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IM SPIEGEL DER PRESSE

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Man wird aus mancher Not eine Tugend machen müssen und zum Beispiel Verfassungsgesetze und Verfassungsänderungen auf ein Minimun einschränken — eben weil man keine Zweidrittelmehrheit zur Verfügung hat —, und das wird unserer Verfassung vielleicht eher wohlfun. Und man wird vielleicht jetzt leichter lernen, sich als Gewählter für alle verantwortlich zu fühlen, auch für die, die einen bestimmt nicht gewählt haben. Und man wird die Problematik der Opposition auch in der Regierung besser und ehrlicher durchdenken — weil man morgen vielleicht Opposition sein kann. Man wird schließlich als Opposition auch nicht alles und jedes versprechen können, weil man morgen vielleicht vor die Aufgabe gestellt ist, es auch wirklich zu erfüllen. Und man wird vielleicht sein Ressort anders verwalten, wenn man eingedenk ist, daß schon morgen auf dem bisher in Erbpacht erscheinenden Schreibtisch ein Minister einer anderen Farbe sitzen kann.

Wir brauchen also keine Angst vor den neuen Formen, den neuen Wegen, den neuen Möglichkeiten unserer Demokratie haben, wenn alle wirklich das sind, was sie immer versprechen — nämlich Demokraten; und wenn alle wirklich das lieben, was sie immer vorgeben — nämlich Österreich.

(Harry Slapnicka: „Demokratie auf neuen Wegen")

Gemessen an den Spielregeln der klassischen Demokratie und an den Gesetzen der Logik waren die „Regierungsverhandlungen", die in den letzten Wochen zwischen ÖVP und SPÖ geführt wurden, von vornherein sinnlos. In keinem Land mit Nationaldemokratie, wie etwa in England, hätte es das gegeben: Daß sich eine Partei um die absolute Mehrheit bemüht, die sie dann auch prompt bekommt, und dann nichts Eiligeres zu tun hat, als sofort wieder in Koa- lifionsverhandlungen mit der anderen Partei einzufreten.

Aber wir sind eben noch keine Normaldemokratie. Daher plädierten starke Kräfte in beiden Parteien dafür, doch noch den Versuch zu wagen, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Außer parteipolitischen Gründen hie wie dort gibt es für diese manchen Ausländer absurd anmutenden Bemühungen zumindest ein staatspolitisches Argument, das auch die scharfsinnigsten Kritiker der Koalition bisher nicht entkräften konnten. Frei nach Dr. Maleta lautet dieses Argument: Die Koalition ÖVP—SPÖ ist jene politische Form, die es noch am ehesten gestattet, in allen Lagern vorhandene politische Leidenschaften und Ressentiments am Ausbrechen zu hindern. — Allein deshalb war der Versuch der sechs Unterhändler der Mühe wert gewesen.

(Kurf Vorholer: „Die SPÖ setzt zum Sprung ins Dunkle an )

Es verdient festgehalten zu werden, daß es in der SPÖ gewichtige und weitschauende Politiker gegeben hat, die, wie das sonntägige Gespräch zwischen Dr. Kreisky und Dr. Schach- ner mit Bundeskanzler Dr. Klaus und Generalsekretär Withalm deutlich werden lief), bis zur letzten Stunde um die Möglichkeit der Zusammenarbeit gerungen haben. Man kann nicht einmal sagen, daß sie auf verlorenem Posten gestanden sind. Denn die zehn Stimmen, die sich in der Parfeivertretung für die Zusammenarbeit entschieden haben, wiegen schwer, wenn man bedenkt, daß es sich dabei um Männer handelt, die zweifellos am wenigsten Ursache haben, sich für den Mißerfolg ihrer Partei bei den letzten Wahlen verantwortlich zu fühlen. Natürlich wissen wir nicht, wer wofür gestimmt hat in diesem sozialistischen Gremium; es liegt aber auf der Hand, wenn man die Diskussionen auf dem außerordentlichen sozialistischen Parteitag gelesen hat.

(Wolfer Pollak: ,,Quo vadis. SPÖ?")

Die dramatisch hin- und widerwogende Entwicklung der letzten Tage hat einmal mehr die alte Bismarck- Weisheit bekräftigt, daß Politik „ein flüssiges Element" sei. Aus dem Wasser der österreichischen Innenpolitik haben in den letzten Tagen mit wechselnder Deutlichkeit viele Gesichter geblickt: Koalition wie bisher, Einparteienregierung, Koalition auf Probe … Ursache dieses schillernden

Erscheinungsbildes war die Vielfalt der Meinungen innerhalb der Sozialistischen Partei, der die ÖVP-Regie- rungsunterhändler in der bis Donnerstag währenden Verhandlungsphase geschickt die Entscheidungslast zugewuchtet haften.

Was zu Beginn buntes Fächerspiel einer einfallsreichen Taktik gewesen sein mochte, ist im Lauf der letzten Wochen zu einer auf vielen Parteiebenen echt und ehrlich ausdiskutierten Existenzfrage der Sozialistischen Partei Österreichs geworden: Regierungsteilnahme oder Opposition.

(Hubert Feichtlbouer: „Dem Milregieren eine Chancel")

Es geht nicht darum, die Vergangenheit in Bausch und Bogen zu verwerfen, noch aber geht es an, sie einfach zu idealisieren und über ihre Fehler hinwegzugehen. Meiner persönlichen Meinung nach ist die von Renner wiederholt kritisierte Politik Otto Bauers nicht nur an den Diktaturgelüsten des österreichischen Bürgertums und nicht bloß an der internationalen Situation gescheitert, sondern hätte auch unter günstigeren Umständen nicht zum Erfolg geführt, da die Mischung von Zurückweichen in der Praxis und revolutionärer Phraseologie keine tragfähige Grundlage darstellte.

(Norbert Leser: „Was war der Austromarxismus?')

Es muß einmal ausgesprochen werden: Eine Diskussion hat nur dann Werf, wenn sie sich auf Tatsachen stützt, nicht aber, wenn man sich damit begnügt, unbeweisbare Thesen aufzustellen. Behauptet zum Beispiel Norbert Leser, „daß die Partei am nichtbewälfigten Austromarxismus der Ersten Republik leidet", dann wird damit nur eine ganz und gar subjektive Meinung zu einer, wie er selbst sagt, Grundthese erhoben, die man — je nachdem — ablehnen kann oder nicht; sie ist und bleibt eben nur eine These, wollte man unhöflich sein (was ich nicht bin), eine fixe Idee. Die innen- und außenpolitischen Probleme der Ersten und der Zweiten Republik sind so verschieden, daß diese Verschiedenheit nur der nicht wahrnimmt, der sie nicht wahrnehmen will.

(Juliui Deutsch: „Woran leidet die Zweite Republik!')

Sowohl der Unternehmer-(Wirf- schafts-) als auch der Arbeiter- und Angestelltenbund (ÖAAB) in der österreichischen Volkspartei haben schon vor geraumer Zeit einen Ausschuß bestellt, mit dem Auftrag, zu prüfen, wie die verstaatlichte Industrie reorganisiert werden könnte, für welche seit dem August 1959 die von Dr. Pittermann geleitete Sektion IV im Bundeskanzleramt in einer so undurchsichtigen Art verantwortlich war, daß Reformen unausbleiblich geworden sind. Bis am 6. März hatte die verstaatlichte Industrie (samt DDSG) die Geltung eines macht- und parteipolitischen Imperiums (das aus vielen „Industriefürstentümern" besteht). Sein erster „General" war Dr. Krauland (ÖVP), der zweite Ing. Waldbrunner (SPö), der dritte (1956 bis 1959) eine von der Regierung proportional zusammengesetzte GmbH, mit Doktor Igler (ÖVP) als dem einen Geschäftsführer, der vierte Dr. Pittermann. Jetzt soll zum fünftenmal eine verantwortliche (Führungs-) Instanz bestellt werden. Der Wirtschaftsbund rät zu einem zwölfköpfigen Treuhänderkollegium, der ÖAAB indes zu einer rein gesellschaftlichen Lösung und zu voller Unabhängigkeit vom jeweiligen Ausgang der National- rafswahlen …

Der Republik Österreich als Aktionär muß wieder handlungs- und entscheidungsfähig werden, wenn es um Konzentration, Expansionsfinanzierung, Verkauf lebensunfähiger Unternehmen und Betriebe, Produktionsprogrammänderungen oder um die Kooperation mir anderen Konzernen geht. Regional- und parteipolitische Gründe dürfen nicht mehr gcund- egend die betriebs- und volkswirtschaftliche Ratio stören. Dann wird es nicht mehr nötig und verantwortbar sein, daß Posten in den verstaatlichten Jnternehmen doppelt besetzt werden, die Ressorts von Sachkundigen gelei- et und junge Fachleute ohne Parteisuch aller Aufstiegsmöglichkeiten beraubt werden. Vorbild könnten Geschäftsführung und Ämterbesefzung sein, wie sie in den verstaatlichten Großbanken und im dipliomatischen Dienst des Außenamtes anzutreffen sind.

(„Die verstaatlichte Industrie in Österreich")

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