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Steiermark schaut voraus

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Das Ergebnis der steirischen Landtagswahlen, die der Volkspartei die absolute Mehrheit brachten, wurde in den letzten Tagen von vielen Gesichtspunkten aus eingehend untersucht und analysiert.

der Sozialisten dürfte seine Ursache darin gehabt haben, daß ein durchgehender Leitgedanke, eine Basis, die auch dem Klamauk noch einen gewissen Sinn gibt, fehlte: Man wollte offiziell keinen „Angstwahlkampf“ führen und beschränkte sich darauf, den Wählern zu demonstrieren, daß man brav sei und so wie bisher weiterarbeiten wolle. Das war sympathisch, aber für einen Sieg gegen einen kampfes- und siegesfreudigen Gegner zuwenig. Schließlich kam noch dazu, daß sich die ÖVP gezielt und sehr geschickt an alle Bevölkerungsschichten wandte, während die SPÖ-Mandatare in Ihren Reden zu beweisen suchten, daß die SPÖ die Partei aller „kleinen Leute“ sei, ob es sich nun um Arbeiter, Bauern, Greißler oder Rentner handle. Die soziologische Struktur der Bevölkerung hat sich aber bereits so verändert, daß es fraglich ist, ob eine Partei in Zukunft bestehen kann, wenn sie sich bewußt und ausschließlich nur an diese, sicher noch sehr große, Schichte der Bevölkerung wendet. Vor allem dann, und auch das hat dieses Wahlergebnis wieder einmal sehr eindringlich bewiesen, wenn der Besitzstand der Sozialisten in der Arbeiterschaft nicht so gesichert ist, wie mancher Funktionär dieser Partei annimmt.

Es ist unbestreitbar, daß der ÖVP In obersteirischen Industriegebieten und vor allem in Graz stärkere Einbrüche in das Wählerpotential der Arbeiterschaft gelungen sind als bisher. Diese Tatsache hat auch die Kommunisten aufgescheucht, die in ihrem Organ „Wahrheit“ schrieben: „Jp dei Betrieben wird das Wahlergebnis ... nach wie vor debattiert. Kein Wunder, ist es doch für nachdenkliche Arbeiter alarmierend, daß die VP in zunehmendem Maße auch Arbeiterstimmen gewinnt. In den Industrieorten, wo die Wahlergebnisse sprengelweise untersucht werden, zeigte sich diese Entwicklung ganz deutlich. Ebenso in Graz. Sozialistische Arbeiter, Funktionäre und Wähler fragen sich, wie so etwas möglich ist. Ihnen darauf eine richtige Antwort zu geben, ist eine Lebensfrage für die ganze Arbeiterbewegung.“

Man wird diese Antwort nur dann finden können, wenn man untersucht, warum die entscheidende Gruppe jener Wähler, die von einer Partei zur anderen „springt“, immer größer wird. In Graz ist diese Schicht besonders groß: etwa 20.000, wie man aus den Vergleichen der Wahlergebnisse der letzten Jahre schließen kann.

In der steirischen ÖVP ist nach diesem Wahlergebnis die Position Krainers gefestigter denn je. Der Erfolg dürfte auch jene innerparteiliche Opposition zum Verstummen bringen, die sich um den einstigen Grazer Stadtparteiobmann und Landtagsabgeordneten Primarius Dr. Stepantschitz geschart hatte. Stepantschitz hatte sich ziemlich offen gegen Krainer gestellt und war bei der entscheidenden Sitzung des Landesparteipräsidiums, das sich mit der Kandidatenaufstellung beschäftigte, an aussichtsloser Position gereiht worden. Bald darauf hieß es in seiner Umgebung, man denke daran, nach der Wahl mit einer Oppositionsgruppe offiziell an die Öffentlichkeit zu treten. Einschränkend wurde allerdings hinzugefügt: „Das alles hängt selbstverständlich vom Ausgang der Wahlen ab ...“

Der Wahlsieg hat auch die Stellung Dr. Rainers als Landesparteisekretär gestärkt, der im Falle eines Mißerfolges mit heftigen Attacken aus den Reihen der Parteigenossen hätte rechnen müssen. So aber versicherte ihm Landeshauptmann Krainer in der Wahlnacht, als das Ergebnis offiziell feststand: „Fredl, du bleibst Landesparteisekretär.“ Betoniert wurde auch die ohnedies recht gut fundierte Position von Franz Wegart. Als Landesobmann des ÖAAB kann es für den Landesrat als persönlicher Prestigeerfolg gelten, daß im neuen Landtag statt vier neun Vertreter des AAB sitzen. Das Wahlergebnis kam ihm auch insofern zugute, als die Arbeiterkammerwahlen in der Steiermark kein überwältigender Erfolg für den AAB geworden waren, eine Tatsache, die sich als drohender Schatten auf den Weg des gewiegten Taktikers gelegt hatte.

Die Sozialisten haben in der Steiermark den Beweis geliefert, daß sehr, sehr viel passieren muß, ehe sich die SPÖ-Getreuen von ihrer Partei abwenden. Sie konnten trotz Olah-Affäre, trotz Fußach, trotz eines propagandistisch intensiven Gegners ihre Position im wesentlichen halten. Die sozialistische Mannschaft hat, wenn man das Ergebnis mandatsmäßig betrachtet, weder gewonnen noch verloren, aber der optische Eindruck dieses Wahlergebnisses spricht gegen sie.

In einem Kommentar zum Wahlergebnis in der „Neuen Zeit“ wurde sehr sanft, aber doch deutlich auf die „Ungeschicklichkeiten“ der Wiener Zentralstellen hingewiesen, die den steirischen Sozialisten den Wahlkampf erschwerten, weil die Wiener dem Gegner Munition geliefert hatten. Und als Franz Kreuzer in der „Arbeiter-Zeitung“ schrieb, die Sozialisten müßten das Ergebnis der steirischen Wahlen eher kritisch als selbstgefällig lesen, da reagierte die „Neue Zeit“ gereizt: „Die steirischen Sozialisten haben in eingehenden Beratungen in absolut kritischer und durchaus nicht selbstgefälliger Weise zu den Landtagswahlen Stellung genommen. Sie werden dies auch in den kommenden Wochen tun und darauf verzichten, Ursachen außerhalb des Landes zu suchen. Allerdings sollte auch „außerhalb des Landes“ — gerade angesichts der kommenden Bundespräsidentenwahl — sehr darauf achtgegeben werden, daß nicht immer wieder, wie es in den letzten Monaten der Fall war, Wasser auf die ÖVP-Mühlen in den Ländern geleitet wird.“

Was den Sozialisten fehlt, ist eine energische und zielbewußte Persönlichkeit an der Spitze, die durchschlagskräftiger ist als der konziliante Dr. Schachner. Was ihnen fehlt, ist ein Aktionskonzept, das den militanten Föderalismus der Steirer nicht nur einkalkuliert, sondern ihm auch durch Taten Rechnung trägt. Was ihnen fehlt, ist schließlich auch der Wille zum Siegen. Die Partei, wie sie sich derzeit dem Wähler präsentiert, kann nur gegen einen sehr schwachen Gegner gewinnen.

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