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Die Großen werden wenig zu feiern haben

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Am 26. März wählen die Steirer/innen 542 Gemeindeparlamente (ohne Graz) neu, die VP verteidigt 394 Bürgermeister, die SP 136. In Kapfenberg kandidiert Alois Rechberger mit einer eigenen Liste.

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Am 26. März wählen die Steirer/innen 542 Gemeindeparlamente (ohne Graz) neu, die VP verteidigt 394 Bürgermeister, die SP 136. In Kapfenberg kandidiert Alois Rechberger mit einer eigenen Liste.

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Ich will”, prangte in riesigen Lettern von den Plakatwänden, „die Wahrheit sagen, auch wenn's weh tut”. Das war im Frühling des Jahres 1990 in der Steiermark, wenige Wochen vor den Gemeinderatswahlen. Auftraggeber der Plakatserie war der heutige SPO-Chef und Landeshauptmannstellvertreter Peter Schachner-Blazizek. Am Wahlabend, dem 25. März, war die Wahrheit dann aber doch zu schmerzlich - die SPÖ hatte entgegen ihrer ins-geheimen Erwartung, die VP stimmenmäßig zu überholen, 2,5 Prozentpunkte verloren und mit 40,6 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1955 eingefahren.

Der schwer enttäuschte Parteichef Schachner - ein gutes Ergebnis hätte zehn Tage später seine Wahl zum Landeshauptmannstellvertreter umstrahlen sollen - verweigerte ob der bitteren Wahrheit eine Stellungnahme im Fernsehen. Diese Suppe mußte der nur noch wenige Tage amtierende Hans Gross auslöffeln. Etwas, das Schachner viele Genossen bis heute nicht verziehen haben.

Noch schlechter, zumindest was das Wahlergebnis anbelangt, erging es an diesem Abend der ÖVP: Sie verlor immerhin 2,9 Prozentpunkte und erreichte mit 44,3 Prozent ebenfalls einen historischen Tiefststand.

Dennoch herrschte in der VP-Zentrale am Karmeliterplatz fast eine gelöste Stimmung, mit Hohn und Spott für „Schachners Bauch-fleck” machte man sich selbst Mut. Grund der freudigen Erregung: Man hatte allgemein mit einem kräftigen Absturz gerechnet. Daß es letztlich noch für einen klaren 3,7-Prozent-Vorsprung vor dem anstürmenden Krainer-Herausforderer gereicht hatte, täuschte über das schlechte Ergebnis ein wenig hinweg.

Die damaligen Ergebnisse wirken bis in den derzeitigen Wahlkampf fort: Keine der beiden Großparteien mischte sich offiziell besonders ein, damit gibt es am Wahlabend dann auch nur „lokale Ereignisse”.

Am deutlichsten demonstrierte VP-Landesgeschäftsführer Reinhold Lopatka seine Position: Die Gemeinderatswahl lasse „keinerlei Rückschlüsse auf andere Wahlgänge zu”. Weder auf Zustände auf der Bundesebene, schon gar nicht aber auf jene der Landesebene, lautet die Botschaft. Einziges Wahlziel: „Wir wollen Bürgermeisterpartei bleiben.” Kunststück, denn derzeit stellt die VP in 394 von 542 Gemeinden den Bürgermeister. Die SP hält bei 136, der Rest kommt von Namenslisten, einen freiheitlichen Bürgermeister kennt die Steiermark - noch - nicht.

Für die weiter im Aufwind befindlichen Freiheitlichen ist die Gemeinderatswahl am 26. dieses Monats nur ein kleiner Probegalopp für die Landtagswahl im Herbst 1996. Denn bei der letzten Landtagswahl (1991) hatte man unter dem Quereinsteiger Michael Schmid zwar als einzige Partei mehr als 80.000 Stimmen und sieben Mandate dazuge-wonnen, verglichen mit dem letzten Nationalratswahlergebnis (23,4 Prozent) sind die 15,4 Prozent von 91 jedoch nichts.

Und Schmid, der auf Landesebene mit der VP kooperiert, weiß genau, daß die große Koalition im Bund ihm fast jeden Tag weitere Stimmen bringt. Deshalb ist für ihn bei der Gemeinderatswahl nur eines gewiß: „Es kann kein Ergebnis geben, das eine Vorverlegung der Landtagswahl rechtfertigt.' Als offizielles Wahlziel legt er die Latte extrem tief: Von derzeit mickrigen 8,5 Prozent will man sich auf zwölf Prozent verbessern. Dieses Ziel dürfte allein damit erreicht werden, daß man heuer bereits in 416 der 542 steiri-schen Gemeinden kandidiert, 1990 waren es nur 265 gewesen.

Zuversicht demonstriert die SPO, wo man von einem Halten des Stimmenanteils von 40,6 Prozent redet. Und Hans Eichhaber vom SP-Ge-meindevertreterverband liefert eine indirekte Begründung für diese Hoffnung: Man rechne sich gute Chancen aus, in den kohlschwarzen Hochburgen der Oststeiermark der VP die dafür nötigen Stimmen abzunehmen. Das wird auch erforderlich sein, denn in den roten Kernbezirken der Obersteiermark drohen massive Verluste in Richtung FPÖ, die VP hat hier in vielen Gemeinden gerade noch die Kandidatur geschafft, ist aber de facto kaum mehr vorhanden.

Von besonderem Interesse ist der Wahlgang diesmal in der roten Festung Kapfenberg. Hier will der ehemalige Landtagsabgeordnete und nunmehrige Bürgermeister seine. 21:10-Mandatsmehrheit verteidigen, doch hat er mächtige Konkurrenz aus den „eigenen Reihen” bekommen: Alois Rechberger, geschaßter AK-Präsident und politisches Stehaufmännchen, tritt mit einer eigenen Liste „Luis Rechberger” an und rechnet mit fünf Mandaten und einem Sitz im Stadtrat. Außerdem attackieren die um ihre Firmenpensionen gebrachten Stahlpensionisten die SP-Mehrheit - sie kandidieren auf der Liste der FPÖ. Besonderes Interesse kommt dem Listenplatz zwei der Kapfenberger „Grünen” zu: Den nimmt Hedwig Pilz ein, die Mutter des grünen Spitzenkandidaten in Wien.

Insgesamt rechnen die Grünen mit deutlichen Zuwächsen, denn sie kandidieren statt bisher in 33 nun in 62 Gemeinden. In 15 Gemeinden kandidiert die KPÖ, wobei die Verteidigung des einzigen kommunistischen Stadtrates von ganz Österreich - in Eisenerz - das wichtigste Wahlziel ist. Eher bescheiden ist die Ausbeute des Liberalen Forums: In gerade zwölf Kommunen brachte man genügend Unterschriften für eine Kandidatur zusammen. Für zusätzliche Ungewißheit bei den Großparteien sorgen mehr als 170 Namenslisten, von denen jedoch ein Großteil irgendeiner Partei nahesteht.

Gewiß ist nur eines, wenn am 26. März 733.573 Wahlberechtigte' zu den Urnen gerufen werden und der Kampf um 7.475 Gemeinderatssitze und 542 Bürgermeistersessel endet: Keine der beiden großen Parteien wird auf Landesebene viel Grund zum Feiern haben.

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