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Sonderfall Kärnten

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Nur wenige Tage trennen uns i noch von jener politischen Ent- !Scheidung in Kärnten, die für eine i weitere Legislaturperiode darüber bestimmen wird, wer in den Land-“,laushof in Klagenfurt einziehen soll. ' 316.044 Männer und Frauen, um 12.973 Wahlberechtigte mehr als bei ien letzten Landtagswahlen im Jahre 1960, werden die Weichen für äie Landespolitik der kommenden i Jahre stellen. Das war der Stand 1 im Wählerverzeichnis, das am 1 22. Jänner zur Einsichtnahme auf- !gelegt wurde. Was sind nun die Faktoren, die dazu geführt haben,daß dieser Entscheidung im Lande < solche Bedeutung beigemessen wird?

Kärnten als Grenzland, Kärnten als Nachbar Jugoslawiens und Italiens nahm im politischen Leben schon seit den hier besonders spürbaren Geburtswehen der Ersten Republik eine Sonderstellung ein. Mit dem benachbarten Friaul und dem benachbarten Slowenien verbindet Kärnten heute eine nur noch von wenigen anachronistischen Elementen scheel angesehene aufrichtige Freundschaft. Das war nicht immer eine Selbstverständlichkeit Historische Gegebenheiten haben aber auch dem politischen Leben des Landes ihr Siegel aufgedrückt. Es sei hier nur auf das relativ starke, aber immer mehr an Einfluß verlierende deutschnationale Element, es sei auch auf die starke sozialistische Bewegung hingewiesen, die wir mutatis mutandis mit Hegel als Antithese zu nationalen Umtrieben ansehen dürfen. Auch das christlichbürgerliche Element im Land, vor allem das Bauerntum, ist auch heute noch mit national-deutsch verbrämten Parolen irgendwo ansprechbar. Alle diese Dinge sind wichtig, will man das politische Antlitz des Landes seit 1945 richtig verstehen.

Mit Kriegsende zog eine starke sozialistische Fraktion in den Landtag ein. Bei insgesamt 36 Landtagssitzen konnten die Sozialisten, denen bei den letzten Wahlen 18 Mandate zufielen, mit Hilfe des einzigen kommunistischen Mandats Mehrheitsbeschlüsse fassen. So kam es zur Auflösung und Zusammenlegung mehrerer Gemeinden, die, wie man sagte, nicht lebensfähig waren. In der Sozialistischen Partei lebte bis vor kurzem noch ein Rest von jener im 19. Jahrhundert erblühten Kulturkampfstimmung. An Gegensätzen hat es in diesem Land nie gemangelt. Es sind Gegensätze nationaler und weltanschaulicher Art. Daß sie sich heute abzuschleifen beginnen, dürfen wir als ein Plus buchen.

Nun stehen die Sozialisten vor der Wachablöse. Die „Kärnten-Illu-strierte“, die, als Auftakt des Wahlkampfes mit Druckerschwärze und Color-Bildern, den Kärntner Haushalten auf den Tisch flatterte, zeigt auf der letzten Seite Landeshauptmann Wedenig im historischen Wappensaal, wie er dem Landeshauptmann in spe, Hans Sima, die Hand drückt. Begegnung der Generationen, Wachablöse im Zeichen der Fortführung ererbter Traditionen. Gerade der Abgang Wede-nigs, dies wurde bereits im „Furche“-Querschnitt „Entscheidung in Kärnten“ vom 16. Jänner apostrophiert, dürfte den Wahlkampfstrategen einiges Kopfzerbrechen bereiten, war er doch allgemein, besonders aber bei den Slowenen, dem zweiten Volksteil im Lande, populär und beliebt. Korruptionsskandale taten das Ihre, um den Ruf der Partei zu schädigen. Bezeichnend für die Sozialisten wie auch für die zweite Regierungspartei, die österreichische Volkspartei, ist, daß man zwei Eisen im Feuer hat. Ist das in Kärnten bereits zur Tradition geworden? Man wirbt um die Gunst der Kärntner Slowenen; trotzdem aber waren auch die Bemühungen der sozialistisch orientierten Slowenen, einen eigenen Kandidaten an aussichtsreicher Stelle auf die SPÖ-Kandidatenliste zu bringen, nicht von Erfolg gekrönt; er wurde lediglich an 26. aussichtsloser Stelle gereiht. Daneben aber versteht man es, die Krise, in der sich die Kärntner FPÖ befindet, geschickt für den Stimmenfang vor allem in Arbeitnehmerkreisen auszunützen. Den sozialistischen Hofflungen auf die Erringung eines L9. Mandates aber geben politische Astrologen trotz allem nicht viele Chancen.

Während die Sozialisten ihre Kan-lidatenliste erst später veröffent-icht haben, geschah dies von seiten ler Kärntner Volkspartei schon lach dem Delegiertentag am 4. Fe-iruar, den Landesparteiobmann Bundesminister Schleinzer leitete. Hierauf wurde von der Landesparteileitung die Reihung vorgenommen. Sehr lautstark wurde in diesem' Forum die Erreichung des 13. Mandates angekündigt. Dieses 13. Mandat ist nicht eines wie jedes andere. Es würde die sozialistischkommunistische Mehrheit im Lande brechen und so den Weg für einen nichtsozialistischen Landeshauptmann freigeben. Außerdem müßte dieses Mandat der Volkspartei das dritte Regierungsmitglied einbringen.

Kärnten braucht uns — wir sind bereit! Das war der Tenor des sehr optimistischen Delegiertentages. Deutlich zeichnen sich bereits die strategischen Grundsätze des Wahlkampfes ab! Die Pfeile sollen vor allem dem sozialistischen Lager Schaden zufügen, darf man doch die Freiheitlichen nicht vergrämen, Denn nur mit ihrer Hilfe würde man, sollte man das 13. Mandat erreichen, den Landeshauptmann stellen können. Des weiteren ist dies aber Ausdruck einer Geisteshaltung die einer etwas schmerzlichen, abei notwendigen Operation bedarf. Di national-liberalen Kreise in dei Volkspartei sind so stark, daß sie ir bedeutendem Maß auch in dei Reihung der ersten 13 Kandidater zum Ausdruck kommen. Unter inner gibt es zumindest fünf, die den deutsch-nationalen Lager äußers' freundlich gegenüberstehen, soferr sie nicht überhaupt aus diese] Geistesrichtung kommen. Unter diesen Aspekten scheint es verständlich, daß aufrichtige und den slowenischen Wünschen offene Politikei den Wunsch der christlichen Slowenen, einen Kandidaten deren Vertrauens an aussichtsreiche Stelle zi reihen, nicht durchsetzen konnten Auch an 14., also aussichtslose: Stelle, konnte der Kandidat nich gereiht werden. Man hat den Eindruck, daß die Kärntner ÖVP ers um ihr geistiges Antlitz ringt. Bei dei Gesprächen, die seit einem halben Jahr zwischen Vertretern der Kärntner Volkspartei und der christlichen Slowenen geführt wurden, wurde des öfteren betont, daß es um mehr gehe als um eine billige Rechnung mit Stimmgewinnen und Stimmverlusten; es gehe um die Verwirklichung jenes Geistes von Straßburg — wie wir ihn nennen möchten —, den Bundeskanzler Klaus unlängst verheißen und als notwendig betont hat. Das Modell Kärnten müßte in ausreichendem Maß Gelegenheit bieten, solche Grundsätze zu verwirklichen.

Am Samstag, 6. Februar, versammelten sich in Klagenfurt an die hundert Vertrauensmänner des Rates der Kärntner Slowenen aus ganz Südkärnten, um eindeutige Beschlüsse bezüglich des Verhaltens bei den Landtagswahlen zu fassen. Da von der ÖVP auch die aussichtsreiche Kandidatur eines Slowenen, der zudem langjähriges ÖVP-Mit-glied und Ortsparteiobmann ist, abgelehnt worden war und in vielen Jemeinden ehemalige Anhänger des Jationalsozialismus ihre Pöst-hen bekleiden, kam eine Wahl-mpfehlung für die Volkspartei licht zustande. Einhellig wurde be-chlossen, bei den Landtagswahlen nit einer eigenen Liste zu kan-lidieren. Der Spitzenkandidat der Kärntner Wahlgemeinschaft“ ist ler Vizebürgermeister von Bleiburg, Wirfco Kumer, ein Mann, der allsei-iges Vertrauen genießt.

Das Hauptgewicht des Wahlcampfes der „Kärntner Wahlgemein-ichaft“ liegt in der Betonung des riedlichen Nebeneinanderlebens beiler Volksteile, der Hervorhebung ler spezifischen Eigenheiten Kärn-ens und des Sendungsauftrages Österreichs beim Aufbau der mropäischen Gemeinschaft und ler Durchsetzung echt-christlicher Grundsätze im öffentlichen Leben. Dieser Schritt der Slowenen, selbständig zu kandidieren, hat bei der Ifolkspartei, so kommentieren die rageszeitungen, Enttäuschung ausgelöst, da damit das 13. Mandat licht mehr so gesichert ist wie vorher.

Die Rolle einer durch viele Initiativanträge gekennzeichneten Opposition spielen die Freiheitlichen auf den Landtagsbänken. Es ist dies jene Partei, die von der Bundesebene her durch die immer noch nicht geschwundenen Schatten der Olah-Krise und der damit zusammenhängenden Frage der Kleinen Koalition am meisten betroffen sein dürfte. Es ist allgemein bekannt, daß die Führung der Kärntner Freiheitlichen in puncto Olah-Million einen eindeutig antisozialistischen Standpunkt eingenommen hat. Es ist aber auch bekannt, daß in dieser Partei Kräfte am Werk waren und sind, die dieses Spiel gutheißen. Man nennt hier vor allem den Namen des inzwischen aus der Partei ausgeschlossenen Ing. Moser. Neue Nahrung erhielt dieses schwelende Feuer durch die von der Tagespresse eifrig und wiederholt kolportierte Tatsache, daß Ing. Moser mit dem präsumtiven Wedenig-Nach-folger Sima verschwägert ist, daß also neben politischen auch persönliche Interessen vorhanden sind. Inzwischen ist es zu anderen Ausschlüssen und vor allem zahlreichen Austritten aus der Partei gekommen. Mit diesen Ausschlüssen hat man vor allem Arbeitnehmerkreise brüskiert.

All das und manches andere hat dazu beigetragen, daß die freiheitlich-deutschnationale Partei im Lande kein geistiges Profil und Programm hat. Ihr Wochenblatt erschöpft sich in Polemiken und „Grenzland - sei - wachsam“-Hysterie, obwohl jeder Mensch weiß, daß das Grenzland heute ganz und gar nicht gefährdet ist. Kärnten verbinden mit Slowenien gutnachbarliche, mehr: freundschaftliche Beziehungen; im Kärntner Landtag steht der Kulturaustausch, der vor wenigen Jahren noch ein Zankapfel erster Ordnung war, nicht mehr zur Diskussion. Der bevorstehende Besuch unseres Bundeskanzlers Klaus im Nachbarland wird die Basis freundschaftlichen Dialogs sicher noch erweitern und verbreitern.

Man ist verleitet, in Kärnten einen politischen Sonderfall zu sehen. In gewissem Maß ist es das auch. Die schärfer als anderswo ausgeprägten Gegensätze wurzeln in einer besonders gearteten Vergangenheit. Die Tatsache, daß die Sozialisten auf die Schützenhilfe des einzigen kommunistischen Landtagsmandats angewiesen sind, trägt das Ihre zur Versteifung der Fronten bei.

Am 14. März wird jeder auf seine Weise Kärnten zu nützen glauben. Im Wahlkampf, der heiß ist, weil er für eine — so scheint es — entscheidende Wahlschlacht geführt wird, würde man sich etwas weniger stereotype Anschuldigungen wünschen; sie rufen Unbehagen hervor. Möge das Tor, das sich nach den Wahlen zum Sitzungssaal im Kärntner Landtag öffnen wird, den Weg freigeben für eine bessere Zukunft des Friedens, der Eintracht, der Toleranz und der Gleichberechtigung. Diesen Kräften gehört die

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