SPÖ: Und wieder eine Obmann-Debatte

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Die SPÖ steht nach den Europawahlen vor einer Führungsdebatte, die bis zu den Wien-Wahlen an Härte zunehmen dürfte. Gefährdet ist dabei nicht nur Bundeskanzler Werner Faymann, sondern auch das Klima zwischen den Koalitionsparteien inmitten einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise.

Als am Ende nichts mehr zu sagen war, die Biergläser geleert, die Frankfurter Würstchen verzehrt und die Analysen gesprochen waren; als Hannes Swoboda das Haus längst verlassen hatte und die Feierlaune in Trauer ertränkt war, da erspähte ein illustrer Genosse zu Füßen der betretenen Anwesenden ein kleines, braunes, nach Aufmerksamkeit hechelndes Hündchen. Und nach sinnender Betrachtung ergoss sich der ganze Schmerz des Funktionärs seufzend über das Tier: "Du bist wohl der Hund, auf den wir jetzt gekommen sind." Schluss-Szene einer Wahlparty der SPÖ in der Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße.

Das A-Team der Kanzlerpartei, das ausgezogen war, die EU-Wahlen zu gewinnen, ist bei 23,9 Prozent der Stimmen und damit einem Verlust von 9,4 Prozent der Stimmen und dem schlechtesten Wahlergebnis seit 1945 bruchgelandet. Währenddessen verbuchte der SP-Abtrünnige EU-Kritiker Hans Peter Martin einen 18-Prozent-Triumph. Ähnlich schlecht wie die österreichischen Sozialdemokraten schlugen sich am Sonntag nur noch die britische Labour-Partei und die französischen Sozialisten. Da mag sich SP-Seniorensprecher Karl Blecha noch so sehr freuen, "dass 80 Prozent der Wähler nicht FPÖ gewählt haben". Solch sonnige Analysen sind an diesem Abend nicht einmal dem optimistischen Werner Faymann eingefallen. Der Bundeskanzler erschien schameshalber gleich gar nicht zur Feier - auch das ein Novum in der Parteigeschichte.

Ruf nach Konsequenzen

Die vierte Wahl-Niederlage in Folge stellt der Führungsarbeit Faymanns ein schlechtes Zeugnis aus und sie erzeugt den Ruf nach Konsequenzen. Müssen nun die Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter und Laura Rudas gehen? Reicht der Reformeifer sogar bis zum Sägen an des Kanzlers Stuhl? War Faymanns Kurs zu liebedienerisch der Kronen Zeitung gegenüber, EU-Kandidat Swoboda zu farblos, die Botschaften im Wahlkampf tatsächlich zu kompliziert - so es denn überhaupt welche gab? Oder liegt das Problem in der Wirtschaftskrise, welche die Sozialdemokraten, die selbsternannten Hüter des Arbeitmarktes, in der Jobmisere ersticken lässt?

Nicht ausreichen wird jedenfalls die Erklärung, die am Montag als Argumentationslinie von den Kommunikatoren der Partei ausgegeben wurde: "Die SPÖ hat verabsäumt, in den vergangenen Jahren die EU zu thematisieren." Welche Partei - ob Gewinner oder Verlierer - hat das nicht?

Was also unterscheidet die SPÖ von der Wahlsiegerin ÖVP? Ein entscheidender Unterschied liegt nicht zehn Jahre - sondern ein Jahr zurück: Am 26. Juni 2008 schrieben Werner Faymann und Alfred Gusenbauer einen Brief an die Kronen Zeitung. Dieser beinhaltete eine Kehrtwende von EU-freundlicher zu EU-kritischer Politik der SPÖ - und bedeutete für Faymann im Herbst die Unterstützung des Dichand-Blattes bei den Nationalratswahlen.

Seither steuert die SPÖ einen eigenartigen Kurs zwischen staatstragend und betont EU-kritisch - und sie ließ diesen Weg auch Kandidat Swoboda nachschlingern. Ex-Kanzler Franz Vranitzky meint im FURCHE-Gespräch auf die Frage, ob der Krone-Brief nun sich bei den Wahlen gerächt habe: "Genützt hat er jedenfalls nicht. Es ist schon eine verquere Situation: Die SPÖ gibt ihre klare Linie auf und die Krone unterstützt dafür Hans-Peter Martin." Diese Frage ist wohl einer der Hauptpunkte in der Diskussion, der sich Faymann am Mittwoch stellen muss, wenn es im erweiterten Parteivorstand in Wien an das schmerzhafte Aufsammeln sozialdemokratischer Scherben geht. Dass Faymann dabei selbst fallen könnte, glauben nur wenige. "Das ist sehr unwahrscheinlich", sagt etwa der Politologe Peter Filzmaier, "die Kritiker müssten erst einmal Alternativen nennen, und dann braucht es auch noch jemanden, der bereit wäre, den Job in dieser Situation zu übernehmen."

Kernregionen brechen weg

In der SPÖ hört man dazu vor allem den Namen einer "üblichen Verdächtigen": Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Doch Burgstaller wird sich hüten, Faymann das Amt streitig zu machen, muss sie doch selbst erst Rang drei der SPÖ hinter VP und der Liste Martin verkraften. Darüber hinaus geht es nicht nur um den SPÖ-Kurs gegenüber der Kronen Zeitung, sondern auch um die Wirtschaftskrise und ihre Folgen.

Nicht überraschend ist die SPÖ vor allem in Kernbezirken der Arbeiterschaft in der Steiermark regelrecht abgestürzt: Minus 19 Prozent in Kapfenberg, Minus 19 in Leoben, minus 17 Prozent in Mürzzuschlag. Nationalbank-Präsident Ewald Nowotny brachte es Montag inhaltlich auf folgenden Nenner: "Die soziale Dimension der Wirtschaftskrise ist vor allem eine der Beschäftigungspolitik." Und genau für Beschäftigung und Arbeit steht eigentlich die Sozialdemokratie. Nichts also schmerzt die SPÖ mehr als steigende Arbeitslosigkeit. Politologe Peter Filzmaier ortet ein Paradoxon: "Eigentlich müsste die Partei davon profitieren, weil Arbeitsplätze ihre historisch gewachsene Zuständigkeit sind. Aber gilt das auch für extreme Krisensituationen? Da könnten dann die Wähler auf die Idee kommen, die SPÖ ist ja auch machtlos."

In der Steiermark und in Oberösterreich sind die Schlüsse aus der Wahl bereits gezogen - wohl auch in steigender Angst vor den kommenden Landtagswahlen. Erich Haider, Landeschef der SPÖ in Oberösterreich, ist sicher: "Es muss Konsequenzen geben."

Franz Voves, steirischer Landeshauptmann und Vorkämpfer für die Reichensteuer, wettert noch im Vorfeld des Parteivorstandes gegen seinen Kanzler: "Mit einer Nichtlinie kann man keinen Wahlkampf gewinnen." Nicht einmal vom Wähler zuletzt arg zerzauste Genossen wie der Kärntner Reinhart Rohr halten sich noch zurück und fordern "ein Ende der Schönwetterpolitik". Kein Wunder, dass Montag schon ein besorgter Wahlsieger Josef Pröll (ÖVP) ausrückte, um die SP-Landesfürsten zu rüffeln. "Man darf nicht wegen eines Wahlergebnisses die Nerven verlieren." Sowohl für Voves als auch für Haider ist aber längst klar, wohin die SPÖ zu steuern hat: Richtung Verteilungsgerechtigkeit, gegen "die Banken und Manager mit ihrer Gier" (Erich Haider) und in Richtung "schärferes Profil" innerhalb der Regierung. Parteiintern heißt es, nun sei "Schluss mit dem Kuschelkurs" (ein SP-Landesrat). Dass der Kanzler selbst keinen Anlass zur Kursänderung sieht und seinen Kurs im Wahlkampf verteidigt, spricht nicht gerade dafür, dass der interne Richtungsstreit bald beigelegt werden könnte.

Obmanndiskussion

Der Politikwissenschafter Anton Pelinka glaubt an eine nun einsetzende Obmanndiskussion: "Drei wichtige Landtagswahlen stehen vor der Tür und Faymanns einziger Erfolg ist der Scheinsieg von 2008 und nun das vierte Wahldebakel hintereinander."

Wiens Bürgermeister Michael Häupl ist für Pelinka derjenige, der Faymann am ehesten entthronen könnte. Doch tut Häupl das auch? Noch nimmt er den Kanzler und seine Bundesgeschäftsführer in Schutz: "Das Team muss sich erst einspielen. Das ist wie im Fußball." Geht es aber bloß nach dem Ballspiel, dann muss Faymann sich ernste Sorgen machen: Nationaltrainer Karel Brückner etwa ward schon nach vier Niederlagen mit Österreichs Kickern gefeuert. Ein Menetekel.

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