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Das Öster-Reich-Bild

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Wie hat sich die Bevölkerung im Vorjahr entwickelt? Wie der Arbeitsmarkt? Welche Veränderungen hat es im Sozialsystem gegeben? Und wie sieht die Einkommens- und Vermögensverteilung hierzulande aus?

Der druckfeuchte „Bericht über die soziale Lage 1982" des Sozialministeriums will darauf auf 216 Seiten eine Antwort geben: teils mit interessanten neuen Informationen, teils aber auch mit abgestandenem Datenmaterial.

Die Geburtentrends des Vorjahres mitsamt dem bemerkens-werten Anstieg der unehelichen Geburten (FURCHE 28/1983) werden ebenso reportiert wie Daten über die Familiensituation in Österreich: eine aufschlußreiche Lektüre.

Danach wurden im September 1982 über zwei Millionen Familien gezählt, davon 1,4 Millionen mit Kindern. Dabei nehmen die Statistiker freilich den Ehebegriff nicht mehr so genau: es sind auch, hält der Bericht ausdrücklich (aber ohne nähere Angaben) fest, „deklarierte Lebensgemeinschaften mit inbegriffen". Wohl auch unter jenen über 600.000 Ehepaar-Familien ohne Nachwuchs.

238.000 Familien - das sind immerhin rund 17 Prozent — setzen sich nur aus einem Elternteil mit Kind(ern) zusammen, in 208.000 Fällen ist das die Mutter. Und fast jede vierte dieser Mütter ist ledig.

Dann ist da auch noch von der „nicht-ledigen Mutter" die Rede. Verwitwete Frauen mit Kind(ern) fallen natürlich auch darunter: Doch der Großteil dieser 161.000 Teilfamilien ist sicherlich durch eine Scheidung (siehe Seite 4) erzwungen. Hier keine detaillierten Zahlen zu liefern, ist ein Mangel.

Allerdings: Entwicklungstrends dieser „Familientypen" -und das wäre gesellschaftspolitisch von Interesse - können keine aufgezeigt werden. Leider fehlt vergleichbares Zahlenmaterial früherer Jähre.

Haufenweise Vergleiche finden sich dagegen für die Bereiche Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsmarkt: Wenn es darum geht, die österreichischen Probleme im internationalen Vergleich zu relativieren. Natürlich: Es handelt sich ja auch um einen Regierungsbericht.

Die Zahlen sind seit längerem bekannt: Das Brutto-Inlandspro-dukt wuchs 1982 um 1,1 Prozent, die Zahl der insgesamt Erwerbstätigen sank um 3.200, die Zahl der Arbeitslosen stieg im Jahresschnitt auf 105.000, um die Hälfte mehr als 1981. Es ging, so die offizielle Version, „nunmehr auch in Österreich... die Vollbeschäftigung verloren".

Zwar wird auch eine Erhöhung der Dauer der Arbeitslosigkeit nicht verschwiegen, doch ließe die im Bericht angeführte rückläufige Zahl von 11.948 Notstandshilfe-Beziehern (1981: 12.536) darauf schließen, daß das Problem der Dauerarbeitslosigkeit eigentlich nur eine geringe Rolle spielt.

Zum besseren Verständnis: Anspruch auf Notstandshilfe haben jene Arbeitslosen (Ehefrauen, deren Mann verdient, ausgenommen), deren Anspruch auf Arbeitslosengeld (je nach Versicherungszeiten bis zu sechs Monaten) abgelaufen ist.

Hier hat die Entwicklung den Bericht zum Zeitpunkt seiner Vorlage dramatisch überholt: Während sich die Zahl der Arbeitslosen im heurigen Juni gegenüber dem Vorjahresmonat um über ein Viertel auf 90.837 erhöhte, hat sich die Zahl der Notstandshilfe-Bezieher in diesem Zeitraum verdoppelt: auf rund 20.000.

Wer mit diesem Sozialeinkommen sein Auskommen finden muß, wird erst recht der Feststellung im Bericht zustimmen: die Einkommensunterschiede wachsen.

Zuerst allgemein: Die Netto-Masseneinkommen sind 1982 um 7,6 Prozent, real um 0,5 Prozent gestiegen. Die Netto-Entgelte für unselbständige Arbeit haben sich dabei um 4,7 Prozent erhöht, die Einkünfte aus Besitz und Unternehmung hingegen um 15 Prozent: das ist eine Folge der hohen Zinsen.

Einer fuhr dabei - um voreiligen Schlüssen zuvorzukommen — noch besser: der Staat. Seine Einkünfte aus Besitz und Unternehmungen erhöhten sich gar um 18,1 Prozent - und trotzdem dieses Defizit.

Und wie steht es um die personelle Einkommensverteilung? Dieser harte Kern des Befichtes, den das Institut für Höhere Studien (IHS) beigetragen hat, gibt eine Aktualität vor, die nur partiell erfüllt wird. Besser, umfangreicher und abgerundeter als im 1983 vorgelegten Bericht findet man das entsprechende Material in der IHS-Publikation „Einkommensverteilung in Österreich" - erschienen im Jahr 1981!

Doch die alten Zahlen aus 1976 berühren noch immer: Das untere Fünftel der Einkommensempfänger kam nur auf 3,8 Prozent des Gesamteinkommens, das obere Fünftel kassierte gut die Hälfte der Einkommenssumme. Die bestverdienenden zehn Prozent der Lohnsteuerpflichtigen verdienen fast soviel wie die unteren 50 Prozent - sie zahlen auch, der Bericht erwähnt dies nicht, fast die Hälfte der Lohnsteuer.

Neu ist die Ergänzung für 1982: . Während das oberste Zehntel der Lohn- und Gehaltsempfänger den Anteil am Gesamteinkommen von 23,6 Prozent (1981) auf 24,3 Prozent erhöhen konnte, mußten die Arbeitnehmer im mittleren Bereich Einbußen hinnehmen. Allerdings: Das untere Fünftel konnte den relativen Einkommensanteil halten. Die Schere öffnet sich weiter.

Das mittlere Unselbständigen-einkommen lag 1982 bei brutto 10.850 Schilling, jeder zehnte erzielte ein Einkommen von mehr als 21.000 Schilling. Signifikant ist weiterhin die Benachteiligung der Frauen.

Keine neuen Zahlen bietet jener Abschnitt über die Vermögensverteilung, der zuerst Schlagzeilen machte: „Einem Zehntel gehört halb Österreich".

Kurz: Das oberste Zehntel der vermögenssteuerpflichtigen Haushalte besitzt 55 Prozent des Gesamtvermögens, das oberste Hundertstel allein über ein Viertel. Die Daten stammen aus 1977.

Ist dies das Bild von öster-Reich? „Der gravierendste Mangel der Vermögenssteuerstatistik", schränken die Autoren selbst ein, „besteht darin, daß von zirka 2,6 Millionen österreichischen Haushalten nur rund fünf • Prozent in der Statistik erfaßt werden." 1981 wurden just diese Daten in der erwähnten IHS-Publikation mit einem wesentlich größeren Fragezeichen versehen, nämlich: „daß Aussagen über die Vermögensverteilung auf Grund der Steuerstatistik irreführend sein müssen".

Diese Feststellung fällt nun als Vorwurf auf den Bericht zurück.

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