Das Familienidyll und die realität

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Zwei Kinder wünschen sich die Österreicher im Schnitt. Nur 43 Prozent setzen diesen Kinderwunsch auch um. Die Gründe dafür sind vielfältig und sollen sich im Lauf der kommenden elf Jahre minimieren: So kündigte Familienministerin Sophie Karmasin an, Österreich bis zum Jahr 2025 zum familienfreundlichsten Land Europas machen zu wollen. Vor allem was die Wahrnehmung der Familienfreundlichkeit betrifft, dürfte noch viel Arbeit auf Karmasin zukommen: Im internationalen Vergleich liegt Österreich mit 31 Prozent weit hinter dem Vorzeigeland Dänemark, das zu 90 Prozent familienfreundlich ist.

Unter den Familiensprechern der Parteien und Familienexperten wird der Plan Karmasins positiv aufgenommen, Kritikpunkte sind aber nicht ausgenommen: "Wenn das alle politischen Kräfte in Österreich wollen, dann bräuchte man nicht bis zum Jahr 2025 warten“, meint Alfred Trendl, Präsident des katholischen Familienverbandes. Vor allem die Lebensumstände tragen oftmals zur Entscheidung gegen Kinder bei: "Familie per se ist nicht unattraktiv geworden - unattraktiv sind vielmehr die Rahmenbedingungen, mit denen sich Menschen konfrontiert sehen, die eine Familie gründen möchten“, sagt Beate Meinl-Reisinger, Familiensprecherin der NEOS.

Abgesicherte Frauen

Für Eva Glawischnig, Bundessprecherin und Klubobfrau der Grünen, beginnt Familienfreundlichkeit bei der Absicherung der Frauen: "Je sicherer man sich fühlen kann, dass man nicht im Stich gelassen wird, umso eher freut man sich auf die Familiengründung.“ Konkret müsse den Frauen gewährleistet werden, dass sie nach einer Karenz wieder zu gleichen Bedingungen zu ihrem vorherigen Arbeitsplatz zurückkehren können.

Schlüsselfragen für den Schritt zur eigenen Familie seien aber auch die nach wie vor vorhandene Einkommensschere zwischen Mann und Frau sowie ein fixer Kindergartenplatz ab dem ersten Geburtstag und der Ausbau der Kinderbetreuung. Hier stimmt auch SPÖ-Familiensprecherin Angela Lueger überein: "Die Kinderbetreuung wird immer noch oft den Frauen überlassen. Deshalb ist es wichtig, dass die Angebote der Kindebetreuung weiter ausgebaut werden und dass Frauen wählen können, wo sie ihre Kinder unterbringen möchten.“ Die Verwaltung diverser Einrichtungen, vor allem jener für Kleinkinder, soll nach den Vorstellungen der NEOS in die Hand des Bundes übergehen: "Kindergärten sind die ersten Bildungseinrichtungen und brauchen daher dringend einen echten bundeseinheitlichen Bildungsplan. Auch in Bezug auf Gruppengrößen, Betreuungsschlüssel und Ausbildung von Betreuungspersonal braucht es einheitliche Regelungen auf Bundesebene“, so Meinl-Reisinger.

Nicht ohne die Väter

Die leichte Anhebung der Familienbeihilfe wird von allen Seiten befürwortet. Eine wirkliche Großzügigkeit des Familienministeriums stelle sie aber nicht dar: " Das ist eine Frage der Fairness, über die man nicht verhandeln müssen sollte. Jedes Jahr wird alles Mögliche angepasst, von der Vignette bis zur Parteiförderung. Nur die Familienbeihilfe nicht“, kritisiert Alfred Trendl vom katholischen Familienverband. Bis 2018 will das Familienministerium 830 Millionen Euro für das Kindergeld zur Verfügung stellen. "Dass die Beihilfe erst vor drei Jahren gekürzt wurde und diese ‚erhöhte‘ Förderung nicht einmal einen Ausgleich dieser Kürzung darstellt, sagt aber niemand“, sagt Trendl.

Als weiteren Punkt, der für ein familienfreundliches Österreich in Angriff genommen werden muss, zählt SPÖ-Familiensprecherin Lueger die Väterbeteiligung. Diese beträgt hierzulande - je nachdem, ob man sich an den Zahlen des Familienministeriums oder aber des Frauenministeriums orientiert - rund 30 beziehungsweise fünf Prozent. Auch die Grünen plädieren für mehr Unterstützung der Väter: Nicht nur in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern solle es das Recht auf Teilzeit geben und auch am Papa-Monat müsse man arbeiten: "Ich höre immer wieder, dass man sich in den Betrieben als Mann nach wie vor rechtfertigen muss, wenn man Betreuungspflichten übernehmen will“, so Glawischnig. Trendl ortet hier ein gesellschaftliches Problem. Zwar sei man rechtlich in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch das Arbeitsrecht und die Sozialversicherung "sehr gut“ aufgestellt, nur: "Die Arbeitnehmer trauen sich nicht, in Anspruch zu nehmen, was ihnen zusteht.“ Nicht nur die Arbeitgeber, auch der Betriebsrat und vor allem die Angst vor den Reaktionen der Kollegenschaft seien hier nach wie vor ein Hemmnis.

Generell müsse die Politik, so meint Trendl, immer bedenken, welche konkreten Auswirkungen spezielle Maßnahmen mit sich bringen. Momentane Schritte, wie etwa die Einführung eines 12-Stunden-Arbeitstages, werden hinsichtlich ihrer Familienfreundlichkeit naturgemäß sehr unterschiedlich betrachtet: "Das ist ein massiver Einschnitt in die Familienorganisation. Wie soll das funktionieren, wenn beide Elternteile berufstätig sind? Das geht dann nicht mehr mit Kinderbetreuungseinrichtungen, die nur bis 17:30 Uhr geöffnet sind“, so Glawischnig. Für Georg Strasser, Familiensprecher der ÖVP, ist das Gegenteil der Fall: "Ich glaube, dass es bestimmte Bereiche gibt, wo eine Flexibilisierung eine Erhöhung der Lebensqualität der Familie mit sich bringt“, meint er.

Familie ist vielfältig

Um das Familienleben Österreichs bis 2025 wieder zu erwecken, fordern etwa die Grünen eine vollständige Gleichstellung von Pflegeeltern in Sachen Adoption. Auch Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Partnern, die ein Kind aufnehmen möchten, sollen gänzlich beseitigt werden. Diese Ansicht teilt auch die Familiensprecherin der NEOS: "Familie ist bunt. Ihren Kern bildet die wechselseitige Verantwortung füreinander. In welcher Konstellation diese Verantwortung übernommen wird, sollte den Staat nicht interessieren“. Umso mehr sind SPÖ, Grüne und NEOS von Sophie Karmasins Definition von Familie begeistert: Bei der Präsentation ihrer Pläne für ein familienfreundliches Österreich meinte sie, dass Familie überall dort zu finden sei, "wo sich Menschen zu Hause fühlen“. Innerhalb der ÖVP gehen die Meinungen auch in der Familienpolitik auseinander: "Da bin ich wirklich ein Anhänger vom klassischen Familienbild, das ist für die Kinder wahrscheinlich der beste Rahmen“, meint ÖVP-Familiensprecher Strasser.

Österreich als familienfreundlichstes Land - das können sich die Familiensprecher und -experten gut vorstellen: "Es ist ein sehr gutes Land, um Kinder zu haben“, meint Alfred Trendl. "Trotzdem gibt es Dinge, die wir angehen müssen - nämlich jetzt und nicht erst in elf Jahren.“

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