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Altersversorgung der Volksdeutschen?

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Die österreichisdie Regierung hat in letzter Zeit wiederholt ihrer Bereitwilligkeit Ausdruck gegeben, in gemeinsamer Arbeit mit dem in Wien zusammengetretenen Volksdeutschen- oder Heimatlosenbeirat, der sich vor kurzem konstituiert hat und nach dem Parteien-sdilüssel beschickt wurde, durch Gewährung eines Statuts für die Heimatvertriebenen endlich das Schicksal von 320.000 in Österreich lebenden Menschen einer günstigen Entwicklung zuzuführen. Von dieser Gesamtzahl sind genau die Hälfte, also 160.000 Personen, in den Arbeitsprozeß eingeschaltet, und was sie leisten, geht besonders daraus hervor, daß sie in den Jahren 1945 bis 1949 mehr als eineinhalb Milliarden Schilling allein an die öffentliche Hand abgeführt haben und die Gablonzer Betriebe durch Exportaufträge monatlich zweieinhalb Millionen Schilling in Devisen einbringen. Zu beachten ist hiebei, daß die Volksdeutschen Arbeitnehmer in Oberösterreich, wo ihnen der dortige Landeshauptmann mit besonderem Verständnis entgegenkommt, mehr als zehn Prozent aller dort in den Arbeitsprozeß eingeschalteten Personen ausmachen.

Unter den restlichen, nicht als Arbeitnehmer tätigen Personen befinden sich nun nidit nur die Familienangehörigen der Volksdeutsdien, sondern auch eine erhebliche Anzahl arbeitsunfähiger, alter und invalider Personen, die vollkommen mittellos auf die mehr als kärglichen, gnadenweise von den Aufenthaltsgemeinden zur Auszahlung gebrachten Unterstützungen angewiesen sind.

Im Rahmen des zu erlassenden Statuts wird nun die Regelung der Altersversorgung jener Unglücklichen einen vordringlichen Raum einnehmen müssen.

Der Unterschied zwischen Österreich und Deutschland liegt hier auf der Hand. Deutschland mußte durch das Potsdamer Abkommen Verpflichtungen übernehmen, Österreich handelt — wenn wir vom Inhalt des leider noch immer ausständigen Staatsvertrages absehen — lediglich einem Gebot der Menschlichkeit folgend. Deutschland gewährt den Volksdeutschen Staatsbeamten, soweit sie nicht in den aktiven Dienst übernommen wurden, Pensionen beziehungsweise Vorschüsse auf solche, den ehemaligen Privatangestellten und Arbeitern aber Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenrenten aus der Angestellten- und Invalidenversicherung und Unterstützungen für die arbeitsunfähig gewordenen, früher selbständig erwerbstätigen Personen. Darüber hinaus soll das in den nächsten Monaten in Kraft tretende Gesetz über den Lastenausgleich den Heimatvertriebenen, die Realbesitz in der Heimat zurückließen, abt gestuft nach der sozialen Bedürftigke, 20 bis 50 Prozent ihres Vermögens rückerstatten. Das sind ungeheure Anstrengungen, die den Zweck haben, die allmählich dem Radikalismus zuneigenden Heimatvertriebenen, die heute sdion rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung Westdeutschlands ausmachen, wenigstens einigermaßen mit ihrem harten Los auszusöhnen.

Österreich kann derartige Mittel niemals aufbringen, trotz der finanziellen Unterstützung des Auslandes, die ihm 'dank der Reichenberger-Aktion für diese Zwecke zur Verfügung gestellt werden soll. Und doch wird zunächst zu untersuchen sein, welche diesbezüglichen Möglichkeiten auch ohne fremde Hilfe hier auf dem Gebiet der Sozialversicherung gegeben erscheinen.

Vor dem 13. März 1938 beziehungsweise dem Mai 1945 bestanden zwischen Österreich einerseits und Jugoslawien und der tschechoslowakischen Republik andererseits Gegenseitigkeitsabkoramen, die den beiderseitigen Versicherlen gleiche Rechte und Teilrenten garantierten, sobald sie bald auf dem Gebiete des einen oder anderen vertragschließenden Staates tätig gewesen waren. Von der Erwartung ausgehend, daß diese Verträge auch nach dem Mai 1945 Geltung haben würden, zahlte die Angestelltenversicherungsanstalt in Wien den nunmehr in Österreich lebenden früheren tschechoslowakischen Rentenbeziehern vorschußweise Renten bis 400 Schilling aus, allerdings nur dann, wenn sie die Österreichische Staatsbürgerschaft inzwischen erwerben konnten. Da sie aber bald konstatieren mußte, daß weder die Allgemeine Pensions-anstatt in Prag noch die jugoslawischen Versicherungsträger eine Erneuerung jener Gegenseitigkeitsverträge anstrebte, verhielt sie sich bei neueingetretenen Versicherungsfällen in Hinkunft ablehnend, wobei dem Rentenwerber entgegengehalten wurde, daß keine Möglichkeit zur Uberweisung einer Prämienreserve aus seinem Heimatstaat bestehe. Die gleiche Situation mußte sich auch naturgemäß für jene Personen ergeben, die ihre Ansprüche hei dem Träger der österreichischen Arbeiterversicherung, der Allgemeinen Invalidenversicherungsanstalt, geltend machen wollten.

Und doch ist diese Argumentation der österreichischen Versicherungsträger gegenüber den Volksdeutschen Rentenwerbern nur teilweise richtig und mit einigem guten Willen und Verzicht auf theoretische Konstruktionen läßt ich hier auch ein anderer Standpunkt einnehmen, von dem man nur wünschen muß, daß er in das Statut Eingang fände und es so den Sozialversicherungsanstalten ermöglichen würde, auch solchen Heimatvertriebenen, die in Österreich selbst eine Beitragszeit nicht erwoFben haben, Renten zuzuerkennen. •'

Als 1938 Österreich dem Zugriff des Nationalsozialismus unterlag, da bestand eine seiner ersten Taten in der Abfuhr des Vermögens der österreichischen Rentenversicherungsträger nach Berlin und niemals ist seither von dort auch nur ein Groschen zurückgekommen. Wenn man von einigen Immobilien absieht, standen die österreichischen Sozialversicherungsträger im Mai 1945 vollkommen vermögenslos da und mußten von neuem darangehen, ein Dek-kungskapital für den Rentendienst zu thesaurieren. Und seither ist es im Wesen so, daß aus den von den Versicherten beziehungsweise deren Dienstoder Arbeitgebern abgeführten Versicherungbeiträgen die Renten der alt und berufsunfähig gewordenen Arbeitskameraden gezahlt werden. Und hiezu werden auch die Beiträge der 160.000 versicherten Volksdeutschen Arbeitnehmer verwendet, die nun mit Fug und Recht verlangen können, daß die von ihnen abgeführten Prämien in erster Linie zur Rentenauszahlung an ihre in der Heimat rentenversichert gewesenen, nunmehr aber berufsunfähigen Landsleute verwendet werden. Daß ist nur eine Forderung der Billigkeit, und es wird wohl keinen Österreicher geben, der darin eine Schmälerung des eigenen, karg gewordenen Brotes erblicken könnte.

Was allerdings die Volksdeutschen Staatspensionisten und die arbeitsunfähig gewordenen, früher selbständig erwerbstätigen Personen anbelangt, so wird dieses Problem ausschließlich nur mit fremder finanzieller Hilf gelöst werden können; Österreich allein ist zu schwach dazu.

Der vorstehende Vorschlag wird mit Recht als billig bezeichnet; er hat die Gerechtigkeit füi sich, wenn er sagt, aus den Versicherungsbeiträgen der Heimatvertriebenen sei der Aufwand für die Rentenlast ihrer heimatvertriebenen in Österreich verbliebenen Landsleute zu decken.

Nach den bisherigen Erfahrungen der beiden Hauptzweige der Rentenversicherung, das ist Angestelltenversicherung und Invalidenversicherung, reichen allerdings die Beiträge in absehbarer Zeit nicht mehr aus, den Aufwand zu decken. Da die bisherige aktive Gebarung dei beiden Hauptrentenversicherungsträger auf den Beitrag des Bundes zurfickzu-führen ist, der 25 Prozent des Renten-Aufwandes trägt, so müßte der Bundesbeitrag natürlich auch für die neu hinzukommende Rentenlast zu zahlen sein. Die Lösung des Problems erfordert zunächst eine genaue Ermittlung der in Retracht kommenden Rentenlast. Man darf wohl erwarten, daß man im Finanzministerium entsprechend der Gerechtigkeit und Dringlichkeit der Aufgabe vorgehen wird.

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