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Nur Ruhe...?

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Klausurtagungen der Spitzenfunktionäre und der Parlamentarier der politischen Parteien sind nichts Neues. Man erinnert sich noch an die legendären Semmeringtagungen der ÖVP, auch noch in der Zeit der großen Koalition, oder an die Klausur des Parteivorstandes der Volkspartei in Gösing an der Mariazellerbahn, wo der damalige Parteiobmann Hermann Withalm beschloß, seinen Hut zu nehmen. Immer hatten diese Konferenzen den Hauch der Exklusivität um sich, ein ganzer Troß von Journalisten, Photographen, Kameraleuten und Tontechnikern mietete sich in möglichster Nähe der Tagungsstätte ein — und was immer dort geschah, es wurde in allen erdenklichen Varianten darüber spekuliert.

Als Bruno Kreisky das Amt des Bundeskanzlers übernahm, erkannte er, welches Kapital an Publicity er aus derartigen Veranstaltungen schlagen könnte; er versammelte von Zeit zu Zeit seine Regierungsmitglieder mit dem Ziel, daß jedesmal ein „Knüller“ das Licht der Öffentlichkeit erblicken sollte. Es gab vor allem eine Reihe solcher Tagungen, so jene in Bad Vöslau, wo unter anderem die Ankündigung der Gratis-schulbuchaktion durch den Unterrichtsminister erfolgte.

Auch der sozialistische Parla-

mentsklub hielt immer wieder Klausurtagungen ab. Nicht zuletzt, um den Informationsfluß zwischen Regierung und Parlamentsmannschaft zu verstärken, der — wie verlautet — nicht immer besonders gut gewesen sein soll, so daß die Abgeordneten vorwiegend aus den Massenmedien erfahren mußten, welche neuen Initiativen die Regierung setzen will.

Der Stellenwert an Publikumswirksamkeit solcher Klausurtagungen hat sich freilich von Mal zu Mal eigentlich verschlechtert; die Berichte darüber werden immer kürzer. Oder fällt vielleicht den Hauptakteuren der politischen Szenerie immer weniger ein?

Mißt man die Länge von Berichten über die beiden Tagungen der Regierungspartei in Krems und der ÖVP in Badgastein, so fällt auf, daß die Volkspartei besser wegkommt. Böse Zungen behaupten gerne, dies sei deshalb so, weil eben in Österreich mehr Journalisten und Zeitungen immer noch dem bürgerlichen Lager näherstehen als dem sozialistischen. Sicher ist ganz allgemein, daß zumindest von den Zeitungen die Politik der ÖVP viel rigoroser beurteilt wird als die der SPÖ. Was immer ein Spitzenfunktionär der ÖVP sagt oder tut, es wird auf Herz und Nieren geprüft.

Denkt man einige Tage nach Abschluß der beiden letzten Herbsttagungen der Parlamentsklubs darüber nach, was dort eigentlich an richtungweisenden Maßnahmen beschlossen worden ist, so bleibt nicht übertrieben viel übrig. Bei den Sozialisten war es ein vager Plan des Bundeskanzlers, jungen Ehepaaren bei hohen Wohnungskosten einen Mietzinszuschuß zu gewähren und die Ankündigung, die Rundfunkgesetznovelle dem nächsten Ministerrat zur Beschlußfassung vorzulegen. Bei der ÖVP ist es vor allem das Schlagwort von der „differenzierten Oppositionspolitik“, und in diesem Zusammenhang die Erklärung zur Rundfunkgesetznovelle. Hier sollte sich bereite die Gesprächsbereitschaft der ÖVP zeigen; und es hieß bei der Klausur in Gastein, daß es kein Gesetz gebe, das tabu wäre — nur müsse eine Novellierung mit einer Verbesserung einhergehen. Die Ankündigung einer differenzierten Oppositionspolitik der Volkspartei mag darauf zurückzuführen sein, daß sich Schleinzer & Co. von der Regierung, was etwaige Parteiengespräche betrifft, völlig vernachlässigt fühlen.

Daß dies nicht so ohne Grund ist, beweist die Tatsache, daß Bundeskanzler Kreisky zwar für den Herbst Parteiengespräche mit der ÖVP über verschiedene Materien angekündigt

hatte, daß diese aber bisher nie zustande gekommen sind. Dazu muß allerdings gesagt werden, daß Kreisky seinerzeit zwar die Initiative dazu ergriffen hat und von sich aus Themen und Termine angeboten hatte, daß er aber von ÖVP-Obmann Schleinzer keine Zusage erhielt. Schleinzer wollte einerseits den Themenkreis ausgeweitet wissen, auf der anderen Seite forderte' er die Teilnahme einiger Persönlichkeiten, die sich jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht in Wien, sondern bei der Weltwährungskonferenz in Nairobi aufhielten. Wer Bruno Kreisky kennt, weiß, daß er solchen Kautelen von Anfang an ablehnend gegenübersteht. Daher wurde gleich überhaupt nicht geredet.

Nicht zuletzt, um das Rad wieder in Schwung zu bringen, gab es offenbar die Ankündigung der differenzierten Oppositionspolitik der ÖVP. Worauf dann sofort die „Holzham-mer“-Argumentation der Sozialisten folgte: Wenn ihr erst jetzt eine differenzierte Oppositionspolitik betreiben müßt, habt ihr wohl bis jetzt eine undifferenzierte, sprich: „Neinsagerpolitik“, gemacht.

Was bleibt also von den beiden Klubtagungen als Ergebnis?

Wenig. Die Themen der National-

ratssitzungen sind vorgezeichnet, Hauptpunkt ist das Budget für 1974 — die ÖVP wird ihm sicher nicht (ob differenzierte oder undifferenzierte Oppositionspolitik) zustimmen. Hinter den dicken Polstertüren mächtiger Spzialpartnerbosse wird das erbitterte Tauziehen um die neue Arbeitsverfassung demnächst sein Ende finden. Die ÖVP wird dann diesem Gesetz zustimmen, weil die Sozialpartnerfunktionäre, die teilweise zugleich auch Spitzenfunktionäre der Volkspartei sind, das längst beschlossen haben. Im Bundesrat wird die ÖVP ihre temporäre Mehrheit da und dort einsetzen und sofort dem Propagandaterror der SPÖ („Neinsagerpartei“) anheimfallen. Viele Materien werden im außerparlamentarischen Raum längst abgesprochen sein, ehe sie in die Maschinerie der Gesetzgebung eingespeist werden. Der vielfach prognostizierte „heiße Herbst“ wird nicht wesentlich anders verlaufen als in den Jahren vorher. Um mit Nestroy zu sprechen: „Nur Ruhe.“

Bleibt nur die Strafrechtsreform. Man geht nicht fehl, hier wohl die tiefgehendste Spannung der Lager Österreichs seit gut 20 Jahren zu prognostizieren.

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