Die Zukunft der Regierung: Weniger Kraft, mehr Arbeit

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Werner Faymann beginnt nächste Woche formell, eine Regierung zu bilden. Für große Aufgaben braucht er mehr als einen Partner.

Wenn das Innenministerium am nächsten Montag, 6. Oktober, voraussichtlich per Presseaussendung abends das endgültige Ergebnis der Nationalratswahl bekannt gibt, kann sich natürlich noch etwas ändern am Stand der Mandate. Aber wahrscheinlich ist das nicht, und das ist nur eines der Probleme, die Werner Faymann erwarten, wenn er, ebenfalls nächste Woche, kurz darauf von Bundespräsident Heinz Fischer den Auftrag zur Bildung einer Bundesregierung erhalten haben wird.

Die SPÖ, die Faymann als Kanzlerkandidat in eine neue Koalition mit der ÖVP unter Führung seines kongenialen Gegenübers Josef Pröll holen möchte, hat zehn Mandate verloren. Sie kommt auf 58 Sitze im Hohen Haus, die Volkspartei nach noch herberen Verlusten von 16 Mandaten auf 50 Sitze (siehe unten).

Aus für Verfassungsgesetze

Weil die beiden Ex-Großparteien den Tiefststand an Stimmen erreichen, stellen sie zusammen nur mehr 108 von 183 Abgeordneten. Ihre komfortable Mehrheit von 134 Abgeordneten für Verfassungsgesetze und Zweidrittel-Materien (das wären 122 Stimmen) haben sie verloren. Aber der rot-schwarze Absturz auf die relative Mehrheit besiegelt den endgültigen Abschied von den bisherigen großen Koalitionen, sieht man vom kurzfristigen Verlust ihrer Zweidrittelmehrheit in den neunziger Jahren ab.

Passieren konnte das, weil zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt ohne Vorbereitung nach einem kurzen sommerlichen Wahlkampf mit einem dünnen Angebot an Themen, Programmen und Personal gewählt wurde. Obwohl man das gar nicht wollte.

Schon vor sieben Monaten, kurz vor Ostern, hatte die Volkspartei an vorverlegte Neuwahlen gedacht. Der alarmierende Hinweis der SPÖ, damit wäre die Zweidrittel-Mehrheit der Koalition verloren, brachte die VP-Spitze zur Räson. Doch die Sozialdemokraten nutzten die Zeit, ihren Vorsitzenden und noch amtierenden Bundeskanzler Alfred Gusenbauer gegen den smarten, telegenen und mit den Boulevard-Medien bestens vernetzten Werner Faymann zu ersetzen. Als Wilhelm Molterer im Juli sagte, es würde reichen und man möge daher wählen, war die Möglichkeit, gegen Gusenbauer von leichter Hand eine Wahl zu gewinnen, mangels ‚Gusi‘ schon vorbei. Und die Sozialdemokraten waren, wenngleich programmatisch auch nicht sonderlich vorbereitet, so personell erneuert. Mit gutem Grund.

Die SPÖ war gewarnt

Im Büro des Bundeskanzlers und in der Parteiführung in der Löwelstraße lagen Umfragen, denen zufolge bei jeglicher zarten Einigung in der Koalition die Werte für die SPÖ als deren führende Partei nach oben gingen. Die ÖVP musste, so die SPÖ-Strategen, das gleiche Wissen haben. Daher würde die ÖVP, so das Kalkül, in der Koalition den Streit und nicht den Erfolg suchen, zudem Neuwahlen vom Zaun brechen, sobald es erfolgversprechend erschien. ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer entsprach genau dieser Analyse, erlitt mit seiner Strategie allerdings Schiffbruch. Er bezahlt dies mit seinem Abschied aus der Spitzenpolitik. Die nächste Koalition Faymann-Pröll steht vor der bitteren Herausforderung, mit weniger Kraft mehr an Aufgaben lösen zu müssen. Falls sie nicht ohnedies wegen der bevorstehenden Serie an Wahlen in politische Angstlähmung verfällt.

In weniger als einem halben Jahr wählen die Bundesländer Salzburg und Kärnten. Im Süden Österreichs steht Landeshauptmann Jörg Haider, die Wahlkampfmaschine des Bündnis Zukunft Österreich, im März vor einem Wahlsieg. In Salzburg muss, ebenfalls im März, Gabi Burgstaller für die SPÖ den von ihr eroberten Sitz der Landeshauptfrau verteidigen. Das wird ihr gelingen, aber bei der Nationalratswahl erreichte die ÖVP in Salzburg mehr Stimmen als die SPÖ; die Freiheitlichen und das BZÖ gewannen je ein Landesmandat hinzu.

Im Frühjahr werden noch AK-Wahlen abgehalten, was der anti-sozialpartnerschaftlich aufgestellten blau-orangen Opposition ebenso Auftritt und Auftrieb verschaffen könnte wie die Wahl der Abgeordneten zum Europäischen Parlament von 4. bis 7. Juni 2009. Europawahlen sind ein klassischer Termin für ein Oppositions-Plebiszit. Ergänzt wird der Wahlreigen 2009 um die Landtagswahl in Vorarlberg und in Oberösterreich, beide im September fällig. Die Landeshauptleute beider Länder, Herbert Sausgruber und Josef Pühringer, waren als örtliche ÖVP-Chefs bereits im Sommer gegen vorverlegte Neuwahlen und nach deren auch für sie desaströsem Ende für personelle Konsequenzen an der Spitze der Volkspartei. Man kann ja nie wissen, worauf man in einem Jahr noch einmal angesprochen werden wird.

Die Stunde der Grünen

Während die politischen Kräfte einer großen Koalition dramatisch auf europäisches Normalformat schwinden, häufen sich die Probleme, die zu lösen sind.

Unter diesen ist etwa jenes der Integration, der Fremden- und der Ausländerpolitik zu nennen. Wie für das Paket zum Fremdenrecht ist für die nötige Reform der Behörden in Bund und Ländern eine Zweitdrittelmehrheit nötig. Die schaffte für die Fremdengesetze damals sogar die schwarz-blaue Koalition, weil die SPÖ der Argumentation zugänglich war und mitstimmte. Doch ob das Prinzip rationaler Abwägung auch noch gilt, wenn Rot-Schwarz um die Zustimmung von Blau oder Orange kämpft, gilt im Innenressort zumindest als fraglich.

Die weiteren großen Themen sind die Sozialreformen, konkret jene bei Pensionen, Gesundheit und Pflege. In diesen Feldern laufen die Kosten den Einnahmen davon, werden die Wähler aber von Unsicherheit und Angst beherrscht. Jede Regierung arbeitet lieber mit Versprechungen und Zahlungen als mit Reformen, nur: Das wird sich finanziell nicht ausgehen, wie Experten mehrfach vorrechneten. Holen Rot-Schwarz dafür Blau oder Orange ins Boot, stärken sie jene Parteien, die ihnen in den Ländern Stimmen kosten. Genau das werden sie aber nicht wollen. So schlägt in absehbarer Zeit die Stunde der Grünen.

Die rot-schwarze Koalition wird für den Finanzausgleich und für Energie- und Umweltpolitik Zweidrittelmehrheiten benötigen — und dafür wahrscheinlich die Grünen ins Boot holen. Die Periode großer Koalitionen wird von einer der Junktimierungspolitik mit Dritten abgelöst.

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