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SPÖ, was nun? Nach dem Neustart der Koalition schwankt die so genannte Parteibasis zwischen Zweckoptimismus und verdrängtem Frust.

Manchmal ist kein Statement auch ein Statement: Der Anruf bei Franz Bauer dauerte nur wenige Sekunden. "Ich will dazu nichts sagen", sagt der SP-Gemeinderat und Parteiobmann der niederösterreichischen Gemeinde Eggendorf auf die Frage, wie die Stimmung in der so genannten Parteibasis nach dem Ausrufen eines Neustarts der Großen Koalition sei. Das Gespräch war beendet. Die Gemeinde hatte bei den jüngsten Landtagswahlen 13 Prozent eingebüßt. Andere Gemeinden hat es noch viel schlimmer erwischt.

Ähnlich zugeknöpft zeigt sich der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ). Man wolle zunächst abwarten, könne mehr dazu nicht sagen, ließ Bundesvorsitzende Ilia Dib ausrichten. Keine Spur von vorlautem studentischen Aufbegehren. Das ist die eine Seite des Stimmungsbildes in der sozialdemokratischen Basis.

Zweckoptimismus die andere. "Man wird sehen, was rauskommt, ob sich die SPÖ mit der Vermögenszuwachssteuer durchsetzen wird; aber es gibt berechtigte Hoffnung", sagt wiederum Erich Prattes, Klubchef der SPÖ im steirischen Landtag und Bezirksvorsitzender von Leoben - jenem Bezirk, in dem das fast schon legendäre Funktionärstreffen stattgefunden hat, das Kanzler Gusenbauer offenbar mit begrenzter Vorfreude besuchte. Er befürchtete "Gesudere". Der nun vorliegende Kompromiss überzeugt Prattes fürs Erste: Circa drei Millionen Menschen würden von den angekündigten Maßnahmen profitieren, Kleinstverdiener und Pensionisten. Freilich sei die Stimmung unter den Genossen in den letzten Monaten schlecht gewesen. "Die SPÖ schien in der Koalition wie in Geiselhaft. Jeder Vorschlag wurde von der ÖVP mit einem Nein quittiert. Viele Leobner, die der SPÖ ihre Stimme gegeben haben, haben sich beklagt: Jetzt haben wir euch gewählt und nichts setzt ihr um", erzählt der steirische Politiker.

Sitzt sein Chef, Alfred Gusenbauer, fest im Sattel? Gusenbauer sei von Anfang an von vielen schlecht gemacht worden, er habe den Moskauer Boden geküsst, er sei schiach, er passe einfach nicht, beklagt er die unfaire Behandlung des Kanzlers. "Auch jetzt wurde von politischen Gegnern wieder versucht, einen Keil zwischen die Genossen zu treiben - nicht ohne Erfolg", bedauert Prattes. "Aber mit diesen neuen Initiativen wird es gelingen, das Vertrauen wieder herzustellen." Der Gesudere-Sager habe ihn zunächst auch "irritiert", aber sei nun vergessen und würde Gusenbauer nicht nachgetragen. Die Quintessenz: Die Taktik des Gegners darf nicht aufgehen. Man hält zumindest nach außen hin zu Gusenbauer.

Ähnliches ist von der Sozialistischen Jugend (SJ) zu hören, wenn es um die Führungsspitze geht. "Wir beteiligen uns nicht an Personaldebatten", sagt Wolfgang Moitzi, Vorsitzender der SP-Jungen. Es müsse um die Themen gehen. Moitzi vermittelt die Stimmung der permanent Unzufriedenen: "Die Enttäuschung hat sich nicht groß gesteigert", meint er: "Die Enttäuschung ist schon seit eineinhalb Jahren groß." Die immerzu Enttäuschten sehen zwar im Kompromiss einen "ersten kleinen Schritt in die richtige Richtung", mehr aber auch nicht. "Es hätte diese Große Koalition nie geben dürfen. Wir hätten keine großen Tränen vergossen, wenn es zu Neuwahlen gekommen wäre." Werden die jungen Unzufriedenen denn in der Partei gehört? Ja, meint Moitzi. Gusenbauer ignoriere die Meinung der SJ nicht, deren Bundesvorsitzender er selbst einmal war (1984 bis 1990). "Es gibt eine interne Demokratie. Das Verhältnis zwischen den Parteigremien könnte aber manchmal besser sein." Moitzi gibt die Stimmung der Jugend so wieder: "Von einer Aufbruchstimmung sind wir sehr weit entfernt. Mit der ÖVP ist ein Kurswechsel nicht möglich." Der Fehler, der laut Jugend korrigiert werden müsste, wäre die Koalition an sich.

Skeptisch ist auch der Politologe Anton Pelinka. "Es ist eine Befriedung auf Zeit", meint der langjährige Politik-Beobachter. Herbstwahlen seien nicht endgültig vom Tisch. Mit den Themen, auf die gesetzt worden sei - die Entlastung von kleinen Verdienern und das Vorziehen der Pensionserhöhung - könne die SPÖ am ehesten punkten. Wie überzeugend die Maßnahmen letztendlich für dieses Wechsel-Wähler-Segment ("der kleine Mann") sind, sei aber fraglich. Dass hier die ÖVP nachgegeben hat, ist für den Beobachter überraschend. "Aber es ist für beide Parteien zu riskant, in Neuwahlen zu gehen." Die vorübergehende Befriedung gilt laut Pelinka auch für die SPÖ an sich: "In Tirol wird bald gewählt, dannach in Salzburg und Kärnten. Die Zwischenrufe aus den Bundesländern werden wieder zunehmen. Die Krise könnte jederzeit wieder ausbrechen."

Am Vorwurf, dass Gusenbauer wenig Führungsstil bewiesen hat, sei schon was dran, meint Pelinka. "Im ersten Jahr hat er versucht, sich als Kanzler über den Dingen zu stilisieren, der moderiert und sich nicht ständig in jedes tagespolitischen Wortgefecht einmischt." Er hatte die schwierige Aufgabe, seine Genossen von den Gipfeln der hohen Erwartungen wieder runter auf die Ebene der Realität einer Koalitionsregierung zu holen. "Es gibt in der SPÖ das Dilemma, dass das Wahlergebnis 2006 als Sieg interpretiert wurde. Es war kein Sieg", so Pelinka. Zudem herrsche in Österreich eine "maßlose Überschätzung" darüber vor, was ein Bundeskanzler einer Koalitionsregierung eigentlich kann und was nicht. Das Wahlvolk müsse endlich aufhören mit der Vorstellung des mächtigen Kanzlers. Die Kreisky-Jahre seien lange vorbei.

Schlecht beraten sei die SPÖ bei so mancher Personalfrage, sagt der Politikwissenschaftler, zuletzt bei der Neubesetzung der niederösterreichischen Landesspitze nach dem Ausscheiden der glücklosen Heidemaria Onodi nach der Landtags-Wahlniederlage. "Wer wurde da aus dem Hut gezaubert? Der Landesgeschäftsführer der Partei wurde ihr Nachfolger (Josef Leitner). Nichts gegen Parteisekretäre, aber wo war die öffentliche Debatte? Man lernt nicht wirklich dazu", kritisiert Pelinka und hätte sich mehr Beteiligung der Basis bei der Kür des Vorsitzenden gewünscht. Das könne man vom US-Wahlkampf lernen, der sicher zu lange und zu teuer sei, aber er steigere die Lust, sich zu beteiligen. Der Mobilisierungsfaktor in Niederösterreich sei dagegen "mickrig", so Pelinka und rät, andere Wege der Personalfindung zu beschreiten.

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