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Ist die Hausfrauenrente möglich?

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Wenn eine unserer Frauen den vor kurzem vom Sozialministerium zur Begutachtung ausgesandten Entwurf der 8. Novelle zum ASVG durchblättert, wird sie, wenn sie ein wenig sachkundig ist, zunächst recht viel Angenehmes herauslesen, was sie betrifft. Sie wird sich freuen, daß die Karenzurlaube nach dem Mutterschutzgesetz in Hinkunft rentensteigernd wirken werden, daß die Witwenrenten anstatt wie bisher 50 v. H. nunmehr 60 v. H. der Rente des verstorbenen Ehegatten betragen und daß diejenigen Witwen, deren Gatten als Arbeiter tätig waren und vor dem 1. Jänner 1939 starben, nunmehr in den Bezug einer Rente treten sollen, während sie bisher, da die Arbeiterversicherung bei uns erst mit diesem Datum aktiviert wurde, auf Fürsorgeunterstützungen angewiesen waren, und sie ist erstaunt, daß von dieser Maßnahme mehr als 6000 ihrer Geschlechtsgenossinnen betroffen werden. Auch daß die Waisenrenten um 20 v. H. höher und die Kinderzuschüsse zur Rente in Hinkunft mindestens 50 Schilling monatlich betragen werden (bisher mindestens 32 Schilling), wird sie begrüßen, und ebenso, daß ihr, sollte sie einmal — was Gott verhüten möge — hilflos werden, ihr Zuschuß zur Rente von gegenwärtig mindestens 300 Schilling und höchstens 600 Schilling monatlich nun auf mindestens 400 Schilling und höchstens 800 Schilling monatlich erhöht werden soll. Sie hat ja auch noch gar nicht vergessen, daß ihr dieser Hilflosen-zuschuß zur Witwenrente überhaupt erst vor ganz kurzer Zeit, nämlich am 1. Jänner 1960, durch die 5. Novelle zum ASVG zugestanden wurde. Unsere Freundin liest dann befriedigt weiter, daß es nunmehr bei Bedürftigkeit auch Eltern- und Geschwisterrenten geben soll und daß die niedrigsten Renten durch Erhöhung der Ausgleichszulagen profitieren sollen.

Dann aber konstatiert sie betrübt, daß die Altersrentnerinnen, die ihre Rente vor dem 31. Dezember 1955, also vor dem Inkrafttreten des ASVG, zuerkannt erhielten, noch immer nicht nachgezogen werden und daß die Renten-ruhensbestimmungen, die der Rentnerin, die sich etwas dazu erwerben möchte, sosehr im Wege, stehen, zwar gemildert, aber nicht aufgehoben wurden. Schließlich klappt sie den Entwurf verärgert zu, denn von den „Hausfrauen-r e n t e n“ — und deswegen ist sie ja besonders neugierig gewesen — steht im Entwurf der 8. ASVG-Novelle kein Wort.

Ja, wirklich, wie steht es denn eigentlich heute mit der sozialen Sicherheit für den Lebensabend der Hausfrau, sofern diese nicht durch den Ehegatten gewährleistet wird, wenn sie, für die kein Achtstundentag, kein Arbeitsrecht und kein Schutzgesetz gilt, die nimmermüden Hände dereinst zur Ruhe legen will?

Wir können heute von der sicheren Voraussetzung ausgehen, daß die große, weitaus überwiegende Mehrzahl aller Frauen, die eine Ehe eingehen, vorher in einem, die Pensionsversicherung begründenden Beschäftigungsverhältnis standen und pflichtversichert waren. Dann kommt die Eheschließung, man gibt den Beruf ein wenig später auf, und damit naht die große Entscheidung: soll man, sofern man bereits fünf Beitragsjahre (die kleine Wartezeit) erworben hat, den Ausstattungsbeitrag verlangen, den fast jede junge Ehe bitter nötig hat, oder soll man weiterversichern, um dann einmal in den Bezug der selbsterworbenen Rente treten zu können? Das eine schließt das andere aus, denn durch die Auszahlung des Ausstattungsbeitrages, um den innerhalb von zwei Jahren nach der Eheschließung angesucht werden muß, geht man aller bis dahin erworbenen Anwartschaften verlustig. Wenn sich aber die junge Ehefrau dafür entscheidet, freiwillig die Versicherung fortzusetzen, woher soll sie das Geld nehmen, um durch mehr als drei Jahrzehnte bis zur Erreichung der Altersrente (vollendetes sechzigstes Lebensjahr) die Beiträge zu zahlen? Und so wird sich fast jede Frau für den Ausstattungsbeitrag entscheiden, um dann später einmal zu bedauern, daß ihr kein eigener Rentenanspruch zusteht. Allerdings wird dieses Bedauern geringer werden, wenn sie erfährt, daß ihr, wenn sie dereinst eine Witwenrente erhält, die selbsterworbene Rente als die wahrscheinlich niedrigere, um die Hälfte gekürzt worden wäre, eine Folge der unseligen Ruhensbestimmungen des ASVG (90 bis 96), die asozial, system- und — weil dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend - auch verfassungswidrige wie eine stets drohende Gewitterwolke über' unserer Rentenversicherung lasten.

Natürlich gibt es auch Fälle, wo die junge Frau auch nach der Eheschließung weiter beruflich tätig ist, sich den Ausstattungsbeitrag auszahlen läßt und hernach wiederum von neuem beginnt, Anwartschaften zu erwerben. Aber wann immer sie dann später einmal doch ihr Beschäftigungsverhältnis aufgibt, immer wieder wird die Frage an sie herantreten, woher sie die Mittel nehmen soll, um durch so viele Jahre die Beiträge zu zahlen.

Die jetzige Gesetzeslage verhindert so praktisch jede Möglichkeit, Hausfrauenrenten zu erwerben, und doch wäre es so leicht und billig und so sehr am Platze, hier Abhilfe zu schaffen;gerade die 8. Novelle des ASVG gibt hiezu die erwünschte Gelegenheit.

Zwei Maßnahmen sind hiezu notwendig: 1. Wiederaufnahme der sogenannten „A nerkennungsgebühr“ in die Pensionsversicherung. Diese durch die kaiserliche Verordnung vom 25. Juni 1914, RGBl. Nr. 138, eingeführte und nach 1920 leider wieder abgeschaffte Institution besagt, daß durch die Zahlung eines jährlichen, niedrig gehaltenen Beitrages die bis zum Austritt aus dem Beschäftigungsverhältnis erworbenen Anwartschaften gewahrt und evident gehalten werden können; sie wachsen natürlich nicht, sondern bleiben unverändert in jener Höhe bestehen, die sie beim Erlöschen der Pflichtversicherung aufwiesen. 2. Abschaffung der Ruhens-bestimmung des 91 ASVG, wonach beim Zusammentreffen von Rentenansprüchen aus der Pensionsversicherung der dem Betrag nach niedrigere Anspruch zur Hälfte ruht.

Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, dann werden die Ehefrauen in ihrer Gesamtheit zu eigenen Renten kommen; dann wird es tatsächlich in unserer Pensionsversicherung auch „Hausfrauenrenten“ geben. Wir wollen hoffen, daß unsere Anregung auf günstigen Boden fallen und von den zuständigen Stellen aufgegriffen wird.

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