Woran Alfred Gusenbauer gescheitert ist und was ihn von Schröder und Schüssel unterscheidet.
Als des Kanzlers Glanz zu verblassen drohte, beschloss man, die Funktion des Regierungschefs von jener des Parteivorsitzenden zu trennen, auf dass der Stern des Hoffnungsträgers am politischen Firmament wieder hell erstrahle. Später sollte dieser Kanzler in einem Zeitungsinterview zu Protokoll geben, es habe sich gezeigt, "wie richtig mein damaliger Rücktritt vom Parteivorsitz war". Rund ein Jahr später war er dann nicht mehr Kanzler.
Fraglich, ob Alfred Gusenbauer nach seinem "Befreiungsschlag" resp. seiner Semi-Demontage noch die Zeit bleibt, wie weiland Gerhard Schröder über Sinnhaftigkeit und Richtigkeit seines Rücktritts vom Parteivorsitz zu räsonnieren. Im Endergebnis dürfte es freilich für Gusenbauer auf dasselbe hinauslaufen wie bei seinem deutschen Ex-Pendant.
Man soll den Vergleich nicht überstrapazieren. Während Gerhard Schröder, gemeinsam mit Tony Blair (und, aus österreichischer Zwergerlperspektive, Viktor "who" Klima als Trittbrettfahrer), zur Ikone der "neuen Roten" hochstilisiert worden war, galt Gusenbauer von Anfang an als Kompromisskandidat zwischen dem "linken" Caspar Einem und dem "rechten" Karl Schlögl. Da war von Anfang an recht wenig Glanz, also kann man jetzt auch nicht wirklich von "verblassen" sprechen.
Wenn, dann sonnte sich Gusenbauer, noch zu Oppositionszeiten, in fremdem Licht: dem des siegreichen SP-Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl oder der Gewinner von Landtagswahlen in ehemaligen VP-Bastionen (wobei sich das mediale Interesse nicht zuletzt auf als unvorteilhaft empfundene Fotos des lauthals lachenden Gusenbauer richtete - Stichwort: Gaumenzäpfchen/lat. uvula …).
Freilich waren schon diese Ländersiege mindestens so sehr den Befindlichkeiten der schwarzen Landesparteien und ihrer Hauptleute geschuldet wie der Strahlkraft der eigenen Kandidaten. Analoges gilt für den Überraschungssieg auf Bundesebene vom 1. Oktober 2006: Wolfgang Schüssels stilistische Abgehobenheit und das permanente Chaos in Orange trugen dazu bei, dass das schamlose Negative Campaigning der SPÖ verfing: Mit Erfolg wurde dem VP-Kanzler die Punze einer "neoliberalen", "sozial kalten", "herzlosen" "Lügen"-Politik aufgedrückt. Mit Erfolg - und wider besseres Wissen, so darf man wohl sagen, zumindest des SP-Herausforderes Alfred Gusenbauer, der sich dafür seit Beginn seiner Kanzlerschaft mit Vorwürfen der eigenen Basis wie der Opposition konfrontiert sieht, er setze die "abgewählte Schüssel-Politik" fort.
Aus der Sicht eines Funktionärs der SP-Rudolfsheim-Fünfhaus oder der SNÖAP (Sozialistisch-Nationalen Österreichischen Arbeiter-Partei) Heinz-Christan Straches mag das stimmen. Im Unterschied zu Schüssel fehlt Gusenbauer indes die Konsequenz und wohl auch das handwerkliche Können, für das als richtig und notwendig Erkannte im eigenen Team zu werben und es zielstrebig politisch umzusetzen. Oder, anders gesagt: Schüssel konnte man ablehnen, bekämpfen - sudern konnte man gegen ihn nicht.
Nun also Werner Faymann. Ob er, der scheinbar Ideologiefreie, das ideologische Profil der Partei schärfen könne, wurde in ersten Reaktionen zurecht gefragt. Ob man mit Unterstützung des Boulevards und der (sich auf mittlere Sicht wohl noch einstellenden) Gunst Michael Häupls alleine Wahlen gewinnen kann, bleibt ebenso abzuwarten. Wird Faymann der österreichische Kurt Beck? Immerhin, die SPÖ hat gegenüber der SPD erstens den Vorteil, dass sie den Kanzler stellt (falls das noch ein Vorteil ist) und zweitens, dass es keine PDS und keinen Lafontaine auf Bundesebene gibt (dafür jede Menge HaidErichs). Aber so etwas wie eine Neubuchstabierung von Sozialdemokratie für das 21. Jahrhundert dürfte Faymanns Sache nicht sein.
Theoretisch interessiert das freilich ohnedies kaum jemanden, in der Praxis könnte der machtpolitische Vollprofi einer inhaltlich wie personell "perspektivisch" schwankenden ÖVP jedoch das Leben deutlich schwerer machen als Alfred Gusenbauer. Der wird's dafür bald deutlich leichter haben. Es sei ihm gegönnt.
rudolf.mitloehner@furche.at
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