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Weichenstellung in Kärnten

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Am 22. Februar 1970, eine Woche vor den Nationalratswahlen, wird die Kärntner Bevölkerung zu den Wahlurnen gerufen werden, um für eine weitere Legislaturperiode das Länderparlament im Klagenfurter Landhaus neu zu bestellen — diesen Termin hat die SPÖ-Mehrheit im Lande (18 von 36 Mandaten) unter lautstarkem Protest der österreichischen Volkspartei (12 Mandate) gewählt. Allein schon der Streit um die Terminfrage zeigt, daß der Wahlkampf hart sein wird. Seit vielen Jahren zementierte Mehrheitsverhältnisse sollen gebrochen werden — das ist der Wunsch der beiden Minderheitsparteien, wenn wir die Kommuniste ausklammern, die bisher mit einem Mandat im Landtag vertreten waren und wenig Aussicht besitzen, wieder in das gesetzgebende Landesgremium einzuziehen, wie die letzten Arbeiterkammerwahlen deutlich gezeigt haben. Fest steht, daß den Sozialisten die Position, die sie bei Abstimmung von dem einen Kommunisten abhängig macht, nicht be- hagt.

Im Zeichen von drei Jubiläen

Den offiziellen Startschuß für eine wahlorientierte Haltung gab am 27. September der im Klagenfurter Konzerthaus versammelte Landesparteirat. Landeshauptmann Hans Sima, der Landesobmann der Partei, stellte die zukünftige Politik bewußt unter den Blickpunkt dreier Jubiläen: 50 Jahre Republik Österreich, 50 Jahre Volksabstimmung, 25 Jahre Sozialdemokratie in Kärnten. Einstimmig und ohne Stimmenthaltung wurden von den Delegierten die Kandidaten für die bevorstehenden Nationalrats- und Landtagswahlen beschlossen. Daran fällt manches auf: Zunächst wird der in der Landespolitik bestens bewährte Landeshauptmannstellvertreter Dr. Hans Kerstnig dem neuen Regierungsiteam nicht mehr angehören. Er kandidiert an erster Stelle für den Nationalrat. Hinter den Kulissen spricht man von einem persönlichen Zerwürfnis zwischen Kerstnig und Sima, das den Anstoß zum überraschenden Wechsel geboten haben soll. An Kerstnigs Stelle rückt der bisherige Finanzreferent ‘ Landesrat Suchanek. Suchaneks Amt in der Regierung aber soll der jetzige Landtagsabgeordnete Rudolf Gallob übernehmen. Der Klagenfurter Bürgermeister Außerwinkler, der sich in der Kommunalpolitik einen guten Namen gemacht hat, wird in den Landtag einziehen, jedoch nicht als Landtagspräsident, wie man in politischen Kreisen etwas voreilig kombinierte. Der Vertreter des Arbeitsbauernbundes, Tillian, wird nach wie vor das Landesparlament leiten.

Schwarzpeterspiel mit den Slowenen

In der Kärntner Landespolitik spielen — mittelbar oder unmittelbar — immer auch die Kärntner Slowenen eine Rolle. Gerade diese Frage hat in den letzten Wochen hohe Wellen geschlagen: Bundeskanzler Klaus hatte auf Grund einer Anfrage von FPÖ-Abgeordneten die Meinung vertreten, in der Regelung von Fragen, die das Minderheitenschulwesen betreffen, sei das Land Kärnten zuständig. Das betreffende Gesetz spricht tatsächlich davon, daß die Ausführungsgesetzgebung Ländersache sei. Da ein solch heißes Eisen, wie es die Minderheitenfrage in Kärnten ist, keiner gerne anfaßt, am wenigsten die SPÖ, die letztlich die Verantwortung dafür trägt, konterte Sima an Klaus, er habe die Tatsache, daß es um eine Bundeskompetenz gehe, verschwiegen und damit einen falschen Eindruck erweckt. Tatsache ist, daß sich Sima in seiner Antwort bezüglich der Anstellungserfordernis für zweisprachige Lehrer hinter eine Forderung des Kärntner Heimatdienstes stellt. Man sieht also, daß Bälle rollen, während Fragen ungelöst bleiben.

Wenige Tage vor dem SPÖ-Partei- rat legte die Kärntner Volkspartei ihr Aktionsprogramm vor. Es ist von den drei Schwerpunkten Verfassung, Wirtschaft, Kultur getragen. — Die ÖVP möchte die starren landespolitischen Fronten brechen. Die Errichtung eines Volksbildungsheimes als Stätte der Begegnung gehört ebenso zu ihrem Programm wie eine Senkung der Industriestrompreise bei der Kärntner Verbundgesellschaft KELAG.

Auffallend, daß die Kärntner Volkspartei in Minderheitenfragen keinen Standpunkt fixiert. Es sei ein Programm für alle Kärntner, meint man, und macht sich die Sache damit zu leicht. Keine Partei kann an den Problemen Vorbeigehen, die aus einem Miteinander zweier Volksteile in einem Land entstehen. Es ist zu hoffen, daß die Volkspartei in Hinkunft Standpunktbildungen in dieser Frage nicht der SPÖ überlassen wird, die dadurch leichtes Spiel hat, daß sie nicht gelöste Fragen in die Ministerschubladen nach Wien schiebt.

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