Feilen an der Fruchtbarkeit

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Eine historisch niedrige Geburtenrate und Frank Schirrmachers Familien-Essay "Minimum" haben in Deutschland eine hitzige Debatte über Familienförderung entfacht. Die Reform des österreichischen Kinderbetreuungsgeldes lässt indes auf sich warten.

Die nackten Zahlen wären beklemmend genug gewesen: 1,36 Kinder pro Frau hatte das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung errechnet - die niedrigste Geburtenrate in Deutschland seit 1945. Dass die unerfreuliche Ziffer auch noch mit dem Abgesang von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher auf das Ende der Familie zusammenfiel, machte die Katastrophe perfekt. "Je größer die Familie, desto sicherer die Rettung", doziert Schirrmacher in seinem neuen Buch "Minimum" mit Verweis auf das Exempel am Donner-Pass - jene Tragödie des Jahres 1846, als 81 amerikanische Siedler in Schneestürmen ums Überleben kämpften und Mitglieder von Großfamilien diesen Kampf mit größerer Wahrscheinlichkeit gewannen als noch so kräftige, aber einzeln reisende Männer.

Bestrafung Kinderloser?

Vom Modell der (schützenden?) Großfamilie ist Deutschland heute weit entfernt, wie die Statistik beweist. Entsprechend alarmistisch war das Echo auf die jüngsten Geburtenzahlen - bis dahin, dass Abgeordnete der CDU/CSU via Bild-Zeitung Pensionseinschnitte bei Kinderlosen von bis zu 50 Prozent forderten. Ein Vorschlag, der umgehend verworfen wurde.

Auch in Österreich: Es dürfe "keine Strafmaßnahmen für Kinderlose geben", betonte Sozialministerin Ursula Haubner (BZÖ). Im Übrigen habe Österreich mit der Pensionsreform und-harmonisierung rechtzeitig gehandelt. Dessen ungeachtet sind die Geburtenzahlen auch in Österreich denkbar niedrig: So kommen hierzulande laut jüngstem Geburtenbarometer - einer vom Institut für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Statistik Austria erstellten Methode - 1,39 Kinder pro Frau zur Welt. Führt man eine "Tempo-bereinigung" durch, also eine Berücksichtigung des immer späteren Erstgebärendenalters (derzeit rund 27 Jahre), so beträgt die Fertilitätsrate 1,63. Eine ungleich angenehmere Zahl, die von der Sozialministerin als Bestätigung ihrer Familienpolitik interpretiert wird. So sei diese bereinigte Fertilitätsrate - ausgehend von 1,54 im Jahr 2001 - kontinuierlich gestiegen.

Von den (unbereinigten) Ziffern, die aus Schweden gemeldet werden (1,75 Kinder bei einem Erstgebärendenalter von 28,5 Jahren) oder gar aus Island, wo man dank einer geschlechtergerechten Aufteilung der Kinderbetreuung (drei Monate für die Mutter, drei Monate für den Vater, drei Monate nach Belieben) eine Rekordkinderzahl von 2,03 erreicht hat, ist man freilich weit entfernt.

Zudem lässt die Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes noch immer auf sich warten. Mit endgültigen Daten sei erst im April zu rechnen, heißt es aus dem Büro von Ministerin Haubner. Wann entsprechende Reformen vorgestellt werden - etwa die von Haubner unterstützte Streichung der Zuverdienstgrenze von 14.600 Euro jährlich oder auch eine Aufstockung des steuerlichen Kinderabsetzbetrages von 50,90 Euro auf 87,90 Euro monatlich - steht noch nicht fest. Nur eines sei klar: Den Weg der deutschen Koalitionsregierung, wonach Eltern nur dann zwei Drittel der Kinderbetreuungskosten (maximal 4000 Euro jährlich) steuerlich geltend machen können, wenn Mutter und Vater erwerbstätig sind, werde man nicht beschreiten. "Das würde einen Ausschluss großer Beziehergruppen bedeuten", heißt es.

Entwöhnung vom Kind?

Die Oppositionsparteien haben indes ihre eigenen Vorstellungen. So fordert die SPÖ im Rahmen ihres "Kindergeld plus" einmal mehr ein einkommensabhängiges Karenzgeld, die Möglichkeit einer kürzeren Karenz bei höherem Bezug, die Streichung der Zuverdienstgrenze bei Reduktion der Arbeitszeit sowie einen Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Grünen schließen sich diesen Forderungen im Wesentlichen an.

Dass Reformen not tun, weiß nicht zuletzt auch Feuilleton-Alarmist Frank Schirrmacher. Schließlich hätten sinkende Geburtenzahlen sehr nachhaltige Folgen: "Je kinderloser die Umwelt, je verwandtschaftsärmer die Netzwerke, desto schneller scheint sich der Mensch der Kinder zu entwöhnen."

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