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Hochöfen, Straßen, Stifte

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Wirtschaft und Kultur eines Landes resultieren weitgehend aus der Besonderheit der geographischen Lage und der historischen Gegebenheiten. Beide, Landschaft und Geschichte, begrenzen nicht nur den Entwicklungsraum, sondern sie steuern auch die Entwicklungsrichtung, ja sie beeinflussen selbst das Tempo des Entwicklungsprozesses.

Wer von Oberösterreich spricht, muß daher die von der Natur gestellten Bedingungen überschauen: die Donau als handel- und verkehrsfördernden Strom, aber auch als breite Kerbe, die nicht nur einmal in der Geschichte zu einer Art Grenze wurde; den Norden des Landes mit seinem landschaftlichen Ernst, der durch die Kargheit des Bodens noch unterstrichen wird; die fruchtbaren Weiten des Alpenvorlandes, unterbrochen und gegliedert lediglich von den Schotterhügeln des Hausrucks uni des Kobernaußerwaldes; die schmalen Tallinien an Enns, Steyr und Krems, auf denen der Schatten bewaldeter Höhen liegt, und schließlich die Seenwelt des Salzlcammergutes, die von mächtigen Gebirgsstöcken eingerahmt wird.

Und er wird die Geschichte aus dem Antlitz dieses Raumes lesen! Es ist die Geschichte eines Grenzlandes: eines Grenzlandes im Norden des Römischen Reiches, eines Grenzlandes im Osten des Karolingischen Reiches, eines Grenzlandes im Norden und Nordwesten in der Babenberger-zeit und seit der Zeit der Habsburger bis heute immer wieder die Geschichte eines Grenzlandes im Norden, Nordwesten und Osten.

Die von Natur und Geschichte geschaffenen Voraussetzungen führten in unserem Jahrhundert zu einer Situation, die insbesondere durch ein verändertes Wirtschaftsgefüge gekennzeichnet ist. Bis dahin stellte die Landwirtschaft, der sich der oberösterreichische Boden in erster Linie anbot, die dominierende Erwerbskomponente dar. Gewerbe und Industrie, gleichermaßen seit geschichtlicher Frühzeit im Lande beheimatet,. nahmen einen dem Produktionsumfang entsprechenden bescheideneren Platz ein. Dieser Platz war allerdings ein Sonnenplatz der Entwicklung, konnte doch die gewerbliche Wirtschaft trotz mancher Rückschläge die immer rascher und immer großartiger sich entwickelnde Technik in vollem Umfang ausnutzen, die Landwirtschaft hingegen kaum oder nur zum geringen Teil. Die Folgen dieser unterschiedlichen Entwicklung zeichneten sich gerade in den Jahren vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges sehr deutlich ab. Man braucht sich zur Illustration nur einige Beispiele vergegenwärtigen.

Hatte Linz 1869 47.000 Einwohner, so stieg ihre Zahl bis 1900 auf 84.000 und bis 1923 auf 108.000. Steyr zählte 1869 16.000 Einwohner, 1900 21.000, zwei Jahrzehnte später 26.000. Wels wuchs von 10.000 Einwohnern 1869 auf 17.000 um die Jahrhundertwende und auf 24.000 im Jahre 1923. Im gleichen Zeitraum, in dem sich diese drei Städte um 85.000 Menschen erweitert hatten, stieg jedoch die Gesamtbevölkerung Oberösterreichs nur um etwa 144.500, nämlich von 731.500 auf 876.000, das heißt, daß 58 Prozent der Bevölkerungszunahme in diesen 54 Jahren auf Linz, Wels und Steyr entfielen.

Mit diesem Strukturwandel Hand in Hand ging die Verschiebung innerhalb der Berufsschichten. 1869 gehörten noch 59,1 Prozent aller Berufstätigen Oberösterreichs zur Gruppe der Land- und Forstwirtschaft. 1910 waren.es 51,9 Prozent, 1937 nur noch 37 Prozent. In.diesem Jahr überflügelte die gewerbliche Wirtschaft mit einer Beschäfigtenzahl von 40 Prozent der Bevölkerung die Berufszugehorigen in der Land-und Forstwirtschaft.

Der Verschiebungsprozeß hielt auch.in.der Folgezeit mit unverminderter Stärke an. Es ent-' standen die Großbetriebe: VÖESt., Stickstoffwerke, Aluminiumwerke Ranshofen und Zellwolle Lenzing.

Aber nicht nur im Wirtschaftsleben, auch im Kulturbereich wurde der Wandel in der soziologischen Struktur deutlich sichtbar. Bisher war das Kulturbewußtsein ein Ausdruckselement, in dem die gesamte Bevölkerung ihre geistig-seelische Kraft manifestierte. Darum wuchsen auch die Kulturgüter allüberall aus dem schöpferischen Boden des Landes: die Stifte, die Pfarrkirchen, die gotischen Flügelaltäre und die Bürgerhäuser mit ihren kunstvollen Fassaden. Diesem bis in die verborgensten Winkel des oberösterreichischen Raumes lebendigen Kunstwillens stellte die Entwicklung unserer Zeit vor allem im bäuerlichländlichen Lebensbereich zwei überstarke Kräfte entgegen: einmal den Mangel an Zeit und Muße, eine Erscheinung, die durch den ständigen Abwanderungsprozeß und die dadurch bedingte Arbeitsmehrbelastung der seßhaft Gebliebenen begründet ist und ferner den finanziellen Sog vom Wirtschaftlichen her, der durch die Verteuerung der menschlichen Arbeitskraft und den großen Nachholbedarf, insbesondere auch auf technischem Gebiet, entstand. Man findet diese Tatsachen nicht nur an dem Schicksal einzelner Stifte und an dem Los eines Großteils der vom künstlerischen Standpunkt aus sehr bedeutsamen Filialkirchen bestätigt, sondern überhaupt im Verfall des privaten Mäzenatentums.

Mitten hinein in die angedeutete Problematik trafen die Bomben des zweiten Weltkrieges. Die Entwicklung wurde von den Trümmern zerstörter und schwer beschädigter Industrieanlagen, Gewerhebetriebe und Wohnhäuser, aber auch vernachlässigter kirchlicher und weltlicher Kunststätten zugedeckt.

Eine Systematik des Neuaufbaues mußte sich zunächst auf die Wiederherstellung jener Betriebe konzentrieren, die vielen Menschen Arbeit und Brot gaben und die gleichzeitig für die rasche Ankurbelung der Wirtschaft von Bedeutung waren. Der Aufbau gelang auf dem industriellen und gewerblichen Sektor dank der Einsatzfreude der Bevölkerung und dank der großzügigen Zuhilfenahme von ERP-Mitteln in erstaunlich kurzer Zeit, ja er mündete alsbald in eine Periode der Erweiterung bereits bestehender, vor allem aber der Gründung neuer Industrie- und Gewerbebetriebe. Leider fehlt derzeit eine Untersuchung, wie viele Industrieanlagen in ganz Österreich in der Zeitperiode unmittelbar nach 1945 gegründet wurden. Es spricht jedoch bereits eine Detailuntersuchung über den Bezirk Linz-Land, der zusammen mit der Landeshauptstadt den Schwerpunkt der industriellen Entwicklung in Oberösterreich darstellt, eine beredte Sprache. Während sich im Zeitraum von 1938 bis 1945 dort kein einziger Betrieb festsetzte, sondern nur vier in diesem Landesteil verlagert wurden, entstanden von 1945 bis 1955 hier nicht weniger als 26 Industriebetriebe.

Dieser von der Konjunktur begünstigte Terraingewinn der Industrie auf dem Strukturboden der Wirtschaft Oberösterreichs hielt bis in die Gegenwart an. Mit ihren 1833 Betrieben und einer Beschäftigtenzahl von 115.500 ist die Industrie heute der mächtigste Faktor der Wirtschaft des Landes.

Innerhalb der Industriegruppen Oberösterreichs dominiert die Eisen- und Stahlindustrie mit einem Anteil der Beschäftigten von 41,2 Prozent. Ihr folgt der Bergbau, die Steinindustrie, die chemische, keramische sowie die Glasindustrie, die 23,7 Prozent aller der Industrie berufszugehörigen Personen beschäftigt. Die pflanzliche und tierische Rohstoffe verarbeitende Industrie (Nahrungs- und Genußmittel-, Bekleidungsindustrie usw.) steht mit 18,4 Prozent anteilmäßig an dritter Stelle, die holzverarbeitende Industrie mit 16,7 Prozent an vierter Stelle.

Der Anstieg der industriellen Produktion war bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt dem Auf- und Ausbau der Betriebe entsprechend enorm. So konnte der mit der Erzeugung und Verarbeitung von Feinblechen befaßte Industriezweig den Produktionsumfang gegenüber dem Jahre 1950 um 2300 Prozent steigern, die Rohstahlerzeugung um 537 Prozent, die Aluminiumerzeugung um 476 Prozent, die Schuhfabrikation um 478 Prozent, die Grob- und Mittelblechindustrie um 250 Prozent, die Seidengewebeindustrie um 281 Prozent, die Wollgewebeindustrie um 202 Prozent, die Kugellagererzeugung um 181 Prozent, die Glühbirnenherstellung um 181 Prozent, die Traktorenwerke um 174 Prozent, die Zementindustrie um 150 Prozent usw.

Ausdruck dieser gesteigerten Leistungsfähigkeit ist auch das sich laufend vergrößernde Exportvolumen. Betrug der Exportwert der oberösterreichischen Industrie 1953 rund 3,2 Milliarden, und im Jahre 1954 3,7 Milliarden, so erreichte er 1959 die Höhe von 5,9 Milliarden. Das entspricht 24,7 Prozent des gesamtösterreichischen Exportwertes. 371 Industriebetriebe, darunter 260 Sägewerke, sind an diesem oberösterreichischen Export beteiligt, der sich auf fast alle Staaten Europas und auch auf überseeische Gebiete erstreckt.

Der Umfang der Produktionskapazität wird ferner in der gesamtösterreichischen Schau deutlich. Allgemein gesehen liegt der Anteil der oberösterreichischen Industrieproduktion an jener Gesamtösterreichs zwischen 20 und 25 Prozent. Er erreicht bei den Stickstoffdüngemitteln, bei Zellwolle, Asbestzementproduktion, bei Bauxit und bei Traktoren allerdings 100 Prozent, bei den Kugellagern 91,7 Prozent, bei Aluminium 85,5 Prozent, bei Stahlblechen 83,7 Prozent, bei Rohkaolin 75,3 Prozent, bei Leinengarnen 68,3 Prozent usw.

Besondere Bedeutung kommt darüber hinaus der Energiewirtschaft des Landes zu. Oberösterreich ist mit 25 Prozent an der Erzeugung und mit 28 Prozent am Verbrauch der gesamtösterreichischen Stromerzeugung beteiligt. Die von den industriellen und gewerblichen Anlagen, von den Elektrizitätsversorgungsanlagen der OKA und von den Landesgesellschaften der Ennskraft-werke, des Donaukraftwerkes Jochenstein, der Innkraftwerke und der oberösterreichisch-bayrischen Kraftwerke 1959 erzeugten Strommenge betrug rund 3,7 Milliarden kWh. Oberösterreich besitzt insgesamt 386 Energieerzeugungsanlagen, von ihnen sind 280 Wasserkraftanlagen mit einer mittleren Ausbauleistung für industrielle und gewerbliche Zwecke, 43 Dampfkraftanlagen, die infolge des hohen Anteils der Linzer Schwerindustrie und wegen des großen Wärmebedarfs bestimmter Industriezweige zu einem bedeutenden Teil der oberösterreichischen Energieerzeugung geworden sind, ferner 60 Dieselkraftanlagen und 3 Gaskraftanlagen. Die Sondergesellschaften liefern fünf Sechstel der aus Wasserkraft erzeugten Strommenge. Im Bau befinden sich das Großkraftwerk Aschach, das nach seiner Fertigstellung 1,6 Milliarden kWh jährlich liefern wird, das Werk Losenstein an der Enns mit 171,6 Millionen kWh pro Jahr und das Werk Schärding am Inn mit 272 Millionen kWh.

Eine weniger einheitliche Entwicklung als der Industrie war dem oberösterreichischen Gewerbe beschieden. Dies läßt das Ergebnis eines von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft durchgeführten Konjunkturtestes erkennen. Nach ihm sind 28,4 Prozent der gewerblichen Berufssparten konjunkturbegünstigt, 7,8 Prozent sehen sich wieder einer relativ günstigen Situation gegenüber, nachdem sie Umstellungen vorgenommen haben, 32,4 Prozent haben seit Jahren die gleichen Erträge mit „gutem Auskommen“. 18,2 Prozent arbeiten in leicht rückläufigen und 13,2 Prozent in stark entwicklungsgehemmten Gewerben. Ein Viertel der rund 20.000 Gewerbebetriebe befindet sich demnach in einer mehr oder weniger ungünstigen Lage, die nur durch Umstellungen und durch Modernisierungsmaßnahmen gemeistert werden kann. Dabei wird die öffentliche Hand wie bisher alle derartigen Bestrebungen voll zu unterstützen haben.

Von großer Wichtigkeit für den Ausbau der Wirtschaft war und ist die laufende Erweiterung und Verbesserung des Verkehrsnetzes. Hier fällt einmal der Bau der Autobahn, deren oberösterreichische Teilstrecke 115 Kilometer beträgt, stark ins Gewicht. Bisher wurden rund 40 Kilometer fertiggestellt. Weitere 13 Kilometer konnten soeben dem Verkehr übergeben werden. Das Bundesstraßennetz umfaßt im oberösterreichischen Raum 1500 Kilometer, davon sind 80 Prozent staubfrei. Angesichts der starken Beanspruchung einzelner Straßenzüge - so ist etwa die Bundesstraße 1 zwischen Enns—Linz—Wels— Vöcklabruck neben der Straße Wien-Wr. Neustadt die stärkst frequentierte Straße des Bundesgebietes — sind jedoch noch weitere verbessernde Maßnahmen notwendig. Das Landes-straßennetz-mit einer Länge von 1150 Kilometer ist zu 50 Prozent, das Bezirksstraßennetz mit einer Länge von 3300 Kilometer allerdings erst zu 10 Prozent staubfrei. 350 von den 450 Ge-, meinde- und Pfarrorten Oberösterreichs haben staubfreie Ortsdurchfahrten. Außerdem wurden bisher 1500 Kilometer Güterwege gebaut und auf diese Weise 7500 Höfe dem Verkehr erschlossen. Im Interesse des Fremdenverkehrs förderte das Land Oberösterreich zusätzlich den Bau von 100 Kilometer Wanderwegen.

Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, wenn wir alle Wirtschaftsfaktoren anführen wollten. Genannt sei daher lediglich noch der Fremdenverkehr, der mit seinen neugeschaffenen Einrichtungen wie Seilbahnen, Umgestaltung von Beherbergungsbetrieben u. dgl. mit Recht ein großes öffentliches Interesse beanspruchen darf.

Die gewerbliche Wirtschaft benötigte zu diesem Ausbau eine hohe Zahl von Beschäftigten, die sie in beträchtlichem Umfang aus dem Kreis der land- und forstwirtschaftlichen Bevölkerung erhielt. Bereits 1951 hatte sich aus diesem Grunde der land- und forstwirtschaftliche Beruf sstand auf 286.000 Personen, d. s. 25,8 Prozent der Bevölkerung, reduziert, und in der Periode bis heute sank er auf den bisherigen Tiefstand von 215.000 Personen, d. s. 18,7 Prozent. Heute überwiegt in keinem Bezirk des Landes die land- und forstwirtschaftliche Bevölkerung mehr. Ihr Anteil ist im Bezirk Freistadt mit 42,3 Prozent noch am höchsten, er ist im Bezirk Gmunden mit 11 Prozent am niedrigsten. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Zahl der in der gewerblichen Wirtschaft Tätigen auf 52%.

Es war klar, daß die Landwirtschaft diesem Aderlaß durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken mußte. Sie fand bei ihren Bemühungen die größtmögliche Unterstützung aller verantwortlichen öffentlichen Einrichtungen. Schließlich ist Oberösterreich mit seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche, die 14,5 Prozent der Gesamtnutzfläche Österreichs beträgt, neben Niederösterreich das zweitgrößte Agrargebiet. Mit einem Wiesenflächenanteil von 29,6 Prozent überragt es alle übrigen Bundesländer; mit der Ackerfläche, die 19 Prozent des gesamten Ackerlandes Östererichs ausmacht, steht es an zweiter Stelle. Das Tempo der Entwicklung der Landwirtschaft mußte nunmehr unter Aufwand aller verfügbaren Mittel und unter Einsatz aller Kräfte beschleunigt werden. Die möglichst rasche Technisierung wurde zur Notwendigkeit. So finden wir erklärt, daß heute ein Drittel aller Traktoren der österreichischen Landwirtschaft in Oberösterreich laufen, das ein Fünftel aller Mähdrescher oberösterreichische Besitzer haben, daß ein Viertel aller Motormäher von oberösterreichischen Bauern angekauft wurden und daß schließlich 40 Prozent der Melkmaschinen des Bundesgebietes in der oberösterreichischen Landwirtschaft eingesetzt sind. Die Landwirtschaft wurde zu einem gewichtigen Auftraggeber für die Industrie und das Gewerbe. Die rund tausend Sägewerke mitgerechnet, sind 79 Prozent der gesamten industriellen Unternehmungen mit der Landwirtschaft verbunden. Der Erfolg blieb auch hier nicht aus. Die oberösterreichische Landwirtschaft produziert heute um 15 Prozent mehr als 1937, obwohl sie inzwischen 120.000 Menschen verloren hat. Allerdings gibt es in Oberösterreich auch landwirtschaftliche Gebiete, die an diesem Fortschritt keinen oder nur geringen Anteil nehmen konnten, wie etwa weite Teile des Mühlviertels oder anderer bergbäuerlicher Gegenden. Wenn trotz der starken Industrialisierung das Durchschnittseinkommen pro Kopf der Bevölkerung unter dem Bundesdurchschnitt liegt, so ist das auf diese reinen Agrargebiete zurückzuführen, bei denen die natürlichen Grundlagen den Einsatz von Maschinen nur in beschränktem Umfang möglich machen. Diesen Stiefkindern der Entwicklung gilt nach wie vor die ganze Sorge der zuständigen Stellen.

Das „primum vivere“ beachtend, wurde die Aufbauarbeit auf dem kulturellen Sektor in der unmittelbaren Nachkriegszeit erst allmählich in die Bahnen einer umfassenden Sanierung der geistigen und materiellen Kulturgüter gelenkt. Was damals infolge der Begrenztheit der Möglichkeiten an Zurückhaltung erzwungen worden war, wurde durch eine ebenso große Gewissenhaftigkeit reichlich wettgemacht.

Zunächst schritt die oberösterreichische Landesregierung an den Einbau einer eigenen Kulturabteilung im Bereich der Landesverwaltung. Diese Abteilung wurde mit der Wahrnehmung aller förderungswürdigen Anliegen betraut. In enger Zusammenarbeit mit dem Verein für Denkmalpflege, dem Bundesdenkmalamt sowie den zuständigen diözesanen Stellen schenkt sie der Rettung und Erhaltung der Baudenkmäler größte Beachtung. Als schöne Früchte dieser Arbeit dürfen die seit 1945 erfolgte Mitwirkung an der Restaurierung fast aller Stifte, die Wiederinstandsetzung vieler Pfarrkirchen, die Renovierung der gotischen Flügelaltäre, die Wiederherstellung beschädigter und vernachlässigter Privathäuser mit kunstvollen Fassaden oder wertvollen Innenräumen, die bauliche Sanierung von Schlössern und die Erhaltungsmaßnahmen an Burgen gelten. In diesem Zusammenhang darf auch auf die grundlegende Erneuerung und Sicherung des Linzer Schlosses durch das Zusammenwirken von Bund, Land und Stadt, sowie auf die Adaptierung dieses Großobjekts für Zwecke eines künftigen Kulturmuseums hingewiesen werden. Innerhalb eines Jahrzehnts wurden nicht weniger als 659 denkmalpflegerische Aktionen durchgeführt. Besondere Sorgfalt gilt auch der Sammlung und Erhaltung des1 literarischen und musikalischen Vermächtnisses großer oberösterreichischer Meister wie Stifter, Stelzhamer, Handel-Mazzetti, Bruckner, F. X. Müller usw.

Neben dem technischen und organisatorischen Weiterausbau des Landesmuseums und des Landesarchivs, Stätten, die durch ihre bedeutende wissenschaftliche Arbeit immer schon einen ausgezeichneten Ruf in der Gelehrtenwelt besaßen, erfolgte die Gründung neuer wissenschaftlicher Einrichtungen. Dazu gehören das Institut für Landeskunde, das Adalbert-Stifter-Institut und das Institut für Volksbildung und Heimatpflege. Ist das erstere durch eine Reihe namhafter Publikationen zu einer weithin anerkannten Institution geworden, so hat sich das Adalbert-Stifter-Institut zu einem internationalen Zentrum der Stifter-Forschung emporarbeiten können. In der vom Institut für Volksbildung und Heimatpflege betreuten Arbeitsgemeinschaft „Oberösterreichische Volksbildung“ sind in beispielgebender überparteilicher Form alle Volksbildungseinrichtungen vereinigt, so die Volkshochschulen, die Volksbildungswerke, die Hausmusikwerke, die konfessionellen Volksbildungseinrichtungen, die Bildungsheime, Musikschulen sowie alle volksbildnerischen Arbeitsgemeinschaften. Innerhalb von zehn Jahren konnten die Bildungseinrichtungen von 43 auf 371 erhöht, die Volksbildungsveranstaltungen von 1261 auf 13.730 erweitert werden. Die Besucherzahl stieg in dieser Zeit von 151.546 auf 1,247.745.

1945 ging auch das bis 1940 von einem Verein unterhaltene Bruckner-Konservatorium als selbständiges Landesinstitut in den Besitz des Landes über. Die 1959 und 1960 veranstalteten Wochen des Bruckner-Konservatoriums gaben jeweils einen erfreulichen Rechenschaftsbericht über die vielfältigen Leistungen, die dort im Geiste des „Musikanten Gottes“ erzielt werden.

Seit kurzem stehen nun auch dem seit 1953 als Landesanstalt betriebenen (seit 1945 mit gleich hohen Subventionen von Land und Stadt erhaltenen) Linzer Landestheater zwei neue Häuser zur Verfügung. Der mit einem Kostenaufwand von 45 Millionen Schilling erfolgte Neubau brachte nicht nur die so wünschenswerte Erhöhung der Sitzkapazität auf insgesamt 1069, sondern auch eine grundlegende Verbesserung und Erweiterung sämtlicher Betriebsanlagen wie Garderoben, Probesäle, Magazine, Werkstätten usw., vor allem aber auch der Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr wie Couloirs, Garderoben u. dgl. Die beiden Häuser mit ihrer modernen Ausstattung bieten die Gewähr, daß das Theater auch weiterhin ein wichtiger Kulturfaktor im Lande bleibt, und sie eröffnen damit für die Zukunft hoffnungsvolle Perspektiven.

Bleibt noch zu sagen, daß Oberösterreich auch auf dem Gebiete des Schulwesens beträchtliche Anstrengungen gemacht hat. In Erkenntnis der Wichtigkeit einer gediegenen Allgemeinbildung und einer entsprechenden fachlichen Ausbildung hat das Land nicht nur den Bau neuer Volks-, Haupt- und Berufsschulen oder die bauliche Umgestaltung älterer Schulobjekte mit bedeutenden finanziellen Mitteln gefördert, sondern selbst Fachschulen errichtet, namhafte Beträge an Lernbeihilfen zur Verfügung gestellt und die Lehrerfortbildung tatkräftig unterstützt. So wurden von 1945 bis heute 425 Elementarschulen neu errichtet bzw. umgebaut oder durch Zubauten erweitert. Ferner entstanden drei neue Landwirtschaftsschulen und eine landwirtschaftliche Haushaltungsschule. Eine aus Bundes- und Landesmitteln erbaute landwirtschaftliche Mädchenmittelschule steht vor der Vollendung. Die übrigen vier Landwirtschaftsschulen und zwei Haushaltungsschulen wurden den modernen Erfordernissen entsprechend ausgebaut und eingerichtet. Auf dem Sektor der gewerblichen Berufsschulen wurden die bis 1955 größtenteils als „allgemeine gewerbliche Berufsschulen“ ohne berufliche Differenzierung geführten Ausbildungsstätten für die Lehrlinge verfachlicht. Gegenwärtig gibt es in Oberösterreioh 20 gewerbliche Berufsschulen, die nach den verschiedenen Berufsgruppen der gewerblichen Wirtschaft gegliedert und spezialisiert sind und 15 kaufmännische Berufsschulen. Seit 1945 hat das Land mit einem Kostenaufwand von 2,273.000 Schilling eine Fachschule mit Internat errichtet und seit 1959 fünf gewerbliche Berufsschulen neu gebaut, erweitert oder modernisiert. Die Kosten dieser Bauten belaufen sich auf 33,800.000 Schilling.

Wer heute durch das oberösterreichische Land fährt, wird feststellen, daß hier nunmehr alle in Natur und Geschichte verwurzelten Kräfte voll zur Entfaltung gekommen sind. Das bedeutet, daß Oberösterreich trotz mancher Verschiebungen und Veränderungen nicht vom richtigen Weg abgekommen ist.

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