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Digital In Arbeit

Statt Konzept Informationskrise

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„Welche Zeitung sollen wir jetzt Jeeen?“ So lautet die stereotype Frage unzähliger Anrufer in der ÖVP-Bundesparteileitung und in den ost-österreichischen Parteizentralen in Wien und Eisenstadt, nachdem das Partedongan „Volkslblatt“ am 15. November zum letztenmal erschienen war. Weder die „Gösinger Erklärungen“ des Bundesparteiobmannes Dr. Withalm noch das Wahlergebnis vom 4. Oktober oder das Notopfer eines „Oppositionsschillings“ hatten unter den Anhängern der großen Oppositionspartei derartiges Entsetzen ausgelöst wie die Einstellung dieser Tageszeitung, die noch zuletzt immerhin 150.000 Leser zählte. Die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bundesparteileitung und der sechs uninteressierten Bundesländerorganisationen sind zwar befriedigt. Das politische Unbehagen über den Ausverkauf des meiniungsbUdenden Instrumentariums aber ist größer geworden. Der Hauptvorwurf lautet: Warum hat man nicht das in Arbeit befindliche neue Pressekonzept abgewartet, ehe man 150.000 Leser „in die Wüste“ schickte? Weil konzeptlos, erfolgte die Einstellung des „Volksblattes“ auch völlig ersatzlos. „Wir werden den ÖVP-Pressedienst ausbauen“, versprach die Bundesparteileitumg. Doch auch dort weiß man, daß eine Nachrichtenagentur erat auf dem Umweg über eine Zeitung ihre Informationen an den Mann bringen kann. Auf diese Weise sehen sich die ÖVP-

Leitunigen in Wien, Niederösterreieh und im Burgenland, die samt „Volksblatt“ nicht aus den imformations-politischen Kinderschuhen herauswachsen konnten, über Nacht auf eigene Nachrichten-Beine gestellt.

In Niederösterreich fehlt es nicht an Geld. Landesparteiobmarm Dr. Pra-der will die Wochenzeitung »„Volkspresse“ ausbauen und alle Mitglieder zum Abonnement verpflichten.

Ähnliche Pläne bestehen seitens der burgenländischen ÖVP für die „Bur-genländische Volkszeitung“.

In Wien ist man sich darüber im klaren, daß man gegenüber einem mit 50 Millionen Schilling pro Jahr dotierten städtischen Propagandaamt und einer finanziell nahezu unbeschränkten Wiener SPÖ nicht billig wegkommen kann. Landespartei-obmann Dr. Bauer und Landespartei-sekretär Dr. Glatzl haben daher unverzüglich die sofortige Realisierung eines neuen Informationsmodells eingeleitet, mit dem man zwecks Koordinierung eigentlich noch auf das neue Pressekonzept der Parteizentrale warten wollte: • Die bündischen Zeitschriften „Freiheit“ (ÖAAB), „Der Wirt-schaftstreibende“ und „Der Bauern-bündler“ werden auf einer Seite pro Ausgabe Berichte und Kommentare

über die Arbeit der ÖVP-Fraktion im Wiener Rathaus bringen, aber auch die für Wien relevanten Fragen der Bundespolitik verstärkt berücksichtigen. „Der Wirtschafits-treibende“ und „Der Bauernlbünd-ler“ erreichen nahezu die gesamte Wiener Wirtsdhaft, Bemühungen um den Ausbau der auflageschwachen „Freiheit“ sind im Gange.

• Einmal vierteljährlich soll allen 70.000 Wiener Mitgliedern die Zeitschrift der Landesparteileitung, „Kontrast“, zugesendet werden. Sie soll eine gedrängte Übersicht der Initiativen, Erfolge und Konflikte im Wiener Rathaus und auf Bundesebene enthalten.

• Noch im Jänner soll die Neugestaltung der Nachrichtenblätter aller ÖVP-Bezirksorganisationen in Angriff genommen werden. Ziel ist die einheitliche Aufmachung, der koordinierte Inhalt und eine regelmäßige Erscheinungsfalge.

Zusätzlich will die Wiener ÖVP die parteiinterne Information „von oben nach unten und von unten nach oben“ ausbauen. Unerläßlich erscheint vor allem dem Klub der ÖVP-Gemeinderäte die verstärkte Pflege der Kontakte mit den verbleibenden Tageszeitungen und dem ORF, weil die unabhängigen Herausgeber Wiens seit Monaten eine auffallend „milde“ Rathausberichterstattung zu fördern scheinen und der ORF sich auf politische Landeskonflikte kaum einläßt, sondern eigentlich in allen Bundesländern durch eine „objektive Nachrichten-politik“ — vielleicht ungewollt — die Mehrheitspartei unterstützt.

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