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Karntner Streitereien

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Der rote Frühling, der in Kärnten durch einen sichtbaren Stimmen-und Mandatszuwachs der Sozialisten bei den letzten Landtagswahlen einzog, scheint wenigstens vorläufig noch von Wolken verhangen zusein. Auf dem Grund des Freudenbechers, der bekanntlich mit 20 Xron 36 Mandaten und somit mit solider absoluter Mehrheit siegreichen Sozialisten liegt ein Wermutstiropfen: Die Freiheitlichen, die einen Mandatar weniger in den Kärntner Landtag schicken (nur vier statt bisher fünf), werden, was sie weitaus härter trifft, in der Kärntner Landesregierung nicht mehr vertreten sein. Der Landesobmann der FPÖ, Dr. Hellmut Geringer, der „designierte“ Landesrat, hat nach dem Ausscheiden von Hubert Knaus das Nachsehen. Noch aber haben die Freiheitlichen die Hoffnung auf Sitz und Stimme in der Landesregierung nicht aufgegeben. Schon in der konstituierenden Sitzung des Landtages wurde von den freiheitlichen Abgeordneten angekündigt, man wolle mit dieser Frage den Verfassungsgerichtshof befassen. Dies ist inzwischen geschehen. Ob der indessen dem sozialistischen Landesparteisekretär Wagner zuerkannte Regierungssitz wackelt? Das vermag man im jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen. Tatsache ist: Alle drei im Landtag vertretenen Parteien (SPÖ, ÖVP und FPÖ) erhielten bei der Anwendung des d'Hondtschen Ermittlungsverfahrens die gleiche Teilungsziffer vier. Da die Landesverfassung für diesen Fall keine Entscheidung vorsieht, befaßten die Sozialisten damit den Kärntner Landtag, der kraft seiner Mehrheit den Regierungssitz der SPÖ zusprach. Die FPÖ beruft sich nun darauf, daß bei gleichen Teilungsziffern die Wählerstimmen (ein möglicher Uberhang) zur Grundlage genommen werden müßten. In diesem Fall würde das Mandat nach wie vor der FPÖ zufallen.

Einige Aufregung gab es auch bereits bei der ersten Regierungssitzung, in der ein Gesetzentwurf über die Fremdenverkehrsförderung mit den Stimmen der Sozialisten zur Beschlußfassung verabschiedet wurde. Während sich die österreichische Volkspartei übergangen sieht und außerdem die mangelnde Begutachtungsfrist rügt, verteidigt die SPÖ ihr Vorgehen damit, daß ihre Verantwortung bei den letzten Wahlen stark gewachsen und es ihr gutes Recht sei, von ihrer Mehrheit Gebrauch zu machen.

In nichtsozialistischen Kreisen fürchtet man auch, daß nach der nunmehr erfolgten Bestellung des Vorstandes des Hochschulfonds die vom österreichischen Parlament bereits beschlossene Hochschule für Bildungswissenschaften in Klagenfurt, die bereits heuer ihren Betrieb aufnehmen soll, eine sozialistische Domäne zu werden verspricht, da gerade in deren Vorstand vorwiegend Sozialisten mit Funktionen betraut worden seien.

Eine der bedeutendsten und weittragendsten politischen Entscheidungen aber wird zweifellos die Novellierung der Landesverfassung sein, die schon darum geboten erscheint, damit künftig Streitfälle wie der oben angeführte klar geregelt werden. Die österreichische Volkspartei Kärntens hat bereits in der ersten Landtagssitzung einen diesbezüglichen Antrag eingebracht, der das von der ÖVP geforderte Volksbegehren, die Volksabstimmung (über Gesetze), den Volksanwalt und die Fragestunde landespolitisch verankern soll.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Vorschlag, den der Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“, Heinz Stritzl, in seinem Blatt in einem „Der Minderheit eine Chance“ überschriebenen Artikel unterbreitet hat. Bekanntlich hat die slowenische Volksgruppe in Kärnten keinen eigenen Vertreter im Kärntner Landesparlament; nach dem 22. Februar 1970 zieht zwar der Angehörige der Minderheit Johann Ogris als sozialistischer Mandatar in das Landhaus ein, man darf aber nicht verkennen, daß er — was parteipolitisch völlig verständlich ist — in erster Linie als Sprecher der Partei zu fungieren hat. Wörtlich meint Stritzl dazu: „Es würde einen Schritt hin auf das leider wieder ferner gerückte Ziel eines vereinigten Europa bedeuten, wenn in der neuen Landesverfassung das Recht der Vertreter der Minderheit verankert würde.“ In der Tat ein weitblickender Vorschlag, dessen Verwirklichung zur aktiven Mitwirkung der Slowenen beitragen würde.

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