht, wurden anschließend viele Seiten Berichte geschrieben. Der Endbericht wird zu Jahresende vorliegen. „Der Endbericht ist ein erster Ansatz für ein familienpolitisches Programm“, meint die für die Koordination der Arbeitskreise ver- anwortliche Martina Beham vom Institut für Ehe und Familie bescheiden. „Die Umsetzung auf Gemeinde- oder höherer politischer Ebene ist aber noch nicht abgeschlossen.“ Eine parlamentarische Enquete über den Endbericht der 15 Arbeitskreise und familienpolitische Hearings mit verantwortlichen Poli tikern aus Bund und Ländern wer den vom Familienministerium an- gestrebt.

Was werden aber Österreichs Familien 1995 davon haben? Wenn die Regierung das geplante Sparpaket verwirkliche, habe Ex-Familienministerin Maria Rauch-Kallat nicht nur ihr Ziel, zumindest die derzeitigen sozialen und familienpolitischen Leistungen zu sichern, verfehlt, sondern auch die Arbeit der Arbeitskreise desavouiert, kontert der Familienverband.

Die geplante Einrichtung eines österreichischen Institutes für Familienforschung, dem die Erarbeitung von empirischen Entscheidungsgrundlagen für die Familienpolitik obliegen soll, scheint da nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Wenn schon jetzt, da die Familienorganisationen gemeinsam auf die Barrikaden steigen, bei den Familienleistungen gespart wird, werden im Notfall auch die Forschungsergebnisse eines solchen Institutes mit Bedauern, aber sicher übergangen werden.

Der Autor ist

Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien

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