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Der Trick mit der „ Garantie ”

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„Sichere Pensionen” sind bis zum Jahr 2010 hat Sozialminister Hesoun versprochen. Ein glaubwürdiges System sollte länger halten.

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„Sichere Pensionen” sind bis zum Jahr 2010 hat Sozialminister Hesoun versprochen. Ein glaubwürdiges System sollte länger halten.

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Die Pensionsreform 93 wurde von Sozialminister Hesoun als nunmehr endgültige Reform des Pensionssystems (PV) angekündigt, die die Pensionen bis zum Jahre 2010 sichern wird. Sichern - wie es der Österreicher versteht - heißt: den derzeitigen Standard zu garantieren. Und damit hat er nicht einmal unrecht:

Bis 2010 wird wirklich nichts Entscheidendes passieren, die Pensionen sind soweit „sicher”. Im Gegenteil: Durch die Herausnahme des „Hilf-losenzuschusses” (zehn Milliarden) aus dem Pensionssystem und dessen Überführung in ein „Bundespflege-geld” wurde das System sogar entlastet. So konnte (zumindest optisch) das Defizit mit 58 Milliarden Schilling gehalten werden.

Aber niemand soll sich dadurch täuschen lassen! Denn die gefährliche Entwicklung bis hin zur Unfi-nanzierbarkeit des ganzen Systems tritt erst nach 2010 ein. Erst ab 2010 explodiert das Defizit bis zum Höhepunkt in 2030. Die „Pensionsgarantie” bis 2010 ist daher wertlos. Denn der heute 40jährige wird erst 2020 in Pension (dann gilt 65 als Pensionsalter auf alle Fälle) gehen und im Jahre 2030, im Höhepunkt der Krise, ist er 75.

Eine Pensionsreform erfüllt nur dann ihre Aufgabe, wenn sie ein System schafft, das glaubwürdig eine Einkommens-Ersatzrate (EER) -Verhältnis von Letztbezug zu Anfangspension - versprechen kann, das auch noch im Jahre 2030 finanziert werden kann. Eine solche Einkommens-Ersatzrate wird aber deutlich unter jenen 80 Prozent liegen, mit der viele Österreicher rechnen. Diese 80 Prozent werden aber politisch in den Vordergrund - als Ausdruck der Leistungsfähigkeit unseres PV-Systems - geschoben.

Projiziert man die demografische Entwicklung bis 2030 auf 1995, dann müßten

■ der steuerfinanzierte Bundeszuschuß entweder - auf Preisbasis 1995 - (inklusive Ausgleichszulage) 230 Milliarden Schilling erreichen, oder

■ der Beitragssatz von derzeit 22,8 Prozent des Brutto-Monatsverdien-stes auf 40,1 Prozent steigen.

Beides sind Horrorwerte und wären der nächsten Generation nicht zuzumuten. Sie wäre gezwungen, aus dem Generationenvertrag auszusteigen. Denn zu den 40,1 Prozent Beiträgen kommen noch die -noch stärker und früher! - explodierenden Kosten der Kranken-, Arbeitslosen-, Pflege- und Unfallversicherung plus Beiträge zum Familienlastenausgleich (FLAF), insgesamt also fast zwei Drittel des Bruttoeinkommens vor Steuern!

Außerdem täuschen sich auch heute schon .die Österreicher über die Höhe der Pensionen: Im Schnitt erreichen sie nur 49 Prozent der durchschnittlichen Beitragsgrundlage (zirka 10.000 Schilling brutto), also weit entfernt von jener vorhin erwähnten 80 Prozent Einkommens-Ersatzrate. Werden aber Beiträge und Steuern nicht erhöht, dann müßte das Pensionsniveau - um finanzierbar zu bleiben - auf 29 Prozent absinken!

Es besteht die akute Gefahr, daß man (politisch) versuchen wird, das System über den Anpassungsfaktor zu sanieren, wie das schon mit der Pensionsreform unter dem völlig irreführenden Ausdruck „Nettoanpassung” getan wurde. Offiziell soll Nettoanpassung heißen, daß sich die Pensionen netto im Gleichschritt mit den Netto-Aktivbezügen erhöhen; in Wahrheit verbergen sich dahinter massive Pensionskürzun-

gen. Diese haben die Österreicher allerdings erstmalig erst bemerkt, als -nach der Wahl - die Pensionen nur um 2,8 Prozent erhöht wurden statt um 4,5 Prozent der Aktiven.

Ist aber der Anpassungsfaktor um zwei Prozentpuhkte niedriger, dann sinkt die Pension innerhalb 30 Jahre (was für die Witwenpension wichtig ist) auf 60 Prozent der Anfangspension - im Vergleich zum weiterhin steigenden Aktivbezug - ab. Als gelernter Österreicher muß man damit rechnen, daß über Fixbeträge vor allem die höheren Pensionen nicht voll angepaßt und daher gekürzt werden.

Frühe Verrentung

Die Sanierung unseres PV-Systems durch eine einschneidende Pensionsreform ist daher dringend und es darf keine Zeit verloren werden, soll die Reform bis zum Jahr 2010 greifen.

Dazu müssen zwei Wege beschritten werden:

■ Wir müssen länger arbeiten. Österreich ist das Paradies der Frühpensionisten mit 58 Jahren faktisches Pensionsalter. Vier Jahre müssen wir länger arbeiten, dann könnte der notwendige Beitragssatz von 40,1 auf 30,4 Prozent absinken! Das ist aber nur zu erreichen, wenn jedes Jahr Frühpension mit einem „Malus” (wie in Deutschland und in Schweden) versehen wird - ein versicherungsmathematischer Abschlag von vier Prozent weniger Pension pro Jahr Frühpension unter 65 Jahre - selbstverständlich nur gleitend

wirksam, das heißt jedes Jahr ab 2000 sechs Monate mehr. ■ Parallel zu unserem Umlagesystem müssen wir eine betriebliche Zusatzpension über Pensionskassen (zweite Säule der Altersvorsorge) aufbauen. Die Leistungsfähigkeit von Pensionskassen macht es möglich, daß wir die Differenz von .7,6 Prozent (22,8 auf 30,4 Prozent) im Beitragssatz auf zirka vier Prozent herabdrücken könnten. Langfristig je zwei Prozent für Arbeitgeber und

- nehmer zur Sanierung des PV-Systems wäre sicher kein zu hoher Preis. Ein solcher wäre den Österreichern zuzumuten, wenn sie dafür die Sicherheit der Pensionen eintauschen. Um aber auch für die 50jähri-gen in nur 15 Jahren eine angemessene Zusatzpension zu erreichen, könnte - wie in der Schweiz beim Übergang auf diese obligatorische Zweite Säule - ein Prozent Zusatzbeitrag aufgeschlagen werden (also fünf Prozent statt vier Prozent), der als Solidarleistung diesen älteren Versicherten zugute käme.

Daneben gibt es aber auch immer wieder Uralt-Alternativvorschläge, überhaupt von einem Versicherungssystem abzugehen. Hier geistern noch die Vorstellungen einer Volkspension herum, die tatsächlich vor 100 Jahren einmal ein politisches Kampfziel - unter gänzlich anderen sozialen Rahmenbedingungen

- des Sozialismus waren.

Die österreichischen Sozialisten haben sich jedoch nach 1945 auf das Versicherungssystem festgelegt. Pensionen sind also an Erwerbsjätig-keit gebunden. Alle, die eine versi-

cherungsfreie Pension fordern, haben eines gemeinsam: sie haben keinerlei Vorstellung von der Größenordnung des Problems. So wurde schon vor zehn Jahren eine Pensionshöhe einer solchen Volkspension von 7.000 Schilling genannt. Eine einfache Rechnung ergibt, daß eine Volkspension in Österreich nur 5.140 Schilling pro Monat betragen könnte. Wo immer auch Volkspensionen vorgesehen sind, zum Beispiel in Schweden, folgt bei ähnlicher Situation die Forderung nach einer hohen Altersgrenze. In Schweden also 66 Jahre.

Volkspensionssysteme werden dazu meist steuerfinanziert. Im Gegensatz zur Vorstellung der Österreicher erreichen die skandinavischen Volkspensionen auch nur sehr bescheidene Ausmaße in der Größenordnung von 4.000 Schilling und werden überall durch ergänzende, beitragsbezogene Systeme, im wesentlichen aber durch Eigenvorsorge ergänzt.

Ein Übergang auf ein anderes Pensionssystem ist auch deshalb schon unmöglich, weil in der Zwischenzeit Pensionsanwartschaften von 5,4 Billionen(!) herangereift sind. Jede Änderung in einem PV-System könnte daher nur mit einer Warnzeit von 20 Jahren durchgeführt werden. Außerdem: 5.000 Schilling Volkspension sind wirklich nicht attraktiv!

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