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Nur ein Wahlzuckerl

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Seit Jahren ist bekannt, daß unser System der Pensionsversicherung vor gewaltigen, ja fast unlösbaren Problemen steht. Die dramatische Verschlechterung der Altersstruktur durch den Rückgang der Geburtenrate wird mittelfristig bewirken, daß immer weniger Aktive immer mehr Pensionisten erhalten müssen.

Das bestehende Anspruchsniveau wäre daher nur haltbar, wenn man entweder die Pensionsbeiträge oder die Zuschüsse aus dem Staatsbudget in einem gewaltigen und damit unrealistischen Ausmaß erhöht.

Es ist sohin jedermann klar, daß man auch Einschränkungen der Leistungsansprüche planen muß. Dies ist schmerzlich und stellt die Sozialpohtikervoreineganz schwierige Aufgabe. Sie wird nur dadurch etwas erleichtert, daß es im heutigen System auch gewisse Überversorgungen gibt.

Hier wird man jedenfalls ansetzen müssen, wenn man einen unzumutbaren Leistungsabbau möglichst vermeiden will. Selbstverständlich ist auch, daß man alle diese Operationen behutsam vornehmen muß. Nicht zuletzt der Verfassungsgerichtshof hat in letzter Zeit mehrmals darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber in die Lebensplanung des einzelnen nicht sozusagen ungehemmt eingreifen darf, sondern daß er durch vorausschaubare Ubergangsregelungen notwendige Einschränkungen erträglichmachen muß.

Angesichts dieser Tatsachen müßte von den Verantwortlichen erwartet werden, daß sie die ausstehende Pensionsreform möglichst bald in Angriff nehmen. Sie war ja auch ein Hauptziel der großen Koalition, dessen Realisierung aber aussteht und bei Betrachtung der augenblicklichen politischen Situation vor den nächsten Wahlen gar nicht mehr erwartet werden kann.

Dieses Versäumnis wird sich bitter rächen, denn je später man das Projekt in Angriff nimmt, umso schwerer (und teurer) wird seine Realisierung.

Geradezu schockierend ist angesichts dieser Tatsachen, daß beide Koalitionsparteien nun Schritte setzen, welche genau in die Gegenrichtung führen. Die ÖVP drängt auf eine völlige Beseitigung der Ruhensbestimmungen und hat hier bereits einen Teilerfolg erzielt. Sozialminister Walter Geppert wiederum kündigte jetzt an, daß er bei der Bezahlung von Mindestansprüchen für Pensionisten Unterhaltsansprüche nicht mehr einrechnen wi IL Es ist erstaunlich, ja unverständlich, daß man in Vorwegnahme der Pensionsreform nicht nur erhöhte Leistungsansprüche verspricht,sondern daß man dies genau dort macht, wo vernünftige und sozial durchaus vertretbare Einschränkungen sich geradezu aufdrängen. Bekanntlich sind von den Ruhensbestimmungen nur jene Pensionisten betroffen, die sich trotz Rentenbezug eben nicht im Ruhestand befinden, sondern weiterarbeiten. Sie sind also nicht auf den Pensionsbezug - der ja durch beträchtliche Staatszuschüsse erst ermöglicht wird - angewiesen.

Der Zusammenfall von Erwerbseinkommen in nicht nur geringer Höhe und voller Pension stellt also genau eine jener relativen „Überversorgungen“ dar, die den humansten Ansatzpunkt für notwendige Einsparungen bieten. Statt dessen will man nicht mehr und nicht weniger, als daß zukünftige exorbitante Beitragszahlungen und Steuerzuschüsse für Pensionisten aufgewendet werden, die gar nicht auf die Sozialversicherungsleistung zur Sicherung eines menschenwürdigen Lebensabends angewiesen sind.

Damit fügt man in den Generationenvertrag eine Klausel ein, die in der direkten Beziehung zwischen Einzelpersonen undenkbar wäre. Kein Mensch wäre bereit, unter großen Anstrengungen seine Eltern schon zu einem Zeitpunkt zu erhalten, wo sie noch im Beruf stehen.

Ahnlich widersinnig erweist sich die Absicht des Sozialministers, auch solchen Pensionisten einen Mindeststandard aus öffentlichen Mitteln zu sichern, die über einen ausreichenden Unterhaltsanspruch verfügen. Bei den Ausgleichszulagen, welche die Funktion von Mindestpensionen erfüllen, wird ja heute so vorgegangen, daß der öffentliche Anspruch subsidiär, also nur im Bedarfsfall, besteht

Wenn also zum Beispiel eine Frau nur wenige Jahre gearbeitet und dabei auch keine hohen Beiträge einbezahlt hat, wird die eigentliche Pensionsleistung sehr niedrig sein. Lebt sie aber nach wie vor in aufrechter Ehe mit einem Mann, der über ein ausreichendes Einkommen verfügt, wird diese Kleinpension derzeit nicht auf das festgelegte Existenzminimum ergänzt. Man sah hiefür bisher keinen sozialen Bedarf.

Nennen wir doch das Kind beim Namen: Anstelle des verantwortungsvollen und klugen Angehens einer durchdachten Pensionsreform, welche alten Menschen und Hinterbliebenen ein gerechtes E inkommen auch dann sichert, wenn es immer weniger Beitragszahler und immer mehr Pensionisten gibt, sollen neue Leistungsansprüche eingeführt werden. Dies noch dazu derart, daß heute bestehende und vertretbare Ansprachseinschränkungen wegfallen.

Es drängt sich also die Vermutung auf, daß - wieder einmal - nur an die nächste Wahl, aber nicht an die nächste Generation gedacht wird. Man fragt sich, ob es denen, die solches tun, ander Einsicht oder amnötigen Verantwortungsbewußtsein fehlt. Beide Annahmen sind bedrückend.

Ein Umdenken muß energisch verlangt werden. Die Zeit des Ver-teilens van Wohltaten aus vordergründigen politischen Überlegungen ist vorbei. Wer dies nicht einsieht, ist fehl am Platz.

Der Autor ist Volksanwalt

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