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Wer zahlt?

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Die Kosten der österreichischen Sozialversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) werden überwiegend durch Beiträge der. Versicherten und der Arbeitgeber bestritten. Diese juristische Aufteilung sagt freilich über den ökonomischen Sachverhalt nichts aus. Der Versichertenbeitrag wird nämlich wie eine direkte Steuer aus dem Einkommen gezahlt (die Problematik der Überwälzbarkeit von direkten Steuern bleibt hier außer Betracht, da sie das Ergebnis der Untersuchung nicht entscheidend beeinflußt), während der Arbeitgeberbeitrag als Kostenbestandteil in den Produktpreis eingeht, den, wie jede indirekte Steuer (etwa die Umsatzsteuer), in der Regel der Konsument trägt. Dazu kommen — besonders für die Pensionsversicherung — steigende Zuschüsse des Bundes aus allgemeinen Steuermitteln.

Nun umfassen die Steuererträgnisse auch die direkten Steuern auf Unternehmereinkommen. Durch die Verwendung von Steuermitteln kommt es somit zu einer gewissen vertikalen Umverteilung von einer Gruppe zur anderen. Zu fragen ist nur, in welchem Ausmaß. Da, grob geschätzt, etwa die Hälfte des Steueraufkommens auf die Unselbständigen entfällt, zahlen diese auch die Hälfte des Bundesbeitrages. Insgesamt bestreiten also die Unselbständigen den größten Teil des Sozialversicherungsaufwandes.

Zwei Entweder — oder

Ist einmal klargestellt, wer eigentlich die Kosten der Sozialversicherung trägt, dann läßt sich auch leichter ein Urteil über das Optimum der Leistungen fällen. Dieses •rweist sich nicht als Wissenschaft-

lieh bestimmbare fixe Größe, sondern — in dem zuvor abgesteckten Rahmen — als Konsequenz von Werturteilen. Das erste lautet: Auf welchen Teil meines Einkommens bin ich zu verzichten “bereit, damit“ zum Beispiel die wegen Alters aus dem Arbeitsprozeß ausgeschiedenen Personen eine gewisse Versorgung erhalten. Zweitens: Wie die Erfahrung beweist, löst nicht jede Leistungserhöhung sofort eine Steuer- oder Beitragserhöhung aus. Zumeist werden nur Budgetposten verschoben. Hier wird wieder zu entscheiden sein, welche Ausgaben mir im Staatshaushalt wichtiger erscheinen: Die Altersversorgung oder die Aufwände für Schulen, Straßen und ähnliches.

Drei Auftriebe in der Zukunft

Bevor man versucht, sich über die Größenverhältnisse Klarheit zu verschaffen, die einer solchen Wert-

entscheidung zugrunde gelegt werden müssen, gilt es noch darauf zu achten, daß die Institutionen der sozialen Sicherheit auch nur zu dem Zweck benutzt werden, für den sie gedacht sind. Das gilt vor allem für die Krankenversicherung.

Aber die 1957 mit einigem Erfolg eingeführte Rezeptgebühr von zwei Schilling wurde seither nicht mehr erhöht. Auch die Zahl der Erkrankungen nimmt zu. Erstaunlicherweise bei der Wiener Gebietskrankenkasse am stärksten in der Altersgruppe bis 19 Jahre (gleichzeitig nimmt die Zahl der Krankentage pro Fall ab). Wiewohl dieses Beispiel auf eine etwas großzügige Verwendung von Krankenscheinen hinweist, hat man die ebenfalls mit einigem Erfolg eingeführte Kran-kensoheingebühr wieder aufgehoben. Man kann an den gesellschaftlichen Entwicklungen der Gegenwart auch

in diesen Fragen nicht einfach vorbeigehen. Die modernen Institutionen der sozialen Sicherheit sind eben Massenemrichtungen, die für engere Beziehung von Versichertem und Träger der Versicherung keinen Raum lassen. Diese Entwicklung umkehren zu wollen, ist ebenso sinnlos wie die Annahme, daß es keinen Mißbrauch der Einrichtungen geben könne. Hier gilt es eben gewisse finanzielle Hindernisse gegen jene zu schaffen, welche die Anonymität der Sozialinstitute in Rechnung stellen. Denn das eigene Einkommen zu belasten, damit Sozialleistungen mißbraucht werden, läßt sich auf keinen Fall rechtfertigen. Hier dürfte man vom Optimum nicht zu weit entfernt sein, da dem hohen Leistungsniveau angemessene Beiträge gegenüberstehen. Freilich unter der Voraussetzung, daß gewisse Kautelen gegen Mißbrauch eingebaut und auch Bagatellfälle nicht mehr erfaßt werden. Dann wird man mit der gegebenen Beitragshöhe wahrscheinlich im großen und ganzen auch in Zukunft auskommen. Zumindest sind keine extrem hohen zusätzlichen Kosten zu erwarten.

Das läßt sich von der Pensionsversicherung allerdings nicht sagen. Sicherlich gibt es dort eine „natür-

liehe“ Aufwandserhöhung. Diese resultiert einerseits aus der Kompensation der Geldentwertung, anderseits daraus, daß die Pensionen den Aktivgehältern angeglichen werden.

Daneben gibt es mehrere Einflüsse, die für die Zukunft eine zusätzliche Belastung der jeweils aktiven Generation mit sich bringen. Die Durchschnittspensionen sind in Österreich — gemessen am Durchschnittseinkommen der Berufstätigen — gewiß nicht sehr hoch. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, daß ein Teil der Versicherungen neu eingeführt wurde und nur Pauschalanrechnungen der Vordienst-

Zeiten mit sich brachte (sechs bis acht Monate für ein Jahr), anderseits, daß vor dem Krieg infolge der Massenarbeitslosigkeit vielfach

überhaupt keine Versicherungszeiten erworben werden konnten. Gerade damit aber haben wir schon die erste Ursache dafür gefunden, warum der Pensionsaufwand in Zukunft auch relativ beträchtlich steigen wird. Da seit dem Krieg Vollbeschäftigung herrscht, wird es den neu anfallenden Pensionisten immer leichter, die volle Versiche-rungszeit und damit eine viel höhere Pension als die heutigen Pensionsempfänger zu erreichen. So betrug die durchschnittliche Alterspension in der Angestelltenversicherung 1960 53,2 Prozent des Aktiveinkommens der Angestellten, 1963 hingegen schon 58,9 Prozent. Wenn man bedenkt, daß die Alterspension bis auf 84 Prozent des durchschnittlichen Monatsbezuges der letzten fünf Arbeitsjahre steigen kann (die Berufs-

Unfähigkeitspension muß freilich beträchtlich unter dieser Grenze bleiben), läßt sich ein Bild über die zukünftige Entwicklung leicht gewinnen.

Der zweite Faktor, der zu überproportionalen Belastungen der Beitragszahler führen wird, liegt in der geänderten Altersstruktur der Bevölkerung. Im nächsten Jahrzehnt wird sich der Anteil der Beschäftigten an der Gesamtbevölkerung verringern. Ein Zug, der sich ebenfalls schon seit einiger Zeit verfolgen läßt. 1959 fielen auf 100 Beschäftigte 38,8 Pensionen, 1963 bereits 41,5, und 1975 ist Schätzungen zufolge mit

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