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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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EIN UNGUTES SCHAUSPIEL rollte in der vergangenen Woche vor den Augen der österreichischen Oetlentlichkeit ab. Und nicht nur vor dieser.-Wir sprechen von der Kampagne gegen einen österreichischen G e n- darmerieoliizier, der 1945 in einer entscheidenden Stunde nicht nur persönlich mutig, sondern als auirechter Oesterreicher gehandelt hat. Daß Wien nicht das ihm von den abtretenden Machthabern des Dritten Reiches zugedachte Schicksal Budapests und Breslaus teilte, daß nicht die rauchenden Trümmer unserer Bezirke zum Grab vieler Zehntausender wurden — das ist bekanntlich jener Handvoll Männer zu danken, die dem drohenden Verderben in die Zügel fielen. Der Dank des Hauses Oesterreich? Seit Jahren sind die Ueberlebenden dieser Aktion versteckten, in den letzten Monaten oitenen Diskriminierungsversuchen ausgesetzt. Ein Buch erscheint in einem österreichischen Verlag, in dem unverblümt von dem „Verrat von Wien“ gesprochen wird. Erst nach einer persönlichen Anzeige und dringender Aufforderung nicht zuletzt durch die „Furche" entschließt sich die Staatsanwaltschatt zu einer Beschlagnahme. Monate vergehen, da bringt eine deutsche Illustrierte einen Räuberroman. Wieder fällt das Wort vom „Verrat von Wien“, ioigt der Verfasser der Darstellung des inkriminierten Machwerkes. Derselbe Vorgang wiederholt sich: der Staatsanwalt spricht sein Machtwort, die Behörden schweigen. Dann platzt ein Mittagsblatt mit jenem bekannten „Interview" bei Gendarmeriemajor Ferdinand Kaes heraus. Hierzu ist zu sagen: Wären verschiedene Redewendungen wirklich in einem regelrechten Interview geiallen — der Wahrheitsbeweis steht noch aus —, so könnte man sie nicht billigen. Allein es dürfte gerade unter Journalisten bekannt sein, was ein findiger Reporter aus jedem harmlosen Gespräch zu machen versteht — noch dazu, wenn es mit Leuten geiührt wird, die im Umgang mit einer gewissen Sensations- presse nicht geübt sind. Daß alte Soldaten ihre Worte außerdem in der Regel nicht auf die Goldwaage legen, dürfte vor allem den eifrigen Propagandisten von „08 15“ nicht neu sein. Aberdarum geht es ja inWirklich- ke i t gar nicht. Die Hauptstoßrichtung verfolgte ein anderes Ziel: Die Männer des österreichischen Widerstandes sollen in den Augen einer allzu vergeßlichen Bevölkerung als dubiose Charaktere dargestellt werden. Wenn es außerdem gelingt, sie in den Verdacht der Nachbarschaft zum Kommunismus zu bringen, um so besser! Der versteckte Konkurrenzkampf zweier Mittagblätter erweckte die bisher übertünchten Revanchegelüste geistiger Ueber- dauerer einer versunkenen Epoche. Wie diesem Treiben, ein Mann, der sieben Jahre Dachau hinter sich hat, die Mauer machen kann, ist nur schwer zu begreifen. Ebensowenig, wie ein Staatssekretär einen aui dem Höhepunkt des Kesseltreibens verfaßten indiskutablen offenen Brief eines Literaten, der, statt sich über den „Verrat“ anderer zu ereifern, bei diesem Wort gut täte, still an die eigene Brust zu klopfen, einer Antwort - würdigen kann. Uebrigens: Bedauerlich, daß er es seinem Kollegen von der anderen (politischen) Fakultät überlassen hat, das Notwendige zur Klarstellung zu sagen.

DR. ZECHNER, EINER DER FÜHRENDEN SCHULPOLIT1KER des österreichischen Sozialismus, sagte — wir zitieren wörtlich nach dem Hauptorgan der Partei — auf dem letzten Sonntag abgeschlossenen Sozialistischen Parteitag:

„Wir haben seit wenigen Tagen einen neuen Unterrichtsminister. Wenn er aufgeschlossener ist als sein Vorgänger, wird es vielleicht möglich sein, daß die Schulverhand- lungen wieder in Fluß kommen und vielleicht sogar abgeschlossen werden können. Wir werden in diesen Verhandlungen nicht kleinlich sein. Aber über eines muß von vornherein vollständige Klarheit herrschen: Weder eine offene noch eine versteckte Zerschlagung des öiientlichen Schulwesens kommt lür uns in Betracht. An der öiientlichen Neutralschule ist nicht zu rütteln! Alles übrige, was es sonst an Streitfragen geben mag, hat nicht den Charakter unüberbrückbarer Zwistigkeiten. Aber wir haben ein evidentes Interesse an einer guten Schule und guten Lehrern.“ (Lebhafter Beifall.)

Trotz der vorangestellten ungerechten Klausel und der nicht anders gearteten Zumutung, daß mit den von den österreichischen Katholiken erhobenen Schulforderungen eine „Zerschlagung des öflenilichen Schulwesens’ erstrebt sei, geben wir den angeführten Sätzen hier Platz, nicht um einen Vorhalt zu machen, sondern den guten Willen zu bezeigen, daß die Worte entgegenkommender Bereitschaft ernst genommen werden. Das weiterhin noch Notwendige werden unschwer die Taten erweisen können. Um den Preis freilich, den Minister Waldbrunner angedeutet hat, wird es nicht gehen, schon gar nicht, wenn er Purzelbäume schlägt und die sozialistische Arbeiterbewegung als „die größte und erfolgreichste Erziehungsorganisation der Welt’ bezeichnet, um unter sonstigen Kleinigkeiten den baldigen Anspruch auf das Unterrichtsministerium anmelden zu können.

DAS ERGEBNIS DER ARBEITERKAMMERWAHLEN kann man erst jetzt interpretieren. Im allgemeinen zeigen die Resultate die seit 1953 beobachtete Tendenz einer Verstärkung der Position der beiden Großparteien. Trotzdem sind die Wahlergebnisse für alle beteiligten Gruppen eine mehr oder minder große Enttäuschung gewesen. Die Wahlbeteiligung war denkbar schlecht und ein Zeichen des Mißtrauens der Arbeiterschaft gegenüber den Kammern, die lür sie mehrheitlich nur die Funktion eines Finanzamtes besonderer Art auszuüben scheinen. Wenn man die Entwicklung der beiden Großgruppen betrachtet, kann man teststellen, daß der Anteil der OeVP relativ etwas stärker gewachsen ist als jener der SPOe. Im allgemeinen zeigte sich jedoch, daß die ehemaligen VdU-Wähler in der Mehrheit sozialistisch wählten. In allen Bundesländern konnte die OeVP Fortschritte erzielen, ausgenommen Niederösterreich. Die besondere Lage in Niederösterreich, die schon vor den letzten Landtagswahlen Anlaß zu pessimistischen Prognosen der OeVP-Führung war, hat sich also im Stimmenergebnis der Arbeiterkammerwahlen deutlich’ ausgedrückt. Offensichtlich hängt die Absage eines Teiles früherer OeVP- Arbeitnehmer an die Partei mit der mehr als mangelhalten Vertretung der Arbeiterinter- essen im Bundesland zusammen. Man sehe sich einmal die Berufe der niederösterreichischen Landtagsabgeordneten der Volkspartei an, wobei man sagen muß, daß nicht jeder Arbeitnehmer im strengen Sinn ist, der als solcher firmiert. Dazu kommen noch Korruptionställe der letzten Zeit, die man der OeVP anlastet. Es wäre an der niederösterreichischen (und in einem gewissen Umfang auch an der burgenländischen) VP-Führung gelegen, ihre Stellung zur Arbeiterschaft einer Revision zu unterziehen. In diesem Zusammenhang muß bemerkt werden, daß die Fraktion Christlicher Gewerkschafter nicht jene Aktivität enttaltet und jenen Apparat auigebaut hat, der ihr, ihrer tatsächlichen Stärke nach, zukäme. Man scheint bei der Führung der Fraktion übersehen zu haben, welche Chancen heute in Oesterreich für die Aktivierung einer christlichen Gewerkschaftsbewegung (innerhalb des OeGBj gegeben sind. Hier erweist sich nun auch, daß die Gewerkschaftsfeindlichkeit vieler Christen ein Fehler war. Die Folge ist ein Proporz im OeGB und in der Arbeiterkammer, der groteske Ausmaße annimmt. Und noch eines: Die christlichen Gewerkschatter sind heute in unserem Land die einzigen, die ohne Bindung an Unternehmerinteressen die Belange der Arbeiterschaft vertreten könnten. Sie haben weder die Interessen des privaten Kapitals noch die Interessen der Manager verstaatlichter Betriebe zu vertreten. Welche Chance ist in diesem Umstand gelegen!

52 AUTOBUSSE BRAUCHTE MAN, um alle Wiener „Schlachtenbummler“ zum Länderspiel nach Budapest zu befördern-, macht sage und schreibe 1500 Reisende. In den letzten Tagen vor dem Länderspielsonntag sollen in der Kärntner Straße beim ungarischen Reisebüro und in der Friedrichstraße beim österreichischen die Interessenten nur so Schlange gestanden haben. Die Grenzbehörden wissen, was sie schuldig sind (nein, nicht etwa so, wie Sie es meinen!). Sie haben „Sorge getragen“, um die Abfertigung ,,möglichst klaglos und rasch“ zu gestalten. Darob hegen wir bestimmt keine Sorgen. Diesmal. Auch wenn sich der zuständige Reierat des Oeslerreichischen Verkehrsbüros (soll man sagen: Abteilung Naher Osten?) persönlich in die Schlachtlinie begab und einen ganzen Tag an der Österreichisch- ungarischen Grenze verbrachte, schätzen wir seine Für-Sorge und Vor-Sorge. Denn in länderspiellosen Zeiten soll es, dem Vernehmen nach, da unten nicht immer „möglichst klaglos" zugehen und „rasch" Ist weniger ein Tor als ein Loch geschossen worden. Ein Teil des Ansturmes wurde, wohl weil er ganze drei Schnellzüge ausmacht, nicht über die „obligate" Grenzstelle bei Hegyeshaiom, sondern auch über „Zinkenbach im Burgenland’ geleitet. Abgesehen davon, daß der Ort Groß- Zinkendori heißt, liegt et — gemäß der Oeden- burger Abstimmung plus Venediger Abkommen — leider nicht im Burgenland und heißt daher außerdem „Nagycenk". Dies nur so nebenbei. Wie steht es aber mit den anderen Uebergängen? Im Raum von Oedenburg sind es deren sieben, davon drei Hauptverkehrsstraßen; von dem Südufer des Neusiedler Sees bis Kittsee sind es nochmal sieben. Die scheinen ebenso nicht „obligat’ gewesen zu sein, wie der Zugverkehr. Gibt es doch Bahnstrecken (bei Berg, bei Rattersdorf-Liebing), wo die Weit mit, nun sagen wir, Brettern verschlagen ist. Freilich, dort fahren keine Fußballschlachtenbummler. Dort gibt es, mitunter, Schlachten, wo der Mensch den Fußball abgibt.

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