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Der Alarm wurde ernst genommen

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Traditionsverbunden war Kärntens Wirtschaft. Die Krise im Fremdenverkehr und starker internationaler Wettkampf erfordern neue Wege.

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Traditionsverbunden war Kärntens Wirtschaft. Die Krise im Fremdenverkehr und starker internationaler Wettkampf erfordern neue Wege.

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Seit 1991 haben wir laufend eine negative Entwicklung”, umreißt Gert Hofer von der Kärntner Wirtschaftskammer das Problem der Kärntner Industrie. Produzierte Kärntens Industrie 1990 Waren im Wert von 45 Milliarden Schilling, so waren es 1993 nur noch 43,3 Milliarden Schilling. Unerfreulich entwickelte sich demgemäß der Arbeitsmarkt: „Durch die Rezession am Beginn der neunziger Jahre haben wir etliche Arbeitsplätze in der Industrie verloren”, zieht Hofer eine ernüchternde Bilanz: Waren 1989 noch 35.000 Menschen in Kärntens Industrie beschäftigt, so arbeiteten 1993 nur noch rund 30.000 in der Industrieproduktion.

Die Alarmsignale waren unübersehbar. Die Kärntner Landesregierung beauftragte das Wirtschaftsforschungsinstitut, den Status quo zu untersuchen und Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Im Jänner 1992 legte Gerhard Palme vom Wifo das vierbändige Werk „Wirtschaftskonzept Kärnten” vor.

Die Kärntner Betriebe zeigten sich damals als ausgesprochene Innovationsmuffel. Nur dreizehn Prozent der Industriebetriebe bauten ihre Konkurrenzfähigkeit auf Forschung und Entwicklung. Selbst für Betriebe, die innovative Produkte herstellten, vertrauten mehr auf ihre Erfahrung: 44 Prozent der befragten Betriebe dieser Gruppe hielten Forschung und Entwicklung für unbedeutend. Nur wenige Betriebe stellten Produkte mit mikroelektronischen Bauteilen her.

In Kärnten gaben mehr Betriebe an, neue Produkte und Herstellungsverfahren zu entwickeln. Auch fließen die Entwicklungsarbeiten gezielter in neue Produkte ein und es werden auch mehr Produkte mit neuer Technik, sogenannte radikale Produktinnovationen, entwickelt.

Investierte im österreichweiten Durchschnitt ein Betrieb 2,2 Prozent seines Umsatz in Forschung und Entwicklung, so haben Kärntens Betriebe dafür nur 0,85 Prozent übrig. Auch die Mittel pro Innovation sind geringer: Ein Kärntner „innovativer Betrieb” steckt mit 7,4 Millionen Schilling nur halb so viel wie im Österreich-Durchschnitt in Innovationen. Noch krasser ist der Unterschied der Innovationsaufwendungen pro eingeführter Neuerung: Ein-dreiviertel Millionen Schilling im Österreich-Durchschnitt standen bloß eine Viertel Million in Kärnten gegenüber.

Ein gespaltenes Bild der Kärntner Wirtschaft zeichnet Professor Hans-Joachim Bodenhöfer von der Universität Klagenfurt in einer Umfrage im Auftrag der Industriellenvereinigung. Während die traditionellen Betriebe wie etwa in der Papier- und Holzindustrie sich mit der wirtschaftspolitischen Situation zufrieden zeigten, waren Betriebe der Elektro- und Metallbranche sehr unzufrieden. Über drei Viertel der Unternehmer der Metall- und Elektroindustrie bewerteten ihren Kärntner Standort in Hinblick auf im Umland zur Verfügung stehende Zulieferbetriebe, der Verfügbarkeit von technischen Dienstleistungen und dem Vorhandensein von High-Tech-Betrieben als negativ.

Die Schwächen der Kärntner Industrie waren besonders schmerzlich, weil das klassische Zugpferd, der Fremdenverkehr, an die Grenzen des Wachstums stieß. Gilbert Waldner von der Industriellenvereinigung beklagt: „Es gab einen großen Überhang in der Fremdenverkehrsförderung. Man ist mit der Gießkanne spazieren gegangen.” Die Förder-

skandale um die mißglückten Sanierungsversuche um die Papierfabrik in St. Magdalen haben ihr übriges getan: Die Wirtschaftsförderungen wurden neu konzipiert und aus der Landesregierung ausgegliedert.

Vor zwei Jahren nahm der „Kärn-ter Wirtschaftsfonds” seine Arbeit auf. Er soll mehr Fachwissen in die Förderpolitik bringen. Bemühungen um Betriebsansiedlungen werden von der „Kärntner Betriebsansiedlung” unterstützt. Das Budget für Wirtschaftsförderungen beträgt heuer 350 Millionen Schilling.

Eine erste Fachhochschule in Spittal bietet im Herbst Lehrgänge „Bauwirtschaft” und „Elektronik” an. Damit soll die Abwanderung der ausbildungshungrigen Jugend nach Wien gebremst werden. Bislang wanderten viele qualifizierte Kärntner ab, weil es keine Bildungsmöglichkeiten gab.

Kärnten will sich auf die Bereiche Energie und Umweltschutz spezialisieren. Gert Hofer von der Wirtschaftskammer sieht den Grundstein

für die neue Ausrichtung darin, daß die Abwässer Kärntens dem Fremdenverkehr zuliebe nur noch gereinigt in die Flüsse und Seen gelangen: „Dieses Know-How setzen wir nun in der Wirtschaft um.” So werden in Kärnten vollbiologische Kläranlagen hergestellt, weil bei nur geringer Besiedlung eine Kanalisation zu teuer kommt. Die Kärntner Elektrizitätsgesellschaft KELAG gewinnt aus der ersten Photovoltaikwand Österreichs Strom für mehrere Haushalte. Eurotron hat ein Gerät zur Ortung undichter Stellen in Kunststoffrohren entwickelt. Windmühlen, Kraft-Wärme-Kopplung und andere Alternativenergien werden entwickelt.

Neue Firmen erhalten Starthilfe im Technologiepark Klagenfurt (TPK), im Gründer-, Innovationsund Gewerbezentrum Völkermarkt (GIG) und im Gründer- und Innovationszentrum Dreiländereck (GIZ).

Gilbert Waldner zollt der Landesregierung Lob: „Die Regierung hat

durch die Neustrukturierung Mut gezeigt und die Arbeit an Leute weitergegeben, die ihr Handwerk verstehen.” Das war auch notwendig: In der Umfrage von Rodenhöfer rangierte unter den Standortnachteilen die „politische Einflußnahme” an prominenter fünfter Stelle weit vor „Infrastrukturmängel”, „Fachkräf temangel” und „starke internationale Konkurrenz”.

Im vergangenen Jahr zeigte sich erstmals Licht am Ende des Tunnels: Die Zahl der in der Industrie ße-schäftigten stieg auf 32.000 an, die Maschinenbau- und Elektroindustrie investierte wieder mehr und auch am Bau wurde mehr gearbeitet.

In Kärnten werden zwar allerorten „klare Ziele” gefordert, doch Wirtschaftsforscher Gerhard Palme warnt vor schnellen Hoffnungen: „Den innovationspolitischefl1 Meilenstein der Weisen, der einen großen Sprung nach vorne ermöglicht, gibt es kaum. Kärnten kann nicht von heute auf morgen zu einer High-Tech-Region werden.”

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