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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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MIT ALLER OFFENHEIT hat eine Salzburger Fachkonferenz den bestürzenden Rückgang unseres Fremdenverkehrs festgestellt. Man nannte Ziffern (50% Schwund bei den Übernachtungen), man fand Gründe (gesamteuropäische Tendenzen und Devisenentwicklungen, aber auch zu hohe inländische Abgaben) und versprach schließlich Besserung „für die Nachsaison und die folgenden Jahre“. Also doch Besserung! Zwar versicherten die Vertreter des Fremdenverkehrsgewerbes, daß die jetzigen Preise ohnehin schon knappest kalkuliert seien — und das mag für einen Teil der Betriebe zutreffen. Auch in diesem Jahre gibt es angenehm billige Zonen und inmitten der teuren rühmenswerte Inseln der Kulanz. Wenn aber der Landesverkehrsdirektor selbst zugeben mußte, „daß bei der Preisgestaltung in Österreich knappste Kalkulation sich noch nicht restlos durchgesetzt h ab e“, so deckt sich auch dieser Vorwurf wieder mit Erfahrungen, die sowohl Maharadscha wie Wiener Kleinbürger in zahlreichen Luxuszonen der heimischen Ferienindustrie gemacht haben. Auch die unmittelbar darauf publizierte Anweisung des Innenministeriums an die Landeshauptleute, gegen Preistreiber strenge einzuschreiten, wird nicht die reellen Kalkulatoren erschrecken, wohl aber die Lizitierer und verschworenen Anhänger des berüchtigten Fiakerprinzips. Es scheint, daß wir auch hier einer Nachkriegs-Pseudokonjunktur richtig aufgesessen sind und uns nun, wie in vielem anderen, den neuen Tatsachen anpassen müssen. Die Entscheidung sollte nicht schwerfallen. Es wird zweckmäßiger und einfacher sein, die kommenden kritischen Jahre bei halbwegs vollen Häusern und knappest berechneten Preisen als an der Klagemauer gähnend leerer Appartements zu verbringen. Für diesen Sommer ist es ja nun reichlich spät geworden. Dafür winken einsichtsvollere Preise wenigstens für die Tage, werm sich die späten Nebel drehn, und — „die folgenden Jahre“.

DIE VORJÄHRIGE VOLKSZÄHLUNG, deren erste tabellarische Übersichten die „Statistischen Nachrichten“ in ihrem eben erschienenen Heft 7 soeben der Öffentlichkeit zugänglich machen, erstreckte sich auf eine Reihe von bevölkerungspolitisch wichtigen S ond er f r a g en, zum Beispiel auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit der von der Zählung erfaßten Menschen: Die Ziffern für Niederösterreich liegen vor: Die Gesamtzahl der niederösterreichischen Wohnbevölkerung war 1,250.494; die weibliche (668.598) zeigte gegenüber der männlichen einen Frauenüberschuß von 87.000, der mit dem größten Anteil, rund 29.000, der Land- und Forstwirtschaft Niederösterreichs zugute kam, in der heute noch 213,033 Frauen tätig sind, gegenüber 183.994 Männern. Die standfestesten bäuerlichen Bezirke, in denen der land- und forstwirtschaftliche Beruf noch weit vorwiegend ist, sind Krems mit einer Bevölkerung von 28.121, die in Landwirtschaft oder verwandten Berufen stehen, Zwettl mit 28.693, Amstetten mit 31.919, St. Pölten-Land mit 33.311, Hollabrunn mit 34.488 und schließlich Mistelbach mit 45.860 Personen als der agrarisch an oberster Stelle stehende Bezirk. — Bemerkenswert ist die Verteilung der Konfessionslosigkeit in Niederösterreich, die durchschnittlich für 2 Prozent der Bevölkerung verzeichnet wird. Weiter an der Spitze steht der Bezirk Baden mit 3596 Konfessionslosen, eine Ziffer, die sich nicht aus der Anwesenheit zahlreicher Familien von Angehörigen der sowjetischen Besatzungsmacht erklärt, weil diese nicht der Volkszählung unterzogen wurden. Die nächstgrößere Menge von Konfessionslosen wird für die Stadt St. Pölten mit 2771 notiert, eine fast genau so große für den Bezirk Neunkirchen. In St. Pölten-Land wurden 2086, in Wiener Neustadt-Stadt 1359 Konfessionslose festgestellt. Mit den niedrigsten Ziffern stehen der Bezirk Zwettl mit 137, Waidhofen a. d. Thaya mit 154, Waidhofen a. d. Ybbs mit 179 und Horn mit 187 in den Tabellen. — Als Israeliten verzeichnet die Statistik für ganz Niederösterreich nur 157 Personen; als Katholiken wurden bei der Volkszählung 95 Prozent, als evangelisch 3 Prozent festgestellt.

ARMEE OHNE VATERLAND: diesen Titel setzte der polnischen General Wladi- slaw Anders über sein 1949 erschienenes Buch, in dem er über den vergeblichen Opfergang des II. polnischen Korps während des zweiten Weltkrieges rapportierte. Am Anfang waren an die hunderttausend halbverhungerte polnische Kriegsgefangene und Zivilinternierte in der Sowjetunion; in einem abenteuerlichen, an die Anabasis der alten Griechen erinnernden Zug führte sie Wladislaw Anders über Persien in den Vorderen Orient. Hier, tausende Kilometer weit von der Heimat entfernt, entstand eine kleine, aber schlagkräftige Armee, die die Alliierten sehr bald schätzen lernten. Bei Tobruk und vor Monte Cassino wehte der weiße Adler, fielen junge Männer für die Freiheit Polens. Vergeblich. Das Ende des Krieges brachte sie nicht. Von den neuen Männern in Warschau in Acht und Bann getan, von den Bundesgenossen einer verfehlten Politik geopfert, rüstete die Anders-Armee ab. Nur 7 Offiziere und 14.200 Mann entschlossen sich von einer 112.000 Mann zählenden Truppe zur Heimkehr. Die anderen leben das uralte polnische Emigrantenschicksal... In dieser Woche aber sprach man wieder von General Anders und seinen Soldaten. Einer bisher unbestätigten Meldung zufolge will der General in einer Welt der Aufrüstung auch seine Männer wieder um die weiß-rote polnische Fahne sammeln. Aber wo diese aufpflanzen? So soll der Plan gefaßt worden sein, in Spanien freie polnische Abteilungen ln Form einer Legion oder eines Freikorps zu formieren. Ewige Unruhestifter werden die Satten denken, die Möglichkeit einer Verschärfung des West-Ost- Gegensatzes wird die Friedfertigen beunruhigen. Allein, was hier vor sich geht, ist eine der größten Tragödien unserer Zeit. Ein Volk blutete vergebens für seine Freiheit. Männer, deren Traum ihr kleines Haus irgendwo an der Weichsel oder in der Lysa Gora ist, wollen wieder zum Gewehr greifen. Unverbesserliche Landsknechte? Nein. Soldaten einer Armee ohne Vaterland, Söhne eines Volkes, dessen jahrhundertealtes und gleiches Schicksal es ist, zwichen West und Ost zerrieben zu werden.

DIE UNESCO, die bisher zwar sehr weitgespannten, aber nicht immer sehr realen Aufgaben ihre Arbeit gewidmet hat, will nunmehr durch die „Grundbildung“ (ėduca- tion de base) an die Lösung einer gewaltigen, verantwortungsreichen und verdienstvollen Aufgabe herangehen. „Drei Viertel der Menschheit sind schlecht ernährt und können weder lesen noch schreiben.“ Mit dieser lapidaren und erschütternden Feststellung wird das neue Vorhaben eingeleitet und begründet. Analphabetentum, Krankheit und Elend hängen aufs engste miteinander zusammen. Daher soll im Rahmen der „Grundbildung“ zunächst ein Minimum von allgemeinem Wissen vermittelt werden, um den Kindern und Jugendlichen, die keine Schulbildung erhalten können, zunächst dazu zu verhelfen, die Probleme des Milieus, in dem sie leben, zu begreifen; man will ihnen, eine Vorstellung ihrer persönlichen und zivilen Rechte und Pflichten vermitteln, um besser am ökonomischen und sozialen Fortschritt der Gemeinschaft, der sie angehören, teilnehmen zu können. Gleichzeitig soll in ihnen das Bewußtsein von der Würde der menschlichen Person und das Gefühl für die kulturelle und moralische Solidarität der gesamten Menschheit geweckt werden. Hiezu wird die Vermittlung der wichtigsten theoretischen und technischen Kenntnisse auf dem Gebiete der Hygiene, des Ackerbaues usw. als unerläßlich erachtet. Diese Grundbildung soll vor allem der bäuerlichen Bevölkerung der am meisten zurückgebliebenen Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika (Birmanien, Philippinen, Siam, Afghanistan, Indien, Syrien, Bolivien, Ceylon, Pakistan u. a.) vermittelt werden, die zugleich auch die unchtigsten Gebiete der Heidenmission sind. Das Exekutivkomitee der UNESCO hat verschiedene internationale Organisationen, deren Aufgaben sich mit den ihren berühren, sowie die verschiedenen Missionen aller Bekenntnisse zur Teilnahme an der Realisierung der „Grundbildung“ eingeladen. Als ständiger Beobachter bei der UNESCO wurde vom Heiligen Stuhl der Apostolische Nuntius von Paris, Msgr. Ron- calli, ernannt. — Für die Durchführung dieses fast übergewaltigen Projekts stehen bedeutende Mittel zur Verfügung, und zwar: aus dem regulären Budget der UNESCO 8 Millionen Dollar, aus dem Spezialbudget für die „Grundbildung" 20 Millionen im. Laufe der nächsten 20 Jahre, aus dem „Technischen Assistenzdienst“ der Vereinten Nationen 1,500.000 Dollar für 1952, ferner private Zuwendungen aus den Ford-, Rockefeiler- und anderen Stiftungen. Man darf wohl hoffen, daß diese beträchtlichen Summen zweckmäßig verwendet werden!Wie wenige — übrigens echt österreichisch, diese Tatsache — wissen, daß Pius Parsch neben den weltberühmten Thomisten Garrigou-Lagrange O, P. und dem langjährigen Rektor des römischen Bibelinstituts P. Bea S. J. und einem weiteren bekannten spanischen Theologen als Vierter (und einziger in deutscher Sprache) einen vielbeachteten und sehr anericannten Vortrag bei den theologischen Hauptsitzungen in Barcelona hielt! Freilich, die Stifte haben Hunderte von Pfarren inkorporiert: deren Besetzung wird manchem Prälaten schwere Stunden bereiten. Der Nachwuchs ist viel zu gering, daß er eine einigermaßen den Anforderungen entsprechende Zahl bereit hätte, so daß manche Pfarren nicht diesen Einsatz zeigen, den man gerade in diesen entscheidenden Zeiten wünschen möchte. Was aber ein paar, freilich wieder viel zu wenige, tüchtige Kräfte vermögen, zeigt das heutige Mariazell; für es eine ausreichende Mannschaft zur Verfügung zu stellen, wäre auch eine Tat, deren Auswirkungen manche Bedenken gegen die Stifte zerstreuen könnten.

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