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Kultur und Wirtschaft im Schnittpunkt dreier Völker

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FURCHE: Herr Landeshauptmann, viele Jahre hat man mit dem Bundesland Kärnten gedanklich nicht nur eine schöne Landschaft und den Fremdenverkehr, sondern vor allem sehr tiefgehende Konflikte zwischen den Volksgruppen dieses Landes verbunden. Nun scheinen sich die Wogen doch etwas geglättet zu haben.

WAGNER: Es gibt die Drei-Parteien-Regelung, die ja immerhin dafür Sorge getragen hat, daß es zum ersten Mal in der Geschichte der demokratischen Republik Rechte für die Slowenen

Landeshauptmann Leopold Wagner (links oben), Blick über die Dächer von Klagenfurt mit dem Landhaus im Vordergrund (rechts oben), Bildstock in Dreulach, Bezirk Villach (oben), der berühmte Herzogstuhl (rechts).

Photos: Swoboda (2) und Maierbrugger (1)

gibt; und zwar ganz eindeutig festgelegte Rechte. Die drei Parteien vertreten sogar den Standpunkt, daß mit dieser Gesetzwerdung der Vorstellungen der Parteien eigentlich der wesentliche Schritt zur Befriedung vollzogen wurde.

FURCHE: Ist für Sie persönlich mit der Volksgruppengesetzgebung der umstrittene Artikel 7 des österreichischen Staatsvertrages erfüllt?

WAGNER: Ja.

FURCHE: Da Sie bei der Bevölkerung - im Gegensatz zu Ihren Amtsvorgängern -auch als praktizierender Katholik bekannt sind, wäre es interessant, Ihre Einschätzung der Rolle der Kirche in der Volksgruppenpröblema-tik kennenzulernen.

WAGNER: Es ist so, daß die Kirchenbehörden, das Land Kärnten, die Parteien und der Koordinationsausschuß der Diözese dem gleichen Ziel verhaftet sind. Es gilt, von der Vernunft der Menschen ausgehend, das Zusammenleben der Volksgruppen positiv zu gestalten. In der Praxis wird natürlich nicht alles, was die einen „oben“ wollen, von den anderen „unten“ realisiert. Das führt dazu, daß man den Weg der Mitte, den alle beschreiten wollen, nicht immer durchsetzen kann.

Die Kirche hat freilich eine besondere Position. Es ist ihre Aufgabe, neben den politischen Kräften eine Vermittlerrolle zu spielen. Wobei es natürlich so ist, daß sie in zwei „Etagen“ tätig sein muß. Denn es gibt ja Pfarreien, die in vollkommen deutschsprachigen Gebieten, und andere, die in gemischtsprachigen Gebieten liegen. Wobei eine besondere Situation auch insoferne gegeben ist, als sehr viele Angehörige des Klerus aus Jugoslawien selbst stammen und daher auch vom Volkstum her eine enge Bindung zu ihrem Mutterland besitzen.

FURCHE: Im Jahre 1980 wird man in Kärnten sicher-

lich im Rahmen verschiedener Feiern der 60. Wiederkehr der Kärntner Volksabstimmung gedenken. Bei solchen Anlässen war in der Vergangenheit stets die Gefahr neuer Eskalationen gegeben. Wäre es nun nicht an der Zeit, solchen Feiern einen neuen Sinn, einen neuen Inhalt zu geben, um das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen?

WAGNER: Was die Sinngebung anbelangt, haben wir schon alles unternommen, um zu erreichen, daß das Fest den Charakter der Versöhnung zum Inhalt hat. Bedauerlicherweise ist es nur so, daß es bisher nicht geglückt ist, daß alle an der Gestaltung der Feiern mitgewirkt haben. Es war also leider so, daß die Slowenen, die Einladung, mitzuwirken, immer ausgeschlagen haben.

FURCHE: Sehen Sie die weitere Entwicklung der

Volksgruppenproblematik optimistisch und glauben Sie, daß eines Tages die Versöhnung realisiert sein, der Volksgruppenstreit der Vergangenheit angehören wird?

WAGNER: Ich glaube, daß die Kärntner Bevölkerung auch in der Zukunft wie in der Vergangenheit mit diesem Problem leben wird müssen. Ich glaube auch, daß von den Kärntnern mehr Demokratiebewußtsein verlangt wird als von den Bewohnern in den anderen Ländern, in denen es diese Probleme nicht gibt. Es ist heute unbestreitbar so, daß alle extremen Standpunkte von der Mehrheit der Bevölkerung schon abgelehnt werden. Es ist also die Hoffnung angebracht, daß das Problem nach und nach etwas mehr in den Hintergrund treten wird. Es wäre aller-• dings verfehlt, anzunehmen, daß das Problem einmal überhaupt und ganz beseitigt sein wird, denn eine Minderheit und eine Volksgruppenführung muß ja auch schauen, daß sie mit den Mitteln, die ihnen gegeben sind, im Gespräch bleibt. Es kann auch nie ein Zustand der totalen Zufriedenheit erreicht werden. Das wäre allzu optimistisch. Aber immerhin wird es zu einem erträglichen Nebeneinander und Miteinander kommen.

FURCHE: Wie in den meisten Bundesländern sind auch in Kärnten alle Parteien in der Landesregierung anteilsmäßig vertreten. In Klagenfurt wiederum existiert eine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ. Wie beurteilen Sie die verschiedenen Sandkastenspiele auf Bundesebene, die auf eine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ abzielen?

WAGNER: Ich bin ein strikter Anhänger eines Prinzips, das den demokrati sehen Normen Gerechtigkeit widerfahren läßt. Ich meine daher, daß jeweils die stärkste Partei federführend, in Erscheinung treten soll, wenn es gilt, Koalitionen zu bilden.

FURCHE: Halten Sie eine FPÖ unter Alexander Götz für demokratisch genug, Regierung sver antwortung mitzuübernehmen?

WAGNER: In diese inner-österreichische Diskussion mische ich mich vorerst nicht ein.

FURCHE: Herr Landes-

hauptmann, die wirtschaftliche Läge in Ihrem Bundesland ist nicht gerade rosig. Die Entwicklung des Sommerfremdenverkehrs läßt seit einigen Jahren zu wünschen übrig; Kärnten hat auch eine relativ hohe Arbeitslosenrate.

WAGNER: Fremdenverkehr und Arbeitslosigkeit hängen sehr eng zusammen. Wir haben einen überdimensionierten Sommerfremdenverkehr, dem nichts Gleichrangiges im Winter gegenübersteht. Wir brauchen also im Sommer viele tausend Leute, die im Fremdenverkehr tätig sind. Und es ist im Laufe der letzten Jahre möglich gewesen, im Zusammenhang mit der großartigen Aufwärtsentwicklung des Kärntner Fremdenverkehrs, diese Arbeitskräfte auch aus dem Lande heraus zu rekrutieren. Viele dieser Leute streben im Winter eine Arbeit gar nicht an. Das ist das eine.

.Das zweite Problem ist, daß wir eine Bauwirtschaft haben, die 33 Prozent des österreichischen Baupo-

tentials in sich birgt. Die Bauwirtschaft kann aber auch nur im Sommer arbeiten, woraus sich ergibt, daß auf Grund dieser Stärke der Bauwirtschaft in Kärnten insgesamt eine etwas größere Arbeitslosigkeit zu registrieren ist als in anderen Bundesländern, wobei ich sagen muß, daß die durchschnittliche Zahl der Arbeitslosigkeit in den letzten zehn Jahren genau um die Hälfte zurückgegangen ist.

Eines muß noch gesagt werden: Daß über den Fremdenverkehr insgesamt viel zu viel geschimpft wird. In Wirklichkeit hat er eine einmalige Aufwärtsentwicklung genommen. Weil wir haben ja vor 20 Jahren praktisch aus dem Nichts heraus eine Industrie aufgebaut, die heute über 200.000 Betten anbietet. Es ist daher nicht richtig, daß man über den Kärntner Fremdenverkehr immer viel Negatives auszü- j sagen weiß und das Positive nicht; und die hohen Preise, das muß auch ausgesprochen werden, das begleitet uns ja, das ist ein Ammenmärchen, das stimmt nicht.

FURCHE: Wie wird sich der heurige Sommer entwik-keln?

WAGNER: Im Winter hatten wir enorme Zuwachsraten, aber der Winter fällt halt nicht so ins Gewicht. Für den Sommer ist es so, daß wir feststellen können, daß die Anmeldungen bisher viel besser laufen als in den vergangenen Jahren, und wir müssen auch feststellen, daß auch viele Betriebe jetzt schon einen ganz guten Belag haben. Interessanterweise die großen Betriebe am Wörther See weniger, aber die kleineren sind jetzt schon zum Teil bis zu 30 und 40 Prozent besetzt. Einige sind von Pfingsten bis Oktober ausverkauft.

FURCHE: Welcher Aspekt Ihrer Regierungsarbeit macht Ihnen die meiste Freude?

WAGNER: Das ist'sehr schwer zu beantworten, weil ich ein Totalengagement bevorzuge.

Das Gespräch mit Landeshauptmann Leopold Wagner führte Alfred Grinschgl.

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