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ÖVP-Team im Angriff

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Wenn die in letzter Zeit aufgestellte These richtig ist, daß die SPÖ-Min-derheitsregierung ihr parlamentarisches Mimoritäts-Manko durch besonders gute Gesetzesvorlagen wettmachen will, dann dürfte dies angesichts der personellen Zusammensetzung des gegenwärtigen SPÖ-Parla-mentsklubs etwas schwer verwirklichbar sein. Wenn man weiter annehmen kann, daß die SPÖ-Regie-rungsmitglieder (elf SPÖ-Abgeord-nete auf der Regierungsbank!) neben ihrer exekutiven Tätigkeit und der Arbeit in der Partei wohl kaum parlamentarischen Full-Job verrichten werden können, und wenn man dem gegenüberstellt, daß eine ganze Reihe von ÖVP-Vollblutpolitikern durch den Machtwechsel — und gestärkt im „Stahlbad der SPÖ-Oppo-sitionsoffensive“ der letzten vier Jahre — ihr Tätigkeitsfeld in das Parlament verlegt haben, dann kann man (ohne Prophet zu sein), für und vor der nächsten Parlamentssession Einiges erwarten.

Immerhin dürfte in der ÖVP-Zen-trale bereits ein Rahmenkonzept existieren, das die Zusammenarbeit zwischen früheren Regierungsmit-gliedern, ÖVP-Klub und Kärntnerstraße vorbereitet. Durch eine solche „Symbiose“ zwischen Regierungserfahrenen, bewährten Klubmitarbeitern und einigen vielversprechenden „Newcomern“ — falls sie glückt — könnte die ÖVP in den nächsten Jahren ein schlagkräftiges Instrument der parlamentarischen Opposition besitzen. Einerseits wäre sie in der Lage, durch gekonnte parlamentarische Kleinarbeit am Zustandekommen guter Gesetze entscheidend mitzuwirken, anderseits könnte sie vom Haus am Ring her zum Sprung ansetzen, der die sozialistische Minderheit in eine schwierige Lage brächte. Es muß doch festgestellt werden, daß der Verlust des Sozialexperten Häuser, des Finanz- und Budgetfachmannes Dr. Androsch, des gewiegten Taktiker Dr. Staribacher und vor allem der beiden sozialistischen Starrhetoriker Gratz und Dr. Kreisky nur sehr schwer wettgemacht werden kann. Wohl hat die SPÖ noch Dr. Pittermann, Präsident Benya, (der nur selten das Wort ergreift), den Parteiideologen und Außenpolitiken Czernetz, den jungen Abgeordneten Lanc und Dr. Weihs; für Zwischenrufe wird Exstaatssekretär Weikhart sorgen, doch der Abgang so bedeutsamer Parlamentarier von Arbeitsgremien des Parlaments wird schwer wiegen. Umso schwerer nämlich, als unter den neuen sozialistischen Abgeordneten nur wenige zu finden sind, die wirklich imstande wären, die große Lücke zu schließen. So mag der IFES-Direktor Dr. Blecha in der Arbeitsmarktpolitik zum Sprecher aufsteigen, der junge Tiroler Abgeordnete Dr. Reichart zu Fragen der Sozialpolitik Stellung nehmen, und sich noch der junge Wiener Peter Schieder der Bildungspolitik annehmen — aber was dann noch vorhanden ist, ist nicht mehr erste Garnitur.

In einer glücklicheren Position ist da die ÖVP. Nicht nur die politische Bedeutung der von der Regierungsbank auf die Abgeordnetenaltze heruntergewechselten Exminister, sondern auch die reiche Auswahl an altbewährten Kräften unter den jungen Neuankömmlingen lassen — der Papierform gemäß — von der ÖVP Vieles erwarten. Beinahe jedes Ressort sieht auf ÖVP-Seite drei und mehr Spezialisten, die ihre Sache rhetorisch gut verpacken könnten:

• In der Außenpolitik kann die ÖVP neben Dr. Fiedler und Dr. Leitner nunmehr auf Gesandten Dr. Karasek und den früheren ÖJB-Obmann DDr. König zurückgreifen.

• Ein Übergewicht dürfte die ÖVP auf dem so wichtigen Gebiet der Finanz- und Budgetpolitik besitzen: höchst interessant dürften bald die Rededuelle zwischen dem Professor für Finanzwissenschaft, Koren, und dem früheren Koren-„Schüler“ Androsch werden. Die Bundeswirtschaftskammer entsendet wie bisher Sallinger und Mussil: auch die Industriepolitik findet endlich in dem Vorarlberger Dr. Blenk einen ÖVP' Vertreter.

• Ähnlich ist das Bild bei der Sozialpolitik: Wenngleich Frau Minister Rehor nicht mehr im Parlament ist, kann die ÖVP neben guten Namen (Dr. Kohlmaier) auch auf die „Newcomer“ Wedenig und Dr. Hu-binek bauen.

• Harte Debatten mit SPÖ-Landwirtschaftsminister Dr. öllinger könnten Exminister Schleinzer und Exstaatssekretär Minkowitsch liefern. Nicht zu vergessen der junge Dr. Krainer und Ing. Lettmaier.

• Gespannt darf man auch auf den parlamentarischen Erfolg von Doktor Mock sein.

• Gut ist der ÖVP-Klub auch hinsichtlich der Handels- und Integrationsfragen.

Ähnlich ist die personelle Besetzung auf fast allen anderen Gebieten. Und Eines: die ÖVP hat in den Personen des alten und neuen ÖVP-Parteiob-mannes, Dr. Klaus und Dr. Withalm ein Duo zur Verfügung, das der XII. Legislaturperiode den Stempel aufdrücken könnte.

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