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Randhemerkungen zur woche

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Das Oberkommando der , USA-Streitkräfte hat in einer Note an die Bundes-recltrung einem Austausch Versetzter Per sonen aus Österreich gegen Volksdeutsche aus Deutschland zugestimmt. Ausgetauscht werden freiwillig sich meldende Personen, im ganzen zunächst etwa 3000 bis 4000, wobei die Auswahl der einwandernden Personen von den ÖFifrreichischen Behörden durchgeführt wird. Zur Auswanderung sind in erster Linie nicht-deutschsprachige Versetzte Personen, in zweiter Linie auch Familienangehörige von Volksdeutschen zugelassen, die in Deutschland leben. Die Aktion hat eine wichtige humanitäre Aufgabe zu erfüllen. Durch sie sollen Familien wieder zusammengeführt werden, die seit fünf Jahren zerrissen sind, wobei die Vervollständigung der Familien nichtdeutscher SpraAe in der Richtung nach Deutschland, die der Volksdeutschen Familien in der Richtung nach Österreich hin erfolgt. Diese Richtungen der Wanderung sind darin begründet, daß es sich bei den sogenannten Volksdeutschen vielfach um Volksnster-reicher handelt, und zwar zum Teil aus dem ehemaligen öterreichischen Kerngebiet, die man in ihren angestammten Bereich zusaw-enführt. Wenn man bedenkt, daß noch immer zehntausende Ehepaare, Eltern und Kinder, durch Grenzen getrennt leben müssen, so kann man diese Aktion als eir-cn verwaltungstechnischen Beitrag zur Wiederherstellung der Menschlichkeit, zur Korrektur der Kriegsfolgen und zur Normalisierung des Lebens ansehen, der vorbildlichfür weitere Maßnahmen sein muß.

Jrn Verfassungsausschuß wird eine' Regierungsvorlage über die Vereinheitlichung der Bundesstatistik beraten. In icm Land, das auf dem Gebiet der Statistik seit ihren Anfängen im vorigen Jahrhundert führend war, mutet es vielleicht für den Laien eigenartig an, daß man heute gesetzliche Maßnahmen zur Ordnung der Statistik ergreifen muß — eine beachtliche Krieasfolae.' In welchem Maß die Statistik uneinheitlich geworden ist, kann der A ßenstehende nicht erkennen, aber es ist allgemein bekannt, daß die Erhebungen oft in Formen vor sich gehen, die den Unsicherheitskoeffizienten bis zur Unbrauchbarkeit der Ergebnisse steigern. Private, halbamtliche und lokalbehö'rdliche Erhebungen haben zudem das Bild der Statistik reichlich verwirrt, so daß sehr viele Zahlen, wie das Statistische Amt kürzlich selbst feststellen mußte, nur sehr bedingten Wert haben. Der Gesetzentwurf will mit diesen Unzulänglichkeiten aufräumen und benennt zu diesem Zweck eine Reihe von statistischen Aufgaben, die in Zukunft als Bundesangelegenheit nur einheitlich und zentral für das ganze Bundesgebiet bearbeitet werden Sollen. Der Gesetzentwurf sieht auch die Organisatiönsform statistischer Erhebungen vor und bestimmt auch, auf welche Art die Staatsbürger bei ihrer Durchführung heranzuziehen sind. Künftighin sollen statistische Erhebungen, die der Mitwirkung der Bevölkerung bedürfen, nur durch Gesetze angeordnet werden, so daß den „wilden“ Erhebungen Einhalt'geboten wird. Über die Bedeutung der Statistik selbst ist kein Wort zu verlieren. Aber das vorgeschlagene Gesetz stellt die Rechtsordnung auf einem wichtigen Gebiet staatlicher Lebensäußerungen her und das ist fast wichtiger als die Statistik selbst.

Die monatelange Diskussion um die Neugestaltung des Stephansplatzes hat ein vorläufiges und in mancher Beziehung überraschendes Ende gefunden. Die Philipp-Haas A. G. — welches Unternehmen Bauherr des bekanntlich besonders heftig vm-stritlenen Baublocks an der Ecke von Graben und Stephansplatz ist — hat sich, bewogen durch die Proteste der Öffentlichkeit gegen die Errichtung eines allzu hohen Hauses an dieser Stelle entschlossen, ihr bisheriges Bauprojekt zurückzuziehen und an ihm eine Revision vorzunehmen. Ein bekannter Architekt wurde beauftragt, gemeinsam mit dem Entwerfer des jetzt fallengelassenen Planes ein neues und den Verhältnissen am Stephansplatz endlich gerecht werdendes Projekt auszuarbeiten; beide Architekten wurden angewiesen, die Bauhöhe des neuen Hauses der Dachlinie der anderen Gebäude auf der westlichen Platzseite anzugleichen. Das neue Projekt wird freilich nach seiner Fertigstellung wiederum den zuständigen Behörden vorgelegt werden müssen, der Baubeginn sich also um ein Jahr verschieben. Aber man wird ob dieser Verspätung nicht allzu böse sein; besser morgen ein- allen Anforderungen entsprechendes, als heute ein in jeder Hinsicht verfehltes Gebäude im

Mittelpunkt unserer Stadt. — Damit ist — wie die „Furche“, die als erstes österreichisches Blatt auf die drohende Beeinträchtigung des Stadtbildes um St. Stepham hinwies, mit besonderer Genugtuung anmerken darf — dem einmütigen Verlangen der Öffentlichkeit und der Fachleute nach einer sorgfältigeren Beachtung der kulturellen, religiösen und architektonische Gegebenheiten dieses Platzes wenigstens in einem wichtigen Punkt Rechnung getragen wo- ' n. Den Eigentümern des Haas-Huuses, die solcherart ihre geschäftlichen Interessen beiseite ließen, ist für ihren Entschluß alle Anerkennung zu zollen. Allerdings, eines ist vorauszusehen: daß die Diskussion bezüglich der Überbrückung der Goldschm'tdgasse und der Zurv-verlegung des Haas-Blocks um fünf Meter — welche Vorhaben wahrscheinlich auch in dem neuen Projekt aufscheinen werden — noch einmal aufflammen wird. Denn jene Überbauung wurde bis jetzt noch kaum stichhaltig begründet, während die Zurückverlcaung — für ''che verkehrstechnische Ursachen angegeben werden — nicht weniger angegriffen Wurde wie die —prünglich vorgesehene Höhe des Hannes. Sollte es unmöglich sein, die beteiligten Stellen im Rathaus, den Fachbeirat und die öffentliche Meinung ihre endgültige Entscheidung zwischen zwei Entwurfsvarianten treffen zu lassen? •

In einem öffentlichen Gespräch, das an der Universität Hamburg aus Anlaß der dort abgehaltenen protestantischen „Kirchlichen Woche“ unter Teilnahme von Schriftstellern, Filmproduzenten und zahlreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, auch des Kulturreferenten der SPD, Arno Honnig, stattfand, sprach sich der bekannte Verleger Ernst Rowohlt für ein Gesetz aus, das die Jugend vor Schund und Schmutz bewahren soll. Er bekannte, daß er selbst sich noch vor wenigen Monaten gegen ein solches Gesetz gewandt habe. Nun aber, nachdem er gesehen habe, was an den Kiosken seit einiger Zeit feilgeboten wurde, sei er gern bereit, in einer entsprechenden „Kommission von vernünftigen Leuten“ mitzuarbeiten. — Man möchte Bravo rufen. Folgt Westdeutschland dem Beispiel, das Österreich mit seinem Gesetz gegen die Sumpfpresse gegeben hat, so wird dem papierenen Schandgewerbe, das jetzt noch von österreichischen Schlupfwinkeln aus Schmuggelei nach Deutschland treiben möchte, bald die Geschäftsfreude verdorben sein.

Eine Nachricht von weittragender Bedeutung wird durch einen Bericht der „Times“ vermittelt, demzufolge auf einer unter staatlicher Patronanz stattgefundenen Wirtschaftskonferenz in Peking eine mittlere Linie zwischen Privat- und Staatswirtschaft hergestellt worden sei. Der chinesische Kommunismus hat schon zuvor im allgemeinen eine grundsätzlich andere Haltung gegenüber dem Privateigentum eingenommen, als sein sowjetischer Nachbar. Die in Peking festgestellte Formel scheint der Sozialisierungspolitik bestimmte Schranken zu ziehen. — Diese Differenzierung, die in das Wesentliche des Kommunismus reicht, vermag auch politische Bedeutung zu gewinnen. In Asien etabliert sich neben dem russischen Koloß ein zweiter Riese, der, vom Standpunkt des Lenin-Stalinischen Credos aus gesehen, im Grunde genommen ein Häretiker ist. Es wäre kein Wunder, wenn man dies in Moskau als eine Störung der brüderlichen Gefühle empfinden und dem weiteren Ablauf der Dinge mit Argwohn folgen würde.

Die Sowjetisierung Ungarns hat einen Fortschritt gemacht. Mit großer Begeisterung verabschiedeten, dem rumänischen Kominformblatt Bukarests zufolge, die Vertreter des ungarischen Volkes im Parlament das Gesetz über die Bildung der lokalen Räte, durch die der Aufbau des volksdemokratischen Staatswesens vollendet wurde. Nach dem Gesetz unterstehen sie dem Parlament und dem Präsidialrat der Volksrepublik. Sie werden für vier Jahre gewählt. Die Wähler haben das Recht, sie abzuberufen. Sie werden in ihrem Zuständigkeitsbereich als die Vertreter der einheitlichen Staatsgewalt mit der Bestimmung bezeichnet, die wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Tätigkeit und Verteidigung der Rechte der Werktätigen zu leiten. In Wirklichkeit sind sie die kommunistischen Vollzugsorgane der zentralen Staatsgewalt, die demokratisch verkleidete Fassade der Diktatur.

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