6600349-1953_34_04.jpg
Digital In Arbeit

Jugend-Kriminalität und Ethos der Presse

Werbung
Werbung
Werbung

Von Dr. Gustav Camillo Chamrath, Rat des Verwaltungsgerichtshofes

Die Oeffentlichkeit hat in den letzten Monaten mit berechtigter Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß der Reinigung von „Schmutz und Schund“ einiger Erfolg beschieden war. Die Bevölkerung und die Jugend selbst haben dabei tatkräftig mitgewirkt. Ein Teilausschnitt aus dem Kreise der Gefahrenquellen für die heranwachsende Jugend ist damit eingeengt worden. Eine andere aber bleibt bestehen, die bisher leider nur verhältnismäßig selten beachtete Gefahr der Beeinflussung der Jugend durch eine leider häufige Einstellung der periodischen Presse in der Behandlung des Verbrechens und des Verbrechertums. Wer aufmerksam das Verhalten eines Teiles der Tages- und Wochenblätter zur Kriminalität und zum Verbrecher verfolgt, kommt zu sehr ernsten Feststellungen. Die Polizei- und Gerichtssaalberichte nicht weniger Blätter werden immer häufiger zur Verherrlichung des Verbrechertums.

Ich habe seit Jahren Beobachtungen angestellt und einschlägige Zeitungsausschnitte gesammelt. Alle Zeitungsausschnitte habe ich im Original noch heute im Besitz und kann jederzeit sowohl den Namen des Blattes wie auch das Datum der Veröffentlichung nachweisen. Es gibt kaum ein Verbrechen, das in der Tagespresse nicht irgendeinen auszeichnenden Zusatz bekommt, der auf die Beschönigung der Tat hinausläuft. Mörder, Räuber, Gewalttäter werden mit schmük-kenden Beiwörtern versehen. Man tut ein übriges, man bringt in .illustrierten Zeitungen mit Vorliebe Bilder der Prominenten der Kriminalität. Mir ist ein Fall gegenwärtig, daß da in ein und derselben Ausgabe eines Wiener Blattes die Ehrung eines österreichischen Gelehrten und Forschers vermerkt wurde, der eine Ehrenbürgerurkunde anläßlich seines 80. Geburtstages erhielt und etwas ironisch in seinen Dankesworten bemerkte, daß es die erste Ehrung sei, die ihm im Gegensatz zum Auslande in Oesterreich zuteil geworden sei. Ein Bild dieses spät und schlicht Ausgezeichneten wurde gebracht. In derselben Ausgabe wurde aber das ganz große Porträt eines langgesuchten und nun endlich verhafteten Raubmörders wiedergegeben, nicht etwa zur Ausforschung des Verbrechers, denn dieser saß schon hinter Schloß und Riegel.

Dem Mangel an Kaisern, Königen und Fürsten in unserer, gekrönten Häuptern abholden Zeit, wird bei uns von Zeitungen dadurch abgeholfen, daß sie taxfrei ihre „Könige“ aus den Kreisen der Unterwelt und des Verbrechertums ernennen. Was kann man denn da nicht alles lesen! Vom „König des Wiener Nachtlebens“ (Pressenotiz Wien, 5. August 1948), vom „König der Autodiebe“ (3. April 1949), vom „Einbrecherkönig“ (24. August 1948). Ja jeder Bezirk hat schon seinen König. Da gibt es beispielsweise einen „Hernalser Unterweltkönig“ (11. Februar 1950). Etwas demokratischer ist ein Nachmittagsblatt, das nur vom „Chef der amerikanischen Unterwelt“ spricht (9. April 1952). Wir lesen noch vom „König der Landstreicher“ (Wien, 24. April 1952), vom „König der Hühnerdiebe“ (21. Juni 1952), vom „Steirischen Einbrecherkönig“ (9. August 1952), vom „Wildererkönig von Tirol“ (Salz-bufg, 25. Juli 1952) und vom „Gangsterkönig“ (Wien, 6. August 1952).

Auch sonst wird dem Verbrecher, besonders wenn er eigene Tricks ersonnen hat, die Anerkennung der Tagespresse nicht versagt. Am 1'4. Oktober 1947 sprach ein Wiener Blatt vom „feschen Franzi“, der alle Sprachen spricht und sich als „Kriminai-genie“ erwiesen habe. Ein anderer zu lebenslänglichem Kerker Verurteilter, der wiederholt aus der Strafanstalt geflüchtet war, wurde ein „Ausbruchsstratege“ (Wien, 25. Februar 1950). Es gibt in rauhen Mengen, anspielend an einen bekannten Kriminalroman, „perfekte Mörder“, dann „Staatsfeinde Nr. 1“, „Mörder ohne Reue“ (7. Februar 1941), einen „Jack, den Töter“ (30. November 1949), den „Othello von Hernais“ (16. Jänner 1948), einen „Meistertaschendieb von internationalem Ruf“ (Salzburg, 2. April 1952), einen „Tangojüngling“ (23. April 1952), eine „Carmen von Ottakring“ (Wjen, 1. April 1952), den „Blutigen Heini“ und die „Tochter der Nacht“ (Wien, 31. Mai 1952). Man spricht vom „besten Geldschränkcr Großbritanniens“ (Salzburg, 13. August 1952), vom' „Gentlemanräuber“ (28. Juli 1952), von der „Gentleman-Gang“ (Salzburg, 24. Juli 1952), vom „Würger von Ferlach“ (Wien, 5. August 1952), vom „Prominenten der Unterwelt“ (Wien, 5. Jänner 1949). Wir lesen von einem „Gentlemanwilderer“ (20. August 1952) und von der „Sensationellen Ankunft des USA-Gangsterkönigs in Salzburg“ (10. Oktober 1952). Eine jugend-

liche Einschleichdiebin ist nicht eine Verbrecherin schlechthin, sondern der Bericht über ihre Verhandlung wird überschrieben „Mafalda, die diebische Elster“ (Salzburg, 30. Oktober 1952), an den Titel einer bekannten Oper Rossinis anspielend. Verbrecher sind natürlich nicht unehrliche Leute. Es gibt einen eigenen „Ehrenkodex“ und auch unsere Presse anerkennt dies ausdrücklich (Wien, 10. Jänner 1952). Damit mag auch in Zusammenhang stehen, daß eine Wochenzeitung, als der süditalienische Bandit Giuliano, der 113 Morde auf dem Gewissen hatte und im Sommer 1950 von der Polizei endlich im Kampf erschossen wurde, versicherte, man müßte ihm gönnen, dal? er im Kampf erschossen und nicht hingerichtet wurde. Auf dieselbe Linie gehört es, wenn dieser sizilianische Bandenführer, noch bevor er beerdigt war, als Hauptfigur eines filrxis schon angekündigt wurde und man schon den Darsteller der Hauptrolle bekanntgab. Die Zeitungen sind voll von Porträts der scheinbar so populären Verbrecher. Ein illustriertes Blatt (4. März 1953) bringt das Photo eines Mörders, das ihn nach Schluß der Schwurgerichtsverhandlung, und zwar in einer einzigartigen Pose zeigt: Er hält den vom Gerichtsmediziner präparierten Totenschädel seines Opfers in der Hand und verzieht den Mund zu einem breiten Grinsen...

Ein Jugendlicher stiehlt ein Auto; er

empfängt die Charakteristik „Autodieb aus Leidensehaft“ und eine ansehnliche Protektion. Man setzte sich dafür ein, daß der Bursche nicht vor Gericht gestellt werde, man verschaffte ihm unverzüglich eine Automechanikerstelle, nach der er sich angeblich gesehnt hatte, man bewarb sich beim Bundespräsidenten um Niederschlagung des gerichtlichen Verfahrens wegen des Diebstahldeliktes und erreichte diese auch. Viele Tausende von Jugendlichen, die eine Lehrstelle in einem bestimmten Lieblingsberufe nicht bekommen können, finden keine Protektoren, die sich ihrer annehmen, aber wenn einer ein Verbrechen begangen hat, ei, ja, das ist ein anderer Fall. Wenn man derartiges in aller Stille getan hätte, wäre dies menschlich verständlich und sympathisch. Aber man entfachte eine Pressekampagne, und der von jedem Pädagogen vorauszusehende Erfolg blieb nicht aus. Der Bursche beging kurz darauf neuerlich einen Autodiebstahl und gleich darauf andere Verbrechen, nämlich einen Kameradschaftsdiebstahl und einen Diebstahl im Werte von über 4000 S. Nun kam der junge Mann dennoch vor Gericht und anschließend ins Arbeitshaus. Von dort brannte er durch... Ein ansehau-lichese Bild von der Wirkung sensationellsentimental aufgemachter Presseberichte. Aber der nun einmal geprägte Ausdruck „Autodieb aus Leidenschaft“ wandert weiter durch Presseberichte.

Aehnlich war es im Mordfall Adrienne Eckhart. Auch hier bekam die Täterin selbstverständlich gleich ein schmückendes Beiwort von der Tagespresse verliehen. Sie war die „Bardame in der Pelzjacke“. Ihr Bild ging durch alle Zeitungen und Zeitschriften. Die Schwurgerichtsverhandlung ließ zweifeln, ob es sich um einen Kriminalprozeß oder um eine Theateraufführung handelte. Photoreporter aus aller Herren Ländern, Jupiterlampen im großen Schwurgerichtssaal zur Filmaufnahme für Kino und Wochenschau. Besonders widerwärtig waren die Begleitumstände. Seitens des Gerichtes wurde dieser Unfug geduldet.

AJs in der Erziehungsanstalt für Jugendliche in Kaiser-Ebersdoxf eine Revolte ausbricht, in solchem Milieu auch bei geordneter Pflege und Wartung erfahrungsgemäß nichts Seltenes, werden nicht die Meuterer, sondern lediglich die Erzieher und Wärter gerügt. Die unpädagogische Einstellung der Presseöffentlichkeit findet sofort das zu erwartende Echo. In einer anderen Erziehungsanstalt gleicher Art, diesmal in einer Anstalt für schwer erziehbare kriminelle Mädchen, kam es kurz darauf zu einer ähnlichen Revolte. Ich bin Jahre hindurch in Wien als Jugendrichter tätig gewesen und habe es hundertmal erfahren, wie empfänglich namentlich junge Menschen, die kriminelle Neigungen haben, für Hervorhebung ihrer Taten in der Presse sind. Man vergesse nie, daß persönliche Eitelkeit und Geltungs-

bedürfnis in der Seele vieler Menschen wohnen. Oft haben Menschen, denen es an anderen Begabungen fehlt, den alten Wunschtraum, wenigstens auf dem Wege der Kriminalität in aller Leute Mund zu kommen. Und diesen Wünschen kommt die Bedenkenlosigkeit in manchen Quartieren unseres Zeitungswesens in der Einstellung zum Verbrechertum entgegen.

Ich glaube, daß es nun Zeit wäre, Umkehr zu halten und in der Presse sich

des Ethos des journalistischen Berufes und seiner hohen sittlichen Verantwortung bewußt zu werden. Nicht der Verbrecher ist es, der den besonderen Schutz der Presse verdient, sondern der anständige und das Gesetz achtende Teil der Bevölkerung ist es, der des Schutzes vor dem Verbrechertum bedarf und der Anspruch darauf hat, vor den Uebergriffen der Verbrecher seitens des Staates und seiner Behörden bewahrt zu werden.

bedürfnis in der Seele vieler Menschen wohnen. Oft haben Menschen, denen es an anderen Begabungen fehlt, den alten Wunschtraum, wenigstens auf dem Wege der Kriminalität in aller Leute Mund zu kommen. Und diesen Wünschen kommt die Bedenkenlosigkeit in manchen Quartieren unseres Zeitungswesens in der Einstellung zum Verbrechertum entgegen.

Ich glaube, daß es nun Zeit wäre, Umkehr zu halten und in der Presse sich

des Ethos des journalistischen Berufes und seiner hohen sittlichen Verantwortung bewußt zu werden. Nicht der Verbrecher ist es, der den besonderen Schutz der Presse verdient, sondern der anständige und das Gesetz achtende Teil der Bevölkerung ist es, der des Schutzes vor dem Verbrechertum bedarf und der Anspruch darauf hat, vor den Uebergriffen der Verbrecher seitens des Staates und seiner Behörden bewahrt zu werden.

bedürfnis in der Seele vieler Menschen wohnen. Oft haben Menschen, denen es an anderen Begabungen fehlt, den alten Wunschtraum, wenigstens auf dem Wege der Kriminalität in aller Leute Mund zu kommen. Und diesen Wünschen kommt die Bedenkenlosigkeit in manchen Quartieren unseres Zeitungswesens in der Einstellung zum Verbrechertum entgegen.

Ich glaube, daß es nun Zeit wäre, Umkehr zu halten und in der Presse sich

des Ethos des journalistischen Berufes und seiner hohen sittlichen Verantwortung bewußt zu werden. Nicht der Verbrecher ist es, der den besonderen Schutz der Presse verdient, sondern der anständige und das Gesetz achtende Teil der Bevölkerung ist es, der des Schutzes vor dem Verbrechertum bedarf und der Anspruch darauf hat, vor den Uebergriffen der Verbrecher seitens des Staates und seiner Behörden bewahrt zu werden.

bedürfnis in der Seele vieler Menschen wohnen. Oft haben Menschen, denen es an anderen Begabungen fehlt, den alten Wunschtraum, wenigstens auf dem Wege der Kriminalität in aller Leute Mund zu kommen. Und diesen Wünschen kommt die Bedenkenlosigkeit in manchen Quartieren unseres Zeitungswesens in der Einstellung zum Verbrechertum entgegen.

Ich glaube, daß es nun Zeit wäre, Umkehr zu halten und in der Presse sich

des Ethos des journalistischen Berufes und seiner hohen sittlichen Verantwortung bewußt zu werden. Nicht der Verbrecher ist es, der den besonderen Schutz der Presse verdient, sondern der anständige und das Gesetz achtende Teil der Bevölkerung ist es, der des Schutzes vor dem Verbrechertum bedarf und der Anspruch darauf hat, vor den Uebergriffen der Verbrecher seitens des Staates und seiner Behörden bewahrt zu werden.

Viere an den Herausgeber der „furche“

Wirksame Hilfe für Adriach

Geehrte Redaktion! Das Bandesdenkmalamt verfolgt mit Aufmerksamkeit die denkmalptlegerische Probleme berührenden Mitteilungen und Anregungen Ihres geschätzten Blattes und ist unter anderem aucli der in Nr. 30 vom 25. Juli veröffentlichten Notiz über die Kirche St. Georg in Adriach bei Frohnleiten in Steiermark nachgegangen. Der in der Sache befragte Landeskonservator berichtet dazu, daß sich die Denkmalpflege des durch seine landschaftliche Lage und seine äußere Erscheinung ausgezeichneten Baudenkmales, welches in seinem jetzigen Bestand im wesentlichen auf das 15. Jahrhundert zurückgeht, bereits im Sommer des Jahres 1950 angenommen hat. Eine eingehende Besichtigung der Kirche, deren Inneres u. a. mit Fresken von Adam von Mölk, mit Hochaltarliguren aus der Hand des steirischen Bildhauers Veit Königer und einer spätgotischen Anna-Selb-dritt-Gruppe ausgestattet ist, hat ergeben, daß die Trambalken des Dachstuhles auf die Gewölbe drücken, so daß sich größere Sprünge am Gewölbescheitel und an den Gewölbe-anläulen bemerkbar machten. Auf hieramtliche Intervention wurde vom Steiermärkischen Lan-desbauamt ein amtliches Baugutachten mit Angabe der notwendigen Sicherungsmaßnahmen ausgearbeitet. Bisher konnten als Subventionierung für die Herstellung des Daches und des Dachstuhles von seiten der Steiermärkischen Landesregierung im Jahre 1951 5000 S und 1952 ebenfalls 5000 S zur Verfügung gestellt werden. Die Gemeinde Rothleiten, in deren Eigentum die Filialkirche steht, beabsichtigt, im laufenden Jahr die Sanierung des Gebäudes in Angriff zu nehmen, für weiche nach einem Offert der Firma Wallner-Leeb-Huber aus dem Jahre 1950 ein Betrag von

annähernd 18.000 S aufgebracht werden muß (der sich bis heute sicherlich vergrößert hat). Der Landeskonservator wird trachten, nach Möglichkeit im Jahresbudget des Jahres 1954 wiederum einen Beitrag für diese Kirche einzusetzen.

Der Präsident des Bundesdenkmalamtes: D e m u s

Österreich im „Porträt Europas“

Sehr verehrter Herr Herausgeber!

Don Salvador de Madariaga ist ein anerkannt hervorragender Denker, aber mit dem österreichischen Anteil an Geschichte und Vorgeschichte des ersten Weltkrieges hat er sich offenbar nicht eingehend genug beschäftigt. Andernfalls würde er in seinem „Porträt Europas“ wohl kaum die Behauptung aufgestellt haben, daß die Auflösung des Habsburgerreiches nicht eine Folge des Krieges 1914 bis 1918 gewesen sei, sondern „tatsächlich eine seiner Ursachen“; oder er hätte sich zumindest bemüht, eine Erklärung dafür zu geben, wieso es möglich war, daß das österreichisch-ungarische Heer, bestehend aus den Söhnen elf verschiedener Völker, mehr als vier Jahre lang einer Welt von Feinden standhielt und unter den schwersten Opfern beispiellose Leistungen von Mut und Ausdauer vollbrachte, um ein Reich zu verteidigen und zu erhalten, das sich ja angeblich schon vor Kriegsausbruch aufgelöst hatte. Ebenso unhaltbar ist des geschätzten Autors Auffassung der Rolle, die der Adel in der Donaumonarchie gespielt hat. Madariaga führt den Zerlall unseres alten Reiches auf zwei Hauptursachen zurück: auf die unheilvolle Verbreitung eines überspitzten Nationalismus una nicht weniger auf „die unnachgiebige Haltung einer kleinen Clique

österreichischer und ungarischer Aristokraten, die die obersten Aemter nicht mit den Tschechen, Kroaten, Slowenen und Polen teilen wollten“. Die Existenz einer solchen Clique gehört in den Bereich der Fabeln. Richtig ist, daß jenseits der Leitha ein Teil des Hochadels mit der chauvinistischen Gentry und dem noch mehr „national-betonten“ Bürgertum gemeinsame Sache machte, nicht freilich um „oberste Aemter“ für sich zu behalten, sondern um eine Verfassungsreform zu verhindern, die der Vorherrschaft der magyarischen Minderheit in den Ländern der Stephanskrorie ein Ende bereitet hätte; aber der Einfluß dieser Aristokraten war keineswegs ein ausschlaggebender Faktor. Noch weniger berechtigt ist der Vorwurf, der im „Porträt Europas“ gegen den österreichischen Adel — Madariaga meint damit wohl den Hochadel deutscher Zunge in Zisleithanien — erheben wird. Die österreichische Aristokratie und insbesondere die Träger der großen historischen Namen gehörten fast ausnahmslos zu den überzeug testen Verfechtern des „schwarz-gelben“, übernationalen, wahrhaft österreichischen Gedankens, der im Prinzip wie in der Praxis auf der vollen Gleichberechtigung aller Völker und Stämme des vielsprachigen Reiches beruhte. Wenn der spanische Gelehrte sieh der Mühe unterziehen wollte, die Listen allein der hohen Beamten und der Minister zu konsultieren, die in der Zeit Kaiser Franz Josephs dem österreichischen Staat gedient haben, würde er zur Einsicht gelangen, daß die angeblich benachteiligten Nationalitäten ihren vollen Anteil, Proportionen oft mehr als ihren Anteil, an der Verwaltung und Regierung dieses Staates gehabt haben; einschließlich auch des diplomatischen Dienstes, des einzigen Zweiges der staatlichen Administration, der- nach internationalem Brauch und mit Rücksicht auf die damals noch für unerläßlich gehaltenen gesellschaftlichen Beziehungen und Umgangsformen vorwiegend mit Angehörigen begüterter Adelslamilien besetzt wurden.

Jan Susky, Wien VII.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung