6878867-1979_02_03.jpg
Digital In Arbeit

Die Parteisoldaten stehen Gewehr bei Fuß

19451960198020002020

Ganz im Schatten des weihnachtlichen Friedens und der zum Jahreswechsel obligaten Ausgelassenheit hat in den Parteizentralen der „Countdown“ für die aufwendigste und vielleicht auch aufregendste Wahlschlacht seit 1945 eingesetzt: Generalmobilmachung bei den Parteisoldaten. Bruno Kreisky, seit bald neun Jahren Kanzler, wirft noch einmal sein volles Gewicht in die Auseinandersetzung: denn „Erfahrung zählt“. Josef Taus - im Dreigestirn mit Sixtus Lanner und Alois Mock - sowie 16 als „neue Wege für Österreich“ angebotene Konzepte sind die Waffen der ÖVP. FPÖ-Gene-ralsekretär Helmut Krünes wiederum spricht von Götz-Wahlen: „Wir haben den Mann, der in einer schwierigen Situation die Probleme meistert.“ i

19451960198020002020

Ganz im Schatten des weihnachtlichen Friedens und der zum Jahreswechsel obligaten Ausgelassenheit hat in den Parteizentralen der „Countdown“ für die aufwendigste und vielleicht auch aufregendste Wahlschlacht seit 1945 eingesetzt: Generalmobilmachung bei den Parteisoldaten. Bruno Kreisky, seit bald neun Jahren Kanzler, wirft noch einmal sein volles Gewicht in die Auseinandersetzung: denn „Erfahrung zählt“. Josef Taus - im Dreigestirn mit Sixtus Lanner und Alois Mock - sowie 16 als „neue Wege für Österreich“ angebotene Konzepte sind die Waffen der ÖVP. FPÖ-Gene-ralsekretär Helmut Krünes wiederum spricht von Götz-Wahlen: „Wir haben den Mann, der in einer schwierigen Situation die Probleme meistert.“ i

Werbung
Werbung
Werbung

„Im Interesse eines kurzen Wahlkampfes wollen wir einen früheren Wahltermin als den gesetzlich vorgesehenen. Also noch vor dem Sommer“, begründet SPÖ-Zentralsekre-tär Fritz Marsch die von Bundeskanzler Bruno Kreisky ins Gespräch gebrachte Vorverlegung der Nationalratswahl vom 7. Oktober auf den 6. Mai. Daß man verfrühte Wahlen auch anders interpretieren kann, hat allerdings das SPÖ-Organ „Arbeiterzei-i tung“ vor wenigen Tagen verraten -freilich mit Blickrichtung Spanien: „Premier Suarez' Flucht nach vorn“ lautete jüngst der Titel eines Artikels, worin es hieß, der spanische Regierungschef habe für 1. März Neuwahlen festgesetzt...

Ein außerordentlicher SPÖ-Partei-tag wird am 2. und 3. März die Bühne für die Präsentation der sozialistischen Wahlplattform abgeben: Die Schwerpunkte werden - wie könnte es angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage anders sein -auf wirtschaftlichem Gebiet und hier wieder vorrangig auf der Sicherung der Arbeitsplätze liegen.

Bruno Kreisky - „Jetzt erst recht!“

In allen Phasen des Wahlkampfes werden die Sozialisten ihre Aktivitäten von einer einzigen Persönlichkeit überstrahlen lassen: Bruno Kreisky -diesmal nicht „Wer sonst?“, sondern trotzig „Jetzt erst recht!“. Mit der Führung eines Kreisky-Wahlkamp-fes wird sich für die SPÖ, so Fritz Marsch, gegenüber 1975 nichts ändern. Im Gegenteil: „Wir sind uns bewußt, daß die SPÖ nicht allein die absolute Mehrheit bekommt“, spielt der Zentralsekretär auf die jüngsten

IFES-Meinungsforschungsergeb-nisse an. Danach käme die SPÖ lediglich auf 49 Prozent (1975: 50,4 Prozent), während aber 57 Prozent der Wähler Ja zu Bruno Kreisky sagen würden.

Primär werden die Sozialisten einen Leistungswahlkampf führen. Hier lautet das Stichwort „Der österreichische Weg“. Dazu Marsch: „Diese Formulierung stammt gar nicht von uns, die kommt aus dem Ausland. Dort meint man damit etwa, daß wir in Österreich im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern keine Arbeitslosigkeit haben.“

Wird die Regierung auch in diesem Wahlkampf Zuckerln verteilen? Etwa eine Arbeitszeitverkürzung auf

35 Wochenstunden, wie sie derzeit in der Bundesrepublik zur Diskussion steht? „1979 wird's keine Zuckerlverteilung geben“, winkt Marsch mit knappen Worten ab. Schließlich hat ja bereits ÖGB-Präsident Anton Be-nya sein Desinteresse bekundet: „Damit ist schon einiges gesagt!“

Die oppositionelle Volkspartei hält auch nicht viel vom Zuckerlverteilen. Freilich, fernab der regierungsamtlichen Futtertröge bliebe ihr auch gar nichts anderes übrig. Generalsekretär Sixtus Lanner glaubt zu wissen, „was dieses Land wieder braucht: weniger versprechen- mehr halten“!

Wenn die Wahlkampf-Vorbereitungen der Volkspartei auch immer auf den Normaltermin im Oktober abgestellt waren, so war Lanners ÖVP doch auch auf eine eventuelle Vorverlegung gefaßt: „Für den Fall, daß die Regierung net mehr weiterkann. Offenbar ist es jetzt soweit, daß die Regierung ihren internen Streit nur noch auf diese Weise kitten kann.“

Noch bevor der Wahlkampf „heiß“ wird, möchte die Volkspartei ihre im März 1977 auf dem Linzer Parteitag angekündigte Phase der Alternativen

beenden. Lanner: „Bisher haben wir elf Konzepte vorgelegt; fünf werden noch folgen.“ Die Themen dieser letzten Papiere werden Gesundheit, Einkommenssicherung, Medien, Jugendbeschäftigung und die Frau in der Gesellschaft sein: „Damit die Bevölkerung zeitgerecht vor der Wahl die Palette der Alternativen vorliegen hat.“

„Österreich-Tag“ für ÖVP-Wahlplattform

Der ursprünglich für 4. und 5. Mai vorgesehene Österreich-Tag muß nun wegen des frühen Wahltermins auf Anfang oder Mitte März vorverlegt werden. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird die ÖVP, so Lanner, ihre Wahlplattform beschließen: „Keine 107 Punkte, aber ein Konzentrat der politischen Leitlinien wie sie in den Konzepten zum Ausdruck kommen. Schwerpunkte werden sein: Sicherheit durch Leistung, Arbeitsplätze, Pensionssicherung sowie Umwelt im weitesten Sinne.“ Der Begriff Umwelt sei für die ÖVP auch sehr stark mit Verantwortung verbunden,

Von den neuen SPÖ-Umfrageda-ten zeigt sich Sixtus Lanner nicht überrascht: „Unsere Umfragen zeigen auch seit vielen Monaten: Die Sozialisten sind weit von der absoluten Mehrheit weg.“ Daß Kreiskys Kanzler-Bonus ÖVP-Chef Taus etwas abgeschlagen erscheinen läßt, ist Lanner klar. Als die ÖVP die alleinige Regierungsverantwortung gehabt habe, sei der Abstand zwischen den Sympathiewerten von Bundeskanzler Josef Klaus und Oppositionsführer Bruno Kreisky für die Sozialisten beängstigend groß gewesen: „So etwas beeindruckt mich nicht.“

Diesen Mangel in der Anziehungskraft ihres Parteiobmannes Josef Taus, der eben über keinen Kanzler-Bonus verfügt, möchte die ÖVP durch das zusätzliche Herausstreichen von Klubchef Alois Mock und Sixtus Lanner ausgleichen. Dennoch aber, so Lanner, werde der Parteiobmann die zentrale Figur im Wahlkampf der Volkspartei sein: „Mock und ich sind nur unterstützend eingesetzt. Man sollte die Chance doch nützen, wenn wir drei uns so gut miteinander verstehen.“

Ebenso wie die Regierungspartei setzen auch die Freiheitlichen auf die Zugpferdqualitäten ihres neuen Parteiobmannes. Mit Alexander Götz steht ein Mann an der Spitze, dessen „Profil“ möglichst vielen Leuten bekannt sein soll, wie sich der aus dem Wirtschafts-Management kommende FPÖ-Generalsekretär Helmut Krünes ausdrückt: „Es werden Götz-Wahlen, alle anderen Dinge stehen im Hintergrund.“

Nach Ansicht des FPÖ-Generalse-kretärs, der als Götz-Statthalter in Wien bezeichnet wird, wurde die FPÖ unter dem neuen Obmann zu einer Partei, „die wirklich mitredet und nicht nur das Zünglein an der Waage ist“. Die Wachablöse an der Spitze der FPÖ hält Krünes für jenes entscheidende politische Ereignis des Jahres 1978, das alles in neuem Lichte erscheinen läßt: „Wäre nicht der Götz aufgetaucht, wäre die kommende Wahl vielleicht ganz anders zu beurteilen.“

Sollte die FPÖ bei den nächsten Wahlen der ÖVP mehr Stimmen wegnehmen als der SPÖ („Götz liegt bei den Arbeitern gar nicht so schlecht, wie immer behauptet wird ...“), so könnte die Volkspartei immer noch heilfroh sein: Vor zwei Jahren hätte niemand geglaubt, daß der SPÖ ihre absolute Mehrheit wegzunehmen ist.

„Wir haben gehofft, daß früher gewählt wird, und waren auch vorbereitet darauf, kommentiert Helmut Krünes den Mai-Wahltermin für seine Partei. „Das soll aber nicht heißen, daß wir jetzt nicht trotzdem mit Volldampf fahren müssen.“ Eine Klausur des FPÖ-Parteivorstandes am 20. und 21. Jänner wird die letzten Weichen für die Wahlauseinandersetzung stellen.

Für den Auftakt zum Intensiv-Wahlkampf ist eine Großveranstaltung vorgesehen, auf der die Wahlplattform der Freiheitlichen verabschiedet werden soll. Bereits seit längerer Zeit lauft eine Götz-Veranstaltungsreihe, die den neuen FPÖ-Chef in alle Winkeln Österreichs bringt (Krünes: .„Wir suchen überall den größten Saal...“). Einer dieser Auftritte wird voraussichtlich in die Auftakt-Veranstaltung umgewidmet.

Die Wahlplattform befindet sich bereits im Stadium der Endredaktion. Die Themen: Verfassungswirklichkeit (Bürgernähe, Parteienstaat); Wirtschaft, Verwaltung, Steuern; sowie Sozial- und Familienpolitik. In der Sozialpolitik soll es nach den Konzepten der FPÖ weniger um finanzielle Fragen gehen. Krünes: „Die Frage ist vielmehr: Ist der Mensch, wenn er in Not gerät, wirklich versorgt?“

Darüber hinaus möchte die FPÖ eine Zukunftsdiskussion in Gang bringen bzw. halten. Die langfristigen Überlegungen sollten viel stärker berücksichtigt werden, meint Krünes: „Uns interessiert nicht nur die nächste Wahl.“

FP-Krünes: SPÖ und ÖVP Kopf an Kopf

Das jüngste IFES-Ergebnis hält Helmut Krünes für „ausgesprochen falsch“. Der Unterschied zwischen SPÖ und ÖVP stimme nicht: „Es gibt derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die ÖVP hat fast gleichgezogen mit der SPÖ.“ Aber auch die FPÖ liege weit besser, als angenommen wird: „Seit Monaten liegt die FPÖ über sechs Prozent.“ (Bei den letzten Wahlen kam die FPÖ auf 5,4 Prozent.)

Daß es um Götz in den letzten Wochen wieder etwas stiller geworden sei, dementiert Krünes heftig: „Ich bin ganz sicher, daß Götz kein Tal erlebt, er steigt ständig in der Beliebtheit. Mit dem Bekanntheitsgrad von Götz haben wir unser Wählerpotential bereits um ein Zehnfaches überschritten. Es gibt kaum einen mehr in Österreich, der Götz nicht der FPÖ zuordnen würde. Aber Bekanntheit allein ist gar nichts. Es geht auch darum, ob jemand sympathisch und vertrauenswürdig ist. Auch in diesen Punkten kann ich zufrieden sein.“ Noch im Jänner möchte die FPÖ übrigens mit einer eigenen Meinungsumfrage aufwarten.

Helmut Krünes, der mit Fritz

Marsch und Sixtus Lanner bis Ende Jänner ein neues Fairneß-Abkommen auszuhandeln hat, möchte auch Meinungsforschungsergebnisse und deren Interpretation in dieses Abkommen einbeziehen: „Ich werde mich jedenfalls dafür einsetzen, daß Umfragen nicht als Mittel zur Agitation herangezogen werden.“

SPÖ-Zentralsekretär Fritz Marsch wünscht sich von diesem neuen Fairneß-Abkommen, daß es nicht nur für die Wahl' gelte, „sondern für die politische Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda überhaupt“. Auch über eine gesetzliche Begrenzung der Kosten und der Dauer des Wahlkampfes soll Einigung erzielt werden (1975 legte sich die SPÖ im damaligen Abkommen auf 28 Millionen Schilling fest, der Intensiv-Wahl-kampf war auf fünf Wochen begrenzt).

Damit persönliche Verunglimpfungen, wie sie in Wahlkämpfen erfahrungsgemäß leider immer wieder

vorkommen, nicht zu Prestige-Angelegenheiten werden, ist diesmal, so Marsch, als erste Instanz für Streitfälle eine interne Schlichtungsstelle vorgesehen. Ein öffentliches Schiedsgericht ist erst in zweiter Instanz zuständig.

Die „Kurier-Fälschung“ vom letzten Wiener Gemeinderatswahlkampf ist für Fritz Marsch ein weiteres Stichwort: „Die Aufklärung geschieht gar nicht langsam. Wir haben auch ein Interesse an der Aufklärung. Der Punkt ist ja auch ein Anliegen im neuen Fairneß-Abkommen.“ (Kurz vor der Wiener Wahl waren gefälschte Zeitungen als Agitation gegen die ÖVP in die Kurier-Taschen gesteckt worden.)

Sixtus Lanner hingegen hält seinen . Vorwurf im Zusammenhang mit der „Kurier-Fälschung“ (schleppende Aufklärung) voll aufrecht: „Will man hier etwas verbergen?“ Das Fairneß-Abkommen müsse auch sicherstellen, daß ähnliche Dinge in Hinkunft schneller aufgeklärt werden. Denn, Fairneß könne nur sein, daß man trachtet, möglichst rasch aufzuklären und Mißgriffe an den Pranger zu stellen: „Wir sind am Fairneß-Abkommen jedenfalls sehr interessiert. Aber es soll niemand auf ein Stück Papier warten, sondern einfach Fairneß üben.“

Vorwahlen diesmal nur parteiintern?

Ebenso wie die SPÖ wird diesmal auch die ÖVP nur parteiinterne Vorwahlen im Rahmen der Kandidatenaufstellung abhalten. Die Mitglieder haben vor der endgültigen Fixierung der Wahlkreislisteh (wie im Statut vorgesehen) ein Wörtchen mitzureden.

Auf dem Gebiet der Wahlrechtsreform wird die Volkspartei bis zum Wahltermin aktiv bleiben. Ihr zentrales Anliegen bleibt die Einführung der Briefwahl. Für Februar hat die Volkspartei, so Lanner, eine internationale Enquete zu diesem Thema einberufen: „Damit soll bewiesen werden, daß es international gang und gäbe ist, daß auch die älteren und kranken Menschen wählen dürfen.“

Während SPÖ-Marsch eingesteht, für den anlaufenden Super-Wahlkampfwohl mindestens 30 Millionen Schilling zu brauchen, und Helmut Krünes . die exorbitanten Wahlkampfkosten für vergeudetes Geld! hält, zeigt sich Sixtus Lanner, auf die Frage, wieviel Millionen seine Partei für den Wahlkampf auf der hohen Kante habe, eher verschlossen: „Ersparen Sie mir diese leidvolle Frage ...: Zuwenig!“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung