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Blick nach vorn — ohne Zorn

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griff sverwirrung, die. in mühevoller Kleinarbeit geklärt werden muß.

• Der Ruf nach einem echten österreichischen Staatsfeiertag will nicht verstummen.

• Es gibt zahlreiche Preise für die verschiedenen Gebiete geistiger Tätigkeit, Stiftungen, Ministerien und Länder bemühen sich darum. Wo aber ist der große österreichpreis, der für einen einmaligen, international anerkannten Einsatz für Österreich verliehen wird?

• Volkskunde wird zwar auf Landesebene gepflegt und manchmal unter dem Titel Folkloristik auch kommerziell „verfremdet“, aber nirgends als staatsbildendes Element anerkannt und über lokale Interessen bewußt herausgehoben.

• Hierher gehören auch die sehr vernachlässigten Probleme des Natur-, Denkmal- und Heimatschutzes,

die durch die fortschreitende „Kommerzialisierung des Denkens“ von Jahr zu Jahr dringlicher werden.

Die Liste ließe sich unschwer fortsetzen. Ein umfassendes Konzept

ist notwendig, um alle diese Forderungen, denen es bisher an notwendigem Nachdruck gefehlt hat, nun endlich systematisch zu realisieren. In diesem Rahmen werden sich die Aufgaben eines unbürokratischen

Österreichdienstes zu bewegen haben.

Wache Geister haben in den letzten Jahren immer eindringlicher vor einem wachsenden Unbehagen in der Demokratie gewarnt. Was ist der Grund für dieses Unbehagen? Ist es wirklich ein Versagen der Demokratie? Ist es nicht vielmehr ein immer stärker zutage tretender allgemeiner Mangel an geistigen Inhalten überhaupt, der im gesamten öffentlichen Leben festzustellen ist? So wie der Einzelmensch die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt, so der Staat nach seiner Existenz. Staatsidee und Staatsbewußtsein werden so im Leben eines Volkes zu gravierenden Faktoren; man sollte sie nicht weiter unterschätzen und der Tagespolitik, der Wahlarithmetik, dem Konsum und der Wohlfahrt nachordnen.

Die burgenländischen Landtagswahlen waren ohne Zweifel eine — wenn auch nicht gerade große — Testwahl für die Bundespolitik. Die politische Nüchternheit verlangt vom objektiven Beobachter des Wahlausganges diese Feststellung. Zwischen Siegestaumel auf der einen Seite und Depressionen auf der anderen liegt der Ansatzpunkt für eine realistische Schau des Wahlergebnisses.

In der Tat hat sich also die sozialistische Wahlspekulation mit Habsburg und Esterhäzy als wahlpolitisch effektvoll und ertragreich erwiesen. Ob mit der Esterhäzy-Frage allein die Rechnung aufgegangen wäre, bleibt offen. Es war ein wahlpolitischer Fehler der Bundes-ÖVP, die Tragweite der Koppelung der österreichischen und burgenländischen „Habsburg-Frage“ im Wahlkampf und die Auswirkungen auf das Wahlergebnis nicht erkannt zu haben. Die Wahlreisen des designierten Bundeskanzlers konnten diesen politischen und wahlpsychologischen

Fehler nicht mehr gutmachen.

Und die Zukunft?

Je mehr die Siegesfeiern bei der SPÖ verrauschen und sich in der Landesparteileitung der ÖVP die Depressionszustände verflüchtigen, um so mehr ist es notwendig, an die Zukunft zu denken. Wenn auch die SPÖ zuversichtlicher an die Zu-kunftsaufgaben herantreten kann als die ÖVP, so wird sie doch gewaltige Anstrengungen machen müssen, um ihre politischen Positionen, die ihr über Nacht zugefallen sind, zu festigen, zu behalten und auszubauen. Gewiß hat Bögt, der alte große Mann der Partei, der auf den Plakaten solide, vertrauensvoll und ruhig wirkte, so daß er mit Schärf verglichen wurde, die Partei aus einer Zwangssituation befreit und ihr die Wege geöffnet zum Aufstieg zur Mehrheitspartei. Seiner Aufgeschlossenheit, Toleranz und Selbstlosigkeit verdankt die Partei ihr neues Gesicht und das zunehmende landespolitische Prestige. Aber er ist bereits 64 Jahre alt und hat nun die Aufgabe, den Generationswechsel vorzubereiten und alsbald einen Jüngeren mit seiner Nachfolge zu betrauen. Mit siegreichen alten Männern haben es Parteien oft nicht leicht. Auch die Nachfolgerfrage wird der Partei manches Kopfzerbrechen verursachen. Die Partei verfügt über einige fähige Kronprinzen, wie zum Beispiel Landesrat Kery und Lahdesparteisekretär Doktor Sinowotz, aber beide sind für das Amt eines Landesvaters noch zu jung. Sie hat keinen zweiten Bögl, würde aber bereits in einigen Jahren, noch vor der nächsten Landtagswahl, einen solchen etwa im Alter von 50 Jahren brauchen, um ihn rechtzeitig „aufbauen“ zu können.

Einen sozialistischen Landeshauptmann sind die Burgenländer ungewohnt. Sie werden daher aufmerksam auf das Landhaus schauen und alle Vorgänge genau registrieren. Entscheidend wird es sein, wie sich die Partei nun einführt. Die Gefahr ist groß, einem Machtrausch zu verfallen. Er wird geschürt von vielen kleinen Funktionären und Parteimitgliedern, die noch parteiideologisch in den dreißiger Jahren leben. Da wird es nun darauf ankommen, daß Bögl nicht die Zügel entgleiten und behutsam und maßvoll in allem vorgegangen wird. An den „Futtertrögen der Macht“ hat nun der ge-

mäßigte Sozialismus dieses Landes zu zeigen, daß er auch im Besitz gewisser Machtpositionen und bei der Eroberung neuer Einflußgebiete nicht im geringsten daran denkt, zur Vergangenheit zurückzukehren. Mit Argusaugen wird man ihre Personalpolitik verfolgen. In der Frage der Beschaffung neuer Arbeitsplätze im Burgenland, in der Agrarpolitik, in der Finanzpolitik und in der Reform des Budgets und der Verwaltung, alles Dinge, die von den Sozialisten angekündigt wurden, erwartet nun das Land konstruktive Vorschläge.

ÖVP: Gewissenserforschung tut not

Die ÖVP im Burgenland steht Im Augenblick vor der schwersten Krise seit ihrem Bestand. Eine ganz unerwartet verlorengegangene Wahl gilt es so zu

verkraften, daß sich daraus kein politischer Immobilismus entwickelt, dem Funktionäre, Parteimitglieder und Wähler zum Opfer fallen. Die in Ansprachen und bei feierlichen Anlässen oft dekorativ gebrauchte Redewendung von der christlichen Grundhaltung der Partei wird nunmehr ein praktisches Bewäh-rungsfeld haben und sich tragfähig für schlechte Tage des Parteilebens erweisen müssen. Eine Zurüstung für harte Tage ist geboten. Nicht bloß eine verlorene Wahl gilt es politisch und psychologisch zu bewältigen, die Partei ist zudem ihres Chefs beraubt, der die besten Voraussetzungen besitzen würde, in dieser heiklen Situation mit den Sozialisten so zu verhandeln, daß die Partei die Regierungsbildung gewinnt, nach dem Vorbild der SPÖ bei verlorenen Nationalrats- und Landtagswahlen der letzten Gesetzgebungsperioden. Regierungsrat Lentsch wird noch einige Wochen benötigen, um so gesund zu werden, daß er aktiv in die Parteiarbeiten eingreifen und die Regierungsverhandlungen zähe führen kann. Aber die Parteiverhandlungen werden schon demnächst aufgenommen werden müssen. Und außerdem braucht die ÖVP, um das Parteileben aus dem Bann der Niederlage zu lösen, einen einsatzfähigen, widerstandskräftigen und unverbrauchten Parteiobmann, der sich jetzt schon zum Ziele setzt, die nächste Wahl zu gewinnen, und damit die erforderliche Personal-und Parteireform in die Wege leitet. Die Chance der Partei, ihre verlorenen Bastionen zurückzuerobern, ist

in den nächsten vier Jahren am größten. Wenn die ÖVP mit einer neuen Offensive wartet bis knapp vor der nächsten Wahl, wird sie nicht nur diese verlieren, sondern damit rechnen müssen, daß das östlichste Bundesland wahrscheinlich für die nächste Zukunft sozialistisch geführt bleibt.

Präsidium und Landesparteileitung werden klare und bestimmte Schlußfolgerungen aus den Wahlen ziehen müssen. Wenn auch die ÖVP im wesentlichen ihr Stimmenpotential gehalten hat, so hat es doch mancherorts und in verschiedenen Bezirken einige Einbrüche der Sozialisten gegeben, die weder auf Esterhäzy noch auf Habsburg abgeschoben werden können und nicht als unvermeidliche Pannen deklariert werden dürfen. Diese Einbrüche hat die Partei manchen Fehler in der Personalpolitik und der geringen Arbeitsleistung einzelner Abgeordneter zu verdanken. Seit Jahren weiß man um die Dinge, aber die oberste Parteileitung hat nicht den Mut aufgebracht, daran etwas zu ändern. Der Denkzettel der Wähler sollte daher die Parteiführung zur Besinnung und Überprüfung des ganzen Parteilebens veranlassen, ehe es ganz zu spät ist. Schon im Wahlkampf hat sich herausgestellt, daß die Partei in vielen Gemeinden keine politische Kraft darstellt, weil sie nicht im Volk verankert ist. Dieses Manko kann auch eine gute Landespolitik nicht auf die Dauer ausgleichen. Oft ist der lokale Parteiapnarat patriarchalisch, überaltert und ohne systematische Betreuung durch die Abgeordneten, die, im Besitz verschiedener Mandate, keine Zeit haben, ihre Wähler zu betreuen.

Konsequenzen

Eine unumstößliche Lehre der Landtagswahl ist, daß die ÖVP mit der „Roten Katze“ die Randschichten nicht mehr abhalten kann, sozialistisch zu wählen. Gerade im Fall Bögl, dessen Revisionismus und kompromißlos antikommunistische Haltung bekannt ist, mußte sich die Drohung mit „dem Marxisten“ als unwirksam erweisen. Wenn man so grobe Schnitzer in der Wahlwerbung macht und auf Schlagworte setzt, die nicht mehr, der politischen Wirklichkeit entsprechen, besieht die Gefahr, daß die ganze Propaganda der ÖVP unglaubwürdig wird. Die ÖVP wird gut beraten sein, wenn sie diese Dinge endlich zur Kenntnis nimmt.

Die ÖVP hat die Wahl verloren, aber man kann nicht behaupten, daß sie mit Reiter, Roß und Wagen geschlagen oder gar vom Gegner zerschlagen wurde. Sie hat eine treue Kernschicht, auf die sie sich auch in Krisenzeiten verlassen kann. Die Wähler erwarten nun von der Parteiführung eine Neuorientierung, Sammlung und Offensive. Es ist die Idee, die sie immun macht gegen Resignation, Angst und Verzagtheit. Beim Fußvolk der Partei ist darum der Schock nicht so groß gewesen, wie bei den „Oberen“, wie man hierzulande sagt. Wennsich die Partei wieder mehr besinnt auf ihr Fundament, auf die christliche Demokratie und ihre ursprüngliche Dynamik — sie hatte 1949 die absolute Mehrheit — wieder erlangt, wird der Denkzettel des März 1964 zumindest eine innere Stärkung und Regenerierung der Substanz der Partei bringen.

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