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Industrie und Fremdenverkehr

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Kärnten hat sich in den Nachkriegsjahren in einem ähnlichen Aufschwung befunden wie die übrigen Bundesländer. Die große Nachfrage nach Rohstoffen, Halbfabrikaten und Energie der Nachkriegszeit verhalf der Holzwirtschaft, der Papierindustrie und dem Kärntner Bergbau zu starkem Aufschwung, Hand in Hand ging die Ankurbelung der Bauindustrie. Als zweite Welle folgte der weitgehend unvermutet eintreffende Touristenansturm; mancherorts fehlte es an der nötigen Infrastruktur.

Diese Entwicklung verdeckte mit ihrer Sogwirkung auf Kapital und Arbeitskräfte weitgehend den Bedarf nach wachsenden Industriezweigen, wie etwa Chemie, Feinmechanik und Elektrotechnik, mit denen erst ein höheres Einkommensniveau auf Dauer erreicht werden könnte; obwohl erwähnt werden muß, daß sich regionale Einkommensunterschiede oft allen Maßnahmen zum Trotz sehr lange erhalten können.

Allein die Verkehrslage trifft Kärnten ungünstig, etwa die starke Abschließung des Landes nach Norden, die sich unter anderem auf den Winterfremdenverkehr abwürgend auswirkt. Dazu kommen die wesentlich höher als in der benachbarten Steiermark liegenden Stromkosten. Im Volkseinkommen je Einwohner 1961 (zu Preisen von 1952) liegt Kärnten an siebenter Stelle, nur Niederösterreich und Burgenland stehen schlechter. Bemerkenswert ist auch, daß die ärmsten Bundesländer auch die geringsten Zuwachsraten aufweisen und damit zurückfallen. Man wird, um dieses Entwicklungsgefälle zu mildern, zu noch stärkeren regionalpolitischen Maßnahmen, speziell in den Entwicklungsgebieten greifen müssen. Am Bruttoproduktionswert der österreichischen Industrie ist Kärnten mit rund 4,5 Prozent beteiligt. Den stärksten Anteil daran hat mit 15,6 Prozent die Papiererzeugung und mit je 13,9 Prozent Chemie und Bergbau. Nebenbei lag die Steigerung des Bruttoproduktionswertes in Kärnten knapp über dem für die Industrie im österreichischen Durchschnitt geltenden Werten.

Kärntens Wirtschaft beruhte schon zur Mitte des vorigen Jahrhunderts neben der Landwirtschaft auf Bergbau und Holz, letzteres in seiner Bedeutung den Bergbau ab etwa Ende des vorigen Jahrhunderts bedrängend. Als drittes kam speziell nach dem zweiten Weltkrieg der Fremdenverkehr hinzu.

Kärntens Produktion war gekennzeichnet durch einen'geringen Veredelungsgrad. Der hohe' Veredelungsgrad mancher Produkte, wie der Büchsen aus Ferlach, ist eher als Ausnahme zu werten. Bei den neuen durch die „Gesellschaft zur Förderung der entwick- lungsbedürftigen Gebiete Kärntens“ begründeten Industriezweige ist man besonders bemüht, Produktion mit hohem Veredelungsgrad, exportorientiert und womöglich auch arbeitsintensiv, besonders für die Erhöhung der Frauenbeschäftigung (Kärnten liegt mit 31,4 Prozent Frauenanteil unter dem österreichischen Durchschnitt) zu gewinnen; als Erfolg wäre hier das Philips-Werk in Klagen- furt zu nennen.

Von 1961 bis 1963 betrug der Beschäftigten- zuwachs Kärntens 15 Prozent, dennoch liegt diese Ziffer unter dem Bundesdurchschnitt von 19 Prozent. Ursache dieser Diskrepanz: die Abwanderung vieler gerade der qualifizierteren Kräfte in andere Bundesländer oder ins westliche Ausland. Besonders stark ist Kärnten neben Burgenland von der Arbeitslosigkeit betroffen, wobei mehr als zwei Drittel davon dem Fremdenverkehrs- und Baugewerbe sowie der Land- und Forstwirtschaft entstammen. Dies ist auch der Grund für die starken jahreszeitlichen Schwankungen (unter anderem in Kärnten starkes Übergewicht des Sommerfremdenverkehrs) in der Arbeitslosenzahl. (Bandbreite: in Kärnten 21,6 Prozent gegenüber dem österreichischen Durchschnitt mit 6,8 Prozent.) Vielleicht könnten hier nach oder gleichzeitig -mit entsprechender Ansiedlung neuer Industrien Fremdarbeiter saisonal herangezoigen werden und die Einheimischen mehr in die sadsonunabhängigen Zweige gelockt werden. Man muß aber betonen, und dies gilt für ganz Österreich, — Kärntens Volkseinkommen pro Kopf lag 1963 um 16 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt, daß es in Zukunft bereits schwierig sein dürfte, wegen des niedrigen Lohnniveaus, ausländische Arbeitskräfte zu verpflichten, außer jugoslawische Gastarbeiter in den Grenzgebieten. Jedenfalls dürfte sich in der Hochsaison, als die der Sommer angesehen wer den kann, eine Ausdehnung des Arlbeits- kräftepotentiäls durch Einstellung von Ausländem zur Ausschöpfung der Produktionsmöglichkeiten günstig auswirken und nicht die oft von Anbeitnehmerseite befürchtete Lohn- niveaubeeinflussunig verursachen..

Was die Betriehsgrößenstruktur betrifft, so betrug 1948 die durchschnittliche Betriebsgröße in Industrie und Gewerbe in Kärnten acht Beschäftigte und erhöhte sich bis zum Jahne 1961 auf zehn. Im Handel betrug 1948 die durchschnittliche Betriebsgröße nur 3,5 Arbeitnehmer pro Betrieb, die sich bis 1961 auf 5,2 steigerte.

Die vom jeweiligen Wirtschaftszweig abhängige kritische Betriebsgröße für Neuerungen dürfte in Kärnten von eher wenigen Betrieben erreicht werden. Kärnten leidet unten ausgesprochenen Strukturmängeln (zum Beispiel in der Holzwirtschaft) mit strukturellen Investitionsschwächen. Der Mehrzahl der Betriebe fehlt es an Kapital für den Ausbau und die Erweiterung, ebenso wie für die Modernisierung, ganz zu schweigen von eigenen Weiterentwicklungen, auch fehlt oft die nötige Markttransparenz und Möglichkeit der Absatzplanung. So sind viele Betriebe auf die entsprechenden Informationen der Maschinenlieferanten angewiesen, deren Zielsetzung aber auch nicht die der Betreuten sein muß. Eine enge Zusammenarbeit mit der Handelskammer und den österreichischen Handelsdelegierten könnte hier ebenso helfen, wie Informationen durch Spezialmessen (besonders für die holzverarbeitende Industrie).

Auch für den etwa mit einem Zwölftel am Aufkommen des Kärntner Volkseinkommens beteiligten Fremdenverkehr gilt es, sich Übersicht über den Markt zu verschaffen und wenn nötig die Nachfrageseite zu beeinflussen. Durch seine Aufsplitterung in viele Teilmärkte hat dieser Wirtschaftszweig an Markt- trainsparenz sogar alhgenommen. Zu beachten ist hier, daß der Fremdenverkehr seinen Luxusbedarfscharakter eingebüßt bat, ebenso wäre der starke Multiplikatoreffekt, der von diesem Wirtschaftszweig ausgeht, Grund genug, denselben zu fördern, besonders auch durch eine entsprechende Werbung, wendet doch Österreich hierfür nur 27 Millionen Schilling auf dm Gegensatz zur Schweiz mit

59 Millionen Schilling und Griechenland mit 48 Millionen Schilling, um Länder ähnlicher Größe zu nennen.

Kärnten obliegt es hier vor allem, durch entsprechende Maßnahmen den Wdnterfreim- denverkehr zu gewinnen, und damit größere Ausnützung der Einrichtungen zu .gewährleisten.

Für Kärnten stellt sich die Frage nicht: Fremdenverkehr oder Industrieneugründung, sondern sowohl Ausbau des ersteren durch die Gewinnung der zweiten Saison und Förderung überlebensfähdtger heimischer Wirtschaftseinheiten als auch Neugründungsanregung. Als ausländisches Vorbild kann Irland geilten.

Räumlich dürfte es günstig sein, Industrie und Fremdenverkehrsgebiete zu trennen. Die bereits seit Ende des zweiten Weltkrieges feststellbare Konzentration der Industrien um die Schwerpunkte Klagenfurt und Villach ist in letzter Zeit besonders bei Klagenfurt fortgeschritten. Klagenfurt ist an den Industriegründungen seit 1958 mit 1327 Beschäftigten oder 52 Prozent beteiligt.

-Es dürfte auch wirtschaftlich zu empfehlen sein, trotz der sozialen Probleme, die daraus erwachsen, den Industrieausbau schwerpunktweise durchzuführen, mit allen für den Unternehmer daraus entstehenden Vorteilen der besseren Verkehrs- und Kommunikations- möglichkedten. Es könnten dann immer noch arbeitsangebotsorientierte Zweigbetriebe in den nicht vom Fremdenverkehr .betroffenen Randgebieten begründet werden. Jedenfalls dürfte das Pendlerwesen wie in der Vergangenheit weiter zunehmen, die Abwanderung aus der Agrarwirtschaft und Holzwirtschiaft sich aber eher verlangsamen. Die prozentuelle Abnahme der Beschäftigten 1958 bis 1965 betrug in Land- und Forstwirtschaft 41,8 Prozent, Holz 26,1 Prozent, Textil 23,0 Prozent und im Bergbau 6,5 Prozent, die höchste Zunahme verzeichnete im gleichen Zeitraum Metall mit 50,3 Prozent, Chemie mit 33,3 Prozent, Gastgewerbe mit 46,2 Prozent und Handel und Verkehr mit 37,8 Prozent. Für die Zukunft ist zu wünschen, daß die nötige Strukturbereinigung der Kärntner Wirtschaft gefördert wird, und die Kapitalbeschaffung auch in den nicht als Entwicklungsgebiete definierten Bereichen Kärntens erleichtert wird, ebenso sei noch die Bedeutung der sozialen Infrastruktur genannt mit ihrer langfristigen Wirkung auf das wirtschaftliche Wachstum eines Gebiets.

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