6556220-1948_23_06.jpg
Digital In Arbeit

Deutsche Bühne in Bedrängnis

Werbung
Werbung
Werbung

Der Zusammenbruch des Spielplans der Münchener Kammerspiele, die schweren Erkrankungen bedeutender Künstler, die ernsten Vorstellungen, mit denen der bayrische Ministerpräsident auf eine bessere Ernährung der Schauspieler, Sänger und Musiker hinwirkte, beleuchten die deutsche Theatersituation. Sie lassen erkennen, in welch gefahrvoller Bedrängnis sich die deutschen Bühnen befinden. Denn was in München in fast demonstrativer Weise sichtbar wurde, das findet man überall, ob man nach Hamburg, Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Heidelberg oder in irgendeine andere Stadt Deutschlands kommt. Die Kraft der deutschen Künstler ist erschöpft, der Hunger, unterstützt vom Wohnungselend, hat den Sieg über Körper und Geist davongetragen.

Es konnte nicht anders sein. Die Menschen auf der Bühne haben nicht viel mehr als ihr Können. Viele waren im Feld, in der Gefangenschaft. Abgerissen kehrten sie zurück. Anderen hat der Phosphorkanister alles vernichtet. Was sie besitzen, tragen sie auf dem Leibe, und selbst das ist zumeist noch „gespendet”. Wie sollten sie auch, an etwas Neues kommen! Über Kompensationsware verfügen sie nicht, sie können nichts ein- tauschen. Sie sind aber auch nicht imstande, sich durch Schwarzhandel größere Neben- einkünfte zu verschaffen, um so etwas „nebenbei” zu kaufen. Natürlich kommen sie nicht ohne den Schwarzen Markt aus, und das trieb sie bereits in böse geldliche Verschuldung. Die meisten leben daher Tag für Tag und sogar während der Theaterferien von der dünnbreiigen Gemeinschaftssuppe mit viel Maismehl und wenig Kraft darin. Das ist dann ihre einzige warme Mahlzeit täglich. Sie „stehen Schlange” nach Brot, und wenn sie nicht als „Kohlenklau” einem haltenden Güterziug zusetzten, dann hatten sie im Winter auch nichts zu heizen. Nicht wenige hausen und arbeiten in einem Bunker; die Wohnung, die der Intendant ihnen beim Engagement versprach, wird trotz aller Bemühung nicht frei. So geht das nun drei Jahre. Ein Ende ist noch nicht abzusehen, es sei denn das Ende der eigenen Widerstandskraft. Und das zeigt sich nunmehr in erschreckender Weise.

Doch vielleicht sind Gleichgültigkeit und Verständnislosigkeit der breiten Öffentlichkeit noch erschreckender als die Zusammenbrüche und Erkrankungen, als die zahlreichen anderen Zeichen der Verelendung. Egoismus und Hartherzigkeit haben einen kaum überschreitbaren Höhepunkt erklommen, ohne daß man gemeinhin davon Notiz nimmt. Zumal die Künstlerschaft leidet darunter. Das deutsche Theaterpublikum und die deutsche Kritik erwarten auch heute friedensmäßige Leistungen von ihr. Die tagtäglichen kleinen Tragödien, die sich hinter den Kulissen, auf der Probebühne oder sogar auf offener Szene abspielen, kümmern den mittelbar Beteiligten nicht. Ohne nach den Ursachen zu fragen, äußern Publikum und Kritik schroffe Mißbilligung, wenn dies oder jenes nicht paßt. Für sich selbst hingegen fordern die Theaterbesucher weitgehende Rücksichtnahme. Das führte mehr und mehr zu beträchtlichen Spannungen. Die peinlichen Zusammenstöße zwischen Theaterleuten und Kritikern wollen nicht nachlassen. Es gab Handgreiflichkeiten, die weniger als’ spontaner Rückgriff auf das Faustrecht denn als. Akt berechtigter Notwehr verstanden werden dürfen. Es ist fraglos eine der Bedrängnisse, denen das deutsche Theater heute ausgeliefert ist, daß die Kritik jungen Leuten anvertraut ist, die weder über hinlängliche Vorkennmis noch über ausreichende Erfahrung verfügen. Insbesondere toangelt ihnen der wesentliche Prüfstein des Vergleichenkönnens; sie sind aus mancherlei Gründen nicht in der Lage, die Auffassung eines Werkes in Köln der Deutung des gleichen Stückes etwa in Hamburg oder München an die Seite zu stellen. Allein die Verkehrsschwierigkeiten verhindern das. Über Maßstäbe von früher her verfügen sie naturgemäß nicht. Sie urteilen von sehr anfechtbarem Kothurn herab. Nicht minder beängstigend verhalten sich die der „alten Schule” zugehörigen Kritiker. Sie gehen die heutigen Aufführungen und Leistungen mit Voraussetzungen an, die längst nicht mehr vorhanden sind, jedoch fest in ihrer Erinnerung ankern. Das Ergebnis’ ist der Einbruch der Lieblosigkeit in die Kritik: Besprechungen, die an Unverblürotheit und verwundender Schärfe nichts zu wünschen übriglassen. Hier entgleitet die demokratische Freiheit der Meinungsäußerung offenbar in automatische Ungezügeltheit.

Mit einer ähnlichen Haltung besucht das Theaterpublikum vielfach die Aufführungen. Jene Empfänglichkeit, die das Publikum nach Schillers Meinung braucht und besitzt, ist nahezu gänzlich geschwunden. Statt ihrer spannt sich eine recht dickhäutige Abgestumpftheit zwischerf Bühne und Parkett. Nur selten erlebt der Darsteller, der seine innerste Kraft über die Rampe hinweg in den Raum sendet, daß von dorther eine annähernd gleiche Intensität zurückkommt. Schmerzlich entbehrt er das Feuer, das Schauspieler und .Zuschauer gleichermaßen verwandelt. Aufgeschlossenheit und Miterleben des Publikums tragen erheblich bei zur Entwicklung des gesamten Theaterschaffens. Wo sie sich aber versagen, kann es nicht zu fruchtbarer Auswirkung selbst der stärksten Anstrengungen kommen. Es ist leicht, alle Neuerscheinungen auf der Bühne über einen Kamm zu scheren, sie mit billigen Schlagworten abzutun. Die Masse der Theaterbesucher tut das, indem sie mit Abstempelungen, wie zum Beispiel „typisch ‘ amerikanisch” und „echt französisch”, schnell bei der Hand ist. Sucht ein Dramatiker neue Wege oder möchte ein Regisseur die szenische Form eines Klassikers neu gestalten, so dürfen sie auf beinahe völlige Ablehnung rechnen; wo etwas nicht ins überkommene Schema passen will, wird es sehr bald als Entgleisung aufgefaßt. Das deutsche Theater kämpft erbittert mit der Bedrängnis durch eine nach rückwärts gerichtete Konservativ!,tat.

Allerdings beschwört nicht nur das Publikum im allgemeinen eine solche Bedrängnis herauf. Die ins Monströse ausgewachsene deutsche Bürokratie Hemmschuh jeder freizügigen Entwicklung überhaupt, übt einen überaus abträglichen lati und Sappa. Der bischöfliche Generalvikar von Skutari, Msgr. Kaligi, ist im Gefängnis, ebenso der Erzbischof von Durazzo, Msgr. Pre n- n u s h i, der zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt wurde, hier gleichbedeutend mit der Todesstrafe. Hingerichtet wurden am 1. März laufenden Jahres der Diözesanbisdiof von Sappa, Giorgio V o 1 a j, und der 66jährige Bischof von Alessio, Msgr. Francesco G j i n i, Verwalter der apostolischen Delegation in Albanien; in Freiheit befindet sich nur mehr der Bischof von Pulati, des Gebirgslandes nordöstlich von Skutari. Zugleich mit den beiden Bischöfen ermordet wurden die Franziskaner Cypriani Nikai und Msgr. Nicola Doda und bei zwanzig katholische Notabein. Die Prozesse, die der Hinrichtung vorausgingen, wurden geheim geführt, Verteidiger waren nicht zugelassen. Die Bluturteile standen von vornherein fest. Von den siebzig Franziskanern des Landes haben bisher zwölf den Tod gefunden; die meisten der dreißig Jesuiten verfielen der Ausweisung, ermordet wurde unter ihnen P. Gjon Pantalja. — Das katholische Schulwesen des Landes ist zerstört, die große Mehrzahl der Ordenshäuser beschlagnahmt, die Religionsfreiheit praktisch aufgehoben. Hilflos unertschweigend sehen UNO und UNESCO dem Wüten gegen Menschlichkeit und Kultur zu.

Abb£ Morel hat im April 1947 in der Galerie Renf Drouin (Paris 17, Place Vendome) eine Ausstellung unter dem Titel „Pour un art religieux” veranstaltet, die wegen besonderem Erfolges im Juni wiederum gezeigt werden mußte und verschied|ntlich vom Auslande erbeten wurde. „Damit wir von neuem eine religiöse Kunst haben mögen, die ihren Kunstwert vollauf wiederfindet, ist es nötig, daß die besten Künstler aufgefordert werden, für die Kirche zu arbeiten auf den Gebieten, auf denen ihr Talent derselben dienen kann, oder daß sie wenigstens jene religiöse Themen versuchen, die ihrer Eigenart liegen.” So arbeiten Rouault und Bazaine zur Zeit an Glasfenstern für die von den Dominikanern betreute Kirche des Gebirgsortes Assy bei Passy, die in diesem Frühsommer fertiggestellt sein wird. Bonnard und D6rain erhielten den Auftrag für Gemälde, Fernand L£ger für ein maria- nisches Mosaikbild, Luręat für einen Wandteppich Bracque für die Tabernakeltüre. Pius XII. unterstützt die Ausstattung dieser modernen Kirche durch moderne Künstler von Rang. In der genannten Ausstellung wurden die Malereien von Pierre Bonnard, zumal ein heiliger Franz von Sales, für eben diese Kirche von Assy/ (Haute-Savoie) gezeigt, ferner ein Vanitasbilu von Georges Bracque, zwei Zeichnungen des Bildhauers Henri Laurens und vor allem 11 Gemälde und 33 Graphiken von Rouault, der das Ecce homo schuf.

Die Londoner Zeitschrift „The Economist” mißt der Schließung der Petroleumraffinerie in Haifa, die am 13. April d. J. erfolgte, die größte Bedeutung für die weitere Entwicklung des Palästinakampfes bei. Die Raffinerie hatte eine Jahresproduktion von 4 Millionen Tonnen, von der mehr als die Hälfte im Nahen Osten konsumiert wurde, darunter 690.000 Tonnen von Palästina und 800.000 Tonnen von Ägypten. Außer den wenig leistungsfähigen Raffinerien in Tripolis (Libanon) und Ägypten stehen nun dem Nahen Osten keinerlei Raffinerien zur Verfügung, so daß nach Ansicht des „Economist” der Treibstoffmangel nach Aufbrauch der noch vorhan. denen Vorräte einen entscheidenden Einfluß auf die Kampfhandlungen und die Versorgungslage nehmen werde.

Wie die türkische Zeitung „Cumhuriyet” vom 14. Mai d. J. meldet, verursachte das Erscheinen eines religiösen Btyhes innerhalb der Regierung von Ankara eine Spannung, die fast zu einer Kabinettskrise geführt hätte. Ein Katechismus für muselmanische Kinder, dessen Verfasser die Lehre der mohammedanischen Orthodoxie allzu leicht nahmen und namentlich einen türkisch modifizierten Islam zu lehren sich zur Aufgabe machten, Hatte die behördliche Genehmigung erhalten. Der Ministerpräsident Hasan Saka tadelte in offener Parlamentssitzung mit scharfen Worten den Unterrichtsminiser wegen der Zulassung dieser Lehrbücher. Erst vor dem Staatspräsidenten konnte der Konflikt geschlichtet werden. Das Budi dürfte aus dem Verkehr zurückgezogen werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung