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Wien dominiert im rot-blauen Team

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Am 24. Mai wurde die rotblaue Koalitionsregierung von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger angelobt. Die FURCHE hat das Kabinett unter die Lupe genommen.

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Am 24. Mai wurde die rotblaue Koalitionsregierung von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger angelobt. Die FURCHE hat das Kabinett unter die Lupe genommen.

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Sind Staatssekretäre Regiecungsmitglie- der? Nun, sie werden laut Bundes-Verfas- sungsgesetz, „in gleicher Weise wie die Bundesminister bestellt“, sind aber gegenüber dem lylinister weisungsgebunden. Andererseits stellt die Verfassung klar: Bundeskanzler, Vizekanzler und die übrigen Bundesminister „bilden in ihrer Gesamtheit die Bundesregierung unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers“. Von Staatssekretären ist da keine Rede. Sie können nur Bundesministern „zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung… beigegeben werden“. Auch in jenem Artikel, der die parlamentarischen Rechte regelt, wird der feine — aber entscheidende — Unterschied deutlich: „Die Mitglieder der Bundesregierung sowie die … Staatssekretäre sind berechtigt…“

Bundeskanzler Fred Sino- watz (SPÖ, Burgenland) ist

— anders als Briyio Kreisky

— ein Organisationstalent, auch einfach im Lebensstil, gemütlich im Umgang. Daher wird oft der Intellekt des Architekten der burgenländischen SPÖ-Erfol- ge unterschätzt.

Vizekanzler und Handelsminister Norbert Steger

(FPÖ, Wien), ehrgeizig und anpassungsfähig, hat sich als Oppositionspolitiker selbst eine Latte gelegt, die er erst überspringen muß. Als Ressortchef ist er weitgehend von seinem Beraterstab abhängig.

Außenminister ist Erwin Lanc (SPÖ, Wien), weil Kreisky Peter Jankowitsch nicht haben will. Trotzdem fallen Aufgabe und persönliche Neigung zusammen. Nach „Nullgrupplern“ führt wieder ein echter Parteimann das Außenamt. Opfer ist Willibald Pahr.

Innenminister Karl Blecha

(SPÖ, Niederösterreich) ist zuzutrauen, daß er für frischen Wind im Ressort sorgt: mehr Service für die Sicherheit. Gespannt darf man sein, wie er den Zivildienst besser in die Umfassende Landesverteidigung eingliedert.

Finanzminister Herbert Salcher (SPÖ, Tirol) hat „politischen Todestrieb“ (Salcher): Er muß für eine Generalreform des Steuersystems samt Budgetmisere den Kopf hinhalten, den ihm Kreisky noch gerettet hat. Kommt nach unpopulärer Arbeit der Abschied?

Justizminister Harald Ofner (FPÖ, Niederösterreich) ist durch seine unrühmliche Rolle als WBO- Zeuge und als gerichtskundiger Kontaktmann zur ANR belastet. Doch daß er zu deutlich vom Broda- Kurs abrückt, wird die SPÖ zu verhindern wissen.

Wissenschaftsminister Heinz Fischer (SPÖ, Wien) hat sein Wunschressort erhalten. Wie seine Vorgängerin dürfte er eine ebenso kompetente wie durchaus sozialistische Ressortpolitik verfolgen. Dafür wird seine starke Persönlichkeit im SPÖ-Klub fehlen.

Unterrichtsminister Helmut Zilk (SPÖ, Wien) ist ein medienerfahrener Machertyp mit Ideen, aus dem Schulbereich kommend, der Kultur zugetan. Ein guter Kontakt zur Kirche ist ihm, so die bisherige Erfahrung, zumindest ein politisches Anliegen.

Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager (FPÖ, Salzburg) ist alles andere als ein Spezialist, dafür ein Liberaler ohne Beigeschmack. Sein Verständnis für die Anliegen der Friedensbewegung könnte neue Akzente im

Heer setzen.

Verkehrsminister bleibt Karl Lausecker (SPÖ, Wien), ein Mann der Kleinarbeit. Große Reformen — etwa ÖBB, Gesamtverkehrskonzept — waren bisher freilich seine Sache nicht. Nun heißt es, diese Versäumnisse der letzten Jahre rasch wettzumachen.

Land wirtschaftsminister Günter Haiden (SPÖ, Steiermark) wurde lange Zeit unterschätzt. Erfolgreich bei sozialistischer Personalpolitik, weniger bei der Sicherung der bäuerlichen Einkommen, müßte er endlich bei der Biospriterzeugung Taten setzen.

Bautenminister Karl Seka- nina (SPÖ, Wien) hat bisher als Macher enttäuscht: zur Budgetnot kommt Ideenarmut. Gespannt darf man sein, wie er die extremen Standpunkte von SPÖ und FPÖ bei einer Reform der Wohnbauförderung unter einen Hut bringt.

Sozialminister Alfred Dal- linger (SPÖ, Wien), bisher rotes Tuch für die FPÖ, dürfte weder Stil noch Ton ändern und schon gar nicht von seinen Forderungen abrücken (35-StundenrWo- che). Dafür hat er - wohl abgesprochen — Rückendeckung im ÖGB.

Gesundheitsminister Kurt Steyrer (SPÖ, Wien) würde endlich auch mehr Kompetenzen brauchen, nicht nur den Umweltfonds, den er bekommen soll. Anlaß zur Unzufriedenheit ist aber die Spitalsfinanzierung, die zu lange schon einer Lösung harrt.

Familienministerin Elfriede Karl (SPÖ, Salzburg) kann ihre bisherige Tätigkeit als Staatssekretärin nicht unbedingt als Empfehlung einbringen. Ihr Ressort wurde vorerst nur erfunden, damit überhaupt eine Frau zu Ministerehren kommt. Also abwarten.

Wirtschafts-Staatssekretär Ferdinand Lacina (SPÖ, Wien), erst seit 1982 im Kanzleramt, bringt ökonomisches Fachwissen und Erfahrung ein. Wie Kreisky ist auch Sinowatz auf den kompetenten Adlatus, der eigentlich ministrabel wäre, angewiesen.

Beamten-Staatssekretär Franz Löschnak (SPÖ, Wien) — eigentlich nie umstritten — arbeitet im Kanzleramt eher still im Hintergrund. Das schadet nicht. Mehr schadet schon, daß es um eine effektive Verwaltungsreform gar so still geworden ist.

Frauen-Staatssekretärin Johanna Dohnal (SPÖ, Wien) bleibt im Kanzleramt: auch ein Zugeständnis an die bei der Regierungsbildung übel bedienten SPÖ-Frauen. Oft hat man den Eindruck, sie nimmt sich selbst als Maßstab für ihr Frauenbild.

Finanz-Staatssekretär Hol- ger Bauer (FPÖ, Wien) bringt für seine Aufgabe Fachwissen, aber keinerlei praktische Erfahrung mit. Jedenfalls ist er, bisher Finanzsprecher der Partei, ein sachkundiger „Aufpasser“, dem Herbert Salcher nichts vormachen kann.

Handels-Staatssekretär Erich Schmidt (SPÖ, Wien) ist unumstrittener Wirtschaftsfachmann des ÖGB, oft schon als Finanzminister im Gespräch. Steger wird sich auf keine Kraftprobe mit ihm einlassen. Dieser „Gehilfe“ ist wohl ebenso Herr im Haus.

Wohnbau-Staatssekretärin Beatrix Eypeltauer (SPÖ, Oberösterreich) bleibt, weil Not an der Frau ist, auch weiter. Sie konnte sich bis-, her noch nicht profilieren, wirkt initiativ, aber doch eher farblos. Liegt es an ihr — oder gar an ihrem Vorgesetzten Sekanina?

Agrar-Staatssekretär Ge- rulf Murer (FPÖ, Steiermark) ist der bescheidene Versuch, mehr Einfluß bei den Bauern zu gewinnen. Es sollte ihm nicht schwerfallen, Albin Schober vergessen zu lassen. Haiden wird ihm aber kaum viel Spielraum gewähren.

Umwelt-Staatssekretär Mario Ferrari-Brunnenfeld

(FPÖ, Kärnten) hat nach großen Sprüchen klein beigegeben. Ein schlechter Start für den nationalen Arzt — mit geringen Chancen, sich gegenüber Steyrer zu profilieren.

(Alle Fotos Holzner)

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