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Frohe Botschaft für die Heimatvertriebenen

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Das am 11. Juli 1953 in Salzburg unterzeichnete 2. Sozialversicherungsabkommen mit Westdeutschland wurde am 26. November 1953 vom österreichischen Nationalrat und am 14. Juli 1954 vom westdeutschen Bundestag genehmigt. In diesen Tagen dürfte nunmehr der im Artikel 22 des Abkommens vorgesehene Austausch der Ratifikationsurkunden in Bonn vorgenommen werden. Mit der Veröffentlichung im österreichischen Bundesgesetzblatt tritt das Abkommen sodann rückwirkend mit 1. Jänner 1953 in Wirksamkeit.

Auf wen bezieht sich nun dieses Abkommen? Auf österreichische Staatsbürger, deutsche Staatsangehörige und Volksdeutsche, das sind Staatenlose deutscher Sprachzugehörigkeit, die am 11. Juli 1953, dem Unterzeichnungstage des Abkommens, ihren dauernden Wohnsitz auf dem Gebiet der Republik Oesterreich gehabt haben. Damit dürften schätzungsweise rund 150.000 Heimatvertriebene unter das Abkommen fallen, soweit sie aus nachstehenden Gebieten gekommen sind: aus dem Territorium des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 (daher auch aus Ostdeutschland!), Danzig, der Tschechoslowakei, Ungarn, Polen, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Estland, Lettland und Litauen.

Das Abkommen umfaßt jene Leistungen aus der öffentlichen (sozialen) Unfall- und Rentenversicherung, die von den im vorigen Absatz angegebenen Personen in den dort angeführten Territorien (Heimatstaaten) vor dem 1. Mai 1945 bereits erworben wurden oder auf welche sie — da der Versicherungsfall (Alter, Invalidität, Berufsunfähigkeit, Tod) noch nicht eingetreten war — Anwartschaften besaßen. Unter Rentenversicherung versteht man die Angestellten- (Pensions-), Invaliden- (Arbeiter-) und Bergarbeiterversichc- rung. Man kann damit rechnen, daß mit dem

Inkrafttreten des Abkommens sofort etwa 30.000 in Oesterreich ansässigen Heimatvertriebenen Ansprüche auf Rentenleistungen zustehen werden.

Die durch das Abkommen für den einzelnen entstehenden Ansprüche. sind, je nachdem, um welchen Zweig der Sozialversicherung es sich handelt, innerhalb eines Jahres nach der Kundmachung im Bundesgesetzblatt bei dem zuständigen österreichischen Versicherungsträger zu stellen, also entweder bei der Allgemeinen Invalidenversicherungsanstalt, der Angestelltenversicherungsanstalt, der Land- und Forstwirtschaftlichen Sozialversicherungsanstalt, der Bergarbeiterversicherungsanstalt in Graz, der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen oder der Unfallversicherungsanstalt. Besteht aber noch kein Leistungsanspruch, dson muß innerhalb der gleichen Frist ebendort die Vormerkung der Anwartschaft beantragt werden. Ueber die Anträge wird der Versicherungsträger einen Bescheid erlassen, der, sofern man sich durch ihn beschwert erachtet, vor den Schiedsgerichten für Sozialversicherung angefochten werden kann.

Dem Antrag auf Zuerkennung einer Leistung oder auf Vormerkung der Anwartschaft sind nachstehende Beilagen anzuschließen: 1. Personaldokumente (Geburtsschein, Trauschein, Staatsangehörigkeitsausweis oder eine Bestätigung über die Anerkennung als Volksdeutscher); 2. Eine polizeiliche Bestätigung über den dauernden Wohnsitz in Oesterreich am 11. Juli 1953; 3. Wenn vorhanden, der Rentenbescheid des ausländischen Versicherungsträgers, soweit im Heimatland bereits eine Rente bezogen wurde; 4. Ein allfällig vorhandener Feststellungsbescheid, der den Versicherungsverlauf anführt, und schließlich 5. Nachweise über im Heimatland bestandene Dienst-, Arbeits- oder Lehrverhältnisse. Ansuchen und Beilagen sind stcmpelfrei. Bei der Beurteilung der gestellten Ansprüche wird ausschließlich nach österreichischem Recht vorgegangen, d. h. es sind zunächst die allgemeinen Voraussetzungen für einen Leistungsfall nach dem 1. Sozialversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 3. April 1952 zu überprüfen (Erfüllung der Wartezeit, Halbdeckung im Anrechnungszeitraum, Dritteldeckung in den drei letzten Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles). Hievon wird jedoch dann Abstand genommen, wenn der Antragsteller vor dem 1. Mai 1945 in seinem Heimatland bereits eine Rente bezogen hat und sich an den seinerzeitigen

Voraussetzungen für den Bezug inzwischen nichts geändert hat; d. h. Invalidität oder Berufsunfähigkeit seither ununterbrochen andauern. Ansonsten vermag man bis 31. Dezember 1954 größere Lücken im Versicherungsverlauf für die Vergangenheit durch Nachentrichtung von Versicherungsbeiträgen gemäß § 31 des oben erwähnten 1. Sozialversicherungs-Neuregelungsgesetzes zu schließen. Hierbei sind in der Invalidenversicherung 7 Schilling pro Woche, in der Angestclitenversicherung 30 Schilling pro Monat zu entrichten.

Wie wird nun die Rente errechnet? In der Invaliden- und Angestelltenversicherung setzt sich die Rentenleistung aus dem Grundbetrag (117.66 Schilling monatlich), aus den Steigerungsbeträgen, den Anpassungszuschlägen (218 Prozent der Grundleistung), der Zusatzrente, einem allfälligen Kinderzuschuß (bisher 31.80 Schilling monatlich), der Wohnungsbeihilfe (30 Schilling) und bisher auch aus einer Ernährungszulage von 239 Schilling monatlich zusammen. Das neue Rentenreformgesetz schafft hier insofern eine Aenderung, als die nach dem Obigen errechnete Rente nunmehr nach Abzug der Ernährungszulage, der Wohnungsbeihilfe und allfälliger Kinderzuschüsse noch mit 1.89 multipliziert wird und sodann Wohnungsbeihilfe und Kinderzuschüsse wiederum zugeschlagen werden. Was die Steigerungsbeträge für die im Heimatlande erworbenen Beitragswochen und Monate anbelangt, so wird, gleichgültig, ob der Versicherte seinerzeit daheim niedrige oder hohe Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt hat, lediglich ein durchschnittlicher Steigerungsbetrag gewährt, der beispielsweise in der Angestelltenversicherung bei Männern 2.70 Schilling, bei Frauen 1.90 Schiling pro Monat beträgt.

Die so errechneten Renten erreichen den Durchschnitt der österreichischen Durchschnittsrenten. Ihre Bezieher sind vom An- fällstage an automatisch krankenversichert.

Den österreichischen Versicherungsträgern entstehen durch die Auszahlung der Heimat- vertriebenenrenten lediglich Verwaltungskosten, da ihnen die ganze finanzielle Neubelastung vom Bund erstattet wird; Westdeutschland wieder ersetzt der Republik Oesterreich einen Teil des Aufwandes, allerdings nur, wenn es sich um Personen handelt, die nicht schon inzwischen die österreichische Staatsbürgerschaft erworben haben.

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