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Randoemerkungen ZUR WOCHE

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Neben den staatenlosen Volksdeutschen gibt es in Österreich auch aus der C SR und den anderen Volksdemokratien vertriebene österreichische Staatsbürger, die in diesen Staaten jahrelang ihren Arbeitsplatz hatten, aber österreichische Staatsbürger blieben. Sie teilten das Los der Volksdeutschen in den genannten Ländern, das heißt sie wurden dort ihres Eigentums beraubt, und werden von der österreichischen Heimat fast mit derselben sozialen Ungerechtigkeit bei der Gründung einer neuen Existenz, beziehungsweise bei Durchsetzung ihrer Rentenansprüche an ausländische Sozialversicherungsanstalten behandelt.

Zwar sollen nach dem Gesetz an österreichische Staatsbürger, soferne sie zum Beispiel Rentenansprüche an die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin- Wilmersdorf haben, diese bis zum Höchstbetrag von 400 S pro Monat bevorschußt werden, aber die in D M zu beziehenden Renten werden in S chilling nach Verrechnung 1:1 ausbezahlt, obwohl nach einer Verordnung des Finanzministeriums vom Februar 1949 die DM mit 3 S bewertet wird, wenn der Staat Umsatzsteuer berechnet. Wenn der Staat aber die später zu verrechnenden DM-Beträge als Renten bevorschußt, so bewertet er sie nur mit einem Drittel! Wohl muß der Rentner nach Herstellung des Zahlungsverkehrs mit Westdeutschland (Wilmersdorf liegt in der Westzone) die Beträge nachbezahlt bekommen, aber er hat davon wenig, wenn er inzwischen am Notwendigsten darbt und diese Auszahlung schließlich nicht erlebt. So erhält zum Beispiel nach 37 jähriger Pensionsversicherung ein höherer Angestellter eine Altersrente von 190 DM pro Monat. Das ist nicht viel, immerhin wären es 3 X 190 570 S, wenn der Staat vön der sozialen Ungerechtigkeit, die er bisher übte, abgehen und - d en von ihm sonst geübten Mark -Schilling-Kurs beachten würde. Dabei würde er keinerlei Opfer auf sich zu nehmen haben. Es wäre hohe Zeit, die besonders unglücklich betroffenen Altersrentner von diesen sozialen Härten zu befreien.

Das Finanzministerium hat nunmehr mit unzweideutiger nächster Bezugnahme auf den Fall Hörbiger, der seit drei Wochen, die Öffentlichkeit beschäftigt, Stellung genommen. Die gleichartige Darstellung des Sachverhalts in verschiedenen Presseerzeugnissen weise Unrichtigkeiten auf und lasse die Vermutung begründet erscheinen, sie. habe „weniger die Klarstellung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Einzelfalle als die Beeinflussung der Öffentlichkeit gegen die Behörden zum Ziele“ gehabt. Würde man nach dem vorliegenden Aktenmaterial „die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die Art der Erfüllung steuerlicher Verpflichtungen“ veröffentlichen, so würde eine , solche, Darstellung zweifellos „dem größten Interesse der Allgemeinheit begegnen, allerdings hätte eine solche Erörterung wahrscheinlich für die Betroffenen eine ihnen in mancher Hinsicht unerwünschte Reaktion der öffentlichen Meinung zur Folge, vor der auch Popularität oder die Ankündigung einer beabsichtigten Wohnsitzverlegung nicht schützen würde“. Bisher . habe die Finanzverwaltung das Steuergeheimnis gewahrt, würde jedoch in Wiederholungsfällen sich „zum Schutze öffentlicher Interessen genötigt sehen, den wahren Sachverhalt der Öffentlichkeit bekanntzugeben".

, Dazu muß einiges gesagt werden: Es kann angenommen werden, daß manche der zahlreichen bitteren Beschwerden, die sich heute gegen den Fiskalismus der Steuerbehörden richten, letztere zu Unrecht treffen. Die Steuergesetze enthalten, wie unbestritten ist, Härten, welche nur durch die Gesetzgebung behoben werden können; überdies ist das Steuerrecht heute ein Dschungel geworden, in das der Laie nur an der Hand eines fachkundigen Führers eindringen kann. Sicher ist unter diesen Umständen auch die Amtsführung der Steuerbehörden erschwert. Aber beruhen wirklich alle Klagen über die jetzigen fiskalischen Methoden und Einzelentscheidungen auf Irrtümern oder Falschmeldungen der Beschwerdeführer? Der Fall, auf den die Äußerung des Finanzministeriums zunächst abzielt, hätte nicht dermaßen die Öffentlichkeit beansprucht, wenn er nicht von einer Serie von Parallelfällen begleitet wäre, deren Tatsächlichkeit leider nichts zu wünschen übrig läßt. Aber sehen wir davon ab. Halten wir es für gegeben, daß das ganze Recht in diesem Falle nicht auf Seiten eines großen österreichischen Künstlers, sondern restlos auf selten der Finanzbehörde sei — es vermag wenig Gefallen zu erwecken und ist abträglich der Autorität einer obersten staatlichen Verwaltungsstelle, wenn sie zuerst auf Beschwerden drei Wochen die

Öffentlichkeit auf die notwendige amtliche Stellungnahme warten läßt, dann der Kritik der Presse dadurch begegnet, daß sie ihr bösartige Motive insinuiert, weiterhin einen Mann, der zweifellos zu den repräsentativen Gestalten der heutigen österreichischen Kunstwelt zählt, persönlich herabzusetzen trachtet und schließlich noch durch die Drohung, das Steuergeheimnis zu lüften, einen nicht moralischen Druck ausübt.

Man käme mit der Arbeit nicht nach, wollte man jede Geschmacksentgleisung, die den „Kulturbetrieb“ der Großstadt stört, getreulich verzeichnen. Aber von Zeit zu Zeit muß man summarisch doch auf sie hinweisen, schon um den Verantwortlichen zu zeigen, daß nicht alles widerspruchslos hingenommen wird: da ist der Unfug, in Kunstausstellungen Modevorführungen abzuhalten, die Geschmacklosigkeit, im Kino zum Reklamebild einer Unterwäschefirma Schuberts „Unvollendete“ zu spielen oder in der Wochenschau die .Nilpferdhochzeit im Schönbrunner Tiergarten mit Klängen aus „Lohengrin“ zu untermalen, der Unfug, in den Schaufenstern der Mariahilfer Straße Motive aus den Bildern großer Meister zu Arrangementzwecken für Hüte und Krawatten zu verwenden — ohne Humor und parodistischen Witz nämlich zu verwenden. Und dergleichen mehr ad infinitum, Nichts, worüber man sich im Einzelfall aufzuregen brauchte. Aber unerträg-' lieh, wenn sich in Menge, so wie jetzt, unvereinbare Begriffe und Werte mit fader Blasiertheit mischen.

In dem. Streit um Sinn und Irrweg der deutschen Geschichte hat nun auch der 80jährige Nestor der deutschen Geschichtswissenschaft, Prof. Friedrich Meinecke, der Rektor der „Freien Universität“ in Berlin, das Wort ergriffen. Er hat die Deutschen daran erinnert, daß es neben einer sozusagen horizontalen Geschichtsbetrachtung, welche die verschiedenen Epochen und, Erscheinungen im Hinblick auf den weiteren Geschichtsverlauf beurteilt, die nach Nutzen und Schaden, .nach „Fehlentwicklung“ und „Irrweg“ fragt, auch noch, eine andere gibt, jene vertikale, auf die Ranke mit dem Wort von „Unmittelbarkeit jeder Epoche zu Gott“ hingewiesen hat. — Zur selben Zeit wird bekannt, dají ein leitender Beamter im U n- terrięhtsministerium von Sachsen-Anhalt in der Sowjetzone ein umfassendes Programm für die Schule ausgearbeitet hat, in dem es im Geschichtsunterricht für Kinder in den sächsisch- anhaltischen Schulen untersagt wird, das Heldentum deutscher Soldaten zu preisen, da diese an „Raubkriegen“ teilgenommen haben; russische Soldaten seien jedoch als „Helden“ zu feiern. — Um dieses Erziehungsprogramm auf den Kopf zu stellen, wird in diesem auch die Existenz der menschlichen Willensfreiheit mit dem Satz bestritten: „Der Mensch ist nicht frei, er ist seinen Bedürfnissen und seinem Milieu unterwürfe n.“ Der Verfasser, sehr konsequent in der Anwendung der materialistischen Lehre des Leninismus, hat dabei nur die Kleinigkeit übersehen, daß er damit auch das Heldentum russischer Soldaten leugnet. Denn willenlose Puppen des „Milieus“ und der „Bedürfnisse“ können keine Helden sein ... Zwei Stimmen aus demselben Volk, zur selben Zeit, zum Verständnis seiner Geschichte! Man könnte allein aus der Gegenüberstellung dieser beiden Stimmen die ganze Tragödie eines Volkes in der Mitte Europas ablesen.

Der britische Schatzkanzler, Sir St a f- ford Cripps, hat trotz der wahrlich nicht leichten Aufgaben, die es für ihn in diesen Tagen zu bewältigen gibt, doch Zeit gefunden, in einer anglikanischen Laienversammlung über das Thema des großen Entscheidungskampfes unserer Zeit, über „Christentum und Kommunismus" zu sprechen, Er hat dabei mit aller ihn stets auszeichnenden Klarheit ausgesprochen, daß es für die heutige Generation und besonders für die Jugend Europas nur eine Wahl gebe: zwischen dem leidenschaftlichen Materialismus der kommunistischen Ideologie, der bereits Millionen der Vernichtung entgegengeführt habe, oder der christlichen Religion. Wäre aber der innere Wert der beiden Lehren gleich, so hätte der Kommunismus das Christentum schon längst ausgelöscht. — Das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Österreichs sah sich durch diese Rede des sozialistischen Schätzt kanzlers zu einem wütenden Angriff angestachelt. Zornig heißt es ihn einen „zweiten Lombardi“. Jetzt ist es sicher aus mit Stafford Cripps!

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