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Kräftiger Herbstauftakt

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Zur parlamentarischen Halbzeit der Regierungsperiode Kreisky III und rechtzeitig zum Herbstauftakt des neu beginnenden politischen Arbeitsjahres setzte es in den vergangenen paar Tagen gleich eiriige kräftige Akzente, die ihre Spureü auch in der vor uns liegenden Zukunft hinterlassen werden. Akzente, die vor allem in der Volkspartei dazu zwingen werden, die in der Vergangenheit durchgeführten und für die nächsten Monate und Jahre geplanten „politischen Truppenbewegungen“ neu zu überdenken.

Im Burgenland ist die Volkspartei, nach einer langen Kette lokaler Wahlniederlagen, die nur durch die Nationalratswahl 1966 unterbrochen war, neuerlich schwächer geworden. Das Ereignis, das manche Delegierten des Landesparteitages schon vor vielen Monaten vorausgesehen hatten, als sie Franz Soronics in seinem Amt bestätigten, ist eingetreten: Der Stimmenanteil ging von 45,9 auf 45,1 Prozent zurück. Daß die burgenländische Landesorganisation der ÖVP zu den schwächsten unter allen neun Bundesländern zählt (was nicht nur Soronics, seinem Parteisekretär und den übrigen Funktionären, sondern der gesamten Partei über die Grenzen des Landes hinweg vorzuwerfen ist), ist eine Tatsache, die dem verständlichen Mitgefühl der burgenländischen ÖVP gegenüber nicht zum Opfer fallen soll und kann.

Das zweite kräftige Signal, das ebenso wie die kleine Wahlrunde im Burgenland für die weitere Strategie der großen Oppositionspartei einen klaren Auftrag bedeutet, kommt aus Oberösterreich: Landeshauptmann

Erwin Wenzl, der sich in seiner Partei für die weitere politische Arbeit an der Spitze krank meldete, gab gleichzeitig mit diesem Schritt für seine Partei ein sehr vitales Lebenszeichen von sich. Ihm, dem politischen Erben des großen Heinrich Gleißner, der ein geordnetes Haus übernommen hat, gebührt viel Respekt: Er übergibt jetzt selbst ein geordnetes Haus an seinen logischen Nachfolger, den in den letzten Jahren geschickt und gekonnt aufgebauten Landesrat Josef Ratzenböck.

Weniger spektakulär, aber nicht minder aufschlußreich verliefen die diversen Gemeinderatswahlen des letzten Wochenendes: Während die ÖVP in Krems die absolute Mehrheit machte, was genauso als Hoffnungsschimmer wie als Hinweis dafür, wo die Welt noch heil ist, verstanden werden kann, lassen sich die Resultate in

Salzburg wie in Innsbruck als Unzufriedenheit mit den bürgerlichen Regierenden, aber auch als fehlendes Vertrauen in die Sozialisten als kommunalpolitische Problemlösungspartei interpretieren. Die ÖVP hat in den letzten Jahren viel davon geredet, „näher zum Bürger“ rücken zu wollen, sie hat in St;iate»j#*ie Guez und Kla- genfurt auch beachtliche Erfolge buchen können. Aber Innsbruck und Salzburg? Hat sie zuviel geredet, sich zuviel auf ihr personifiziertes Denkmal verlassen und dabei zuwenig nach den eigenen Programmen gehandelt?

Man könnte nun die Frage stellen: Was haben die Landtagswahlen im Burgenland, der spektakuläre Rücktritt Erwin Wenzls in Oberösterreich und die Gemeinderatswahlen miteinander zu tun? Sehr viel: Man kann diese innenpolitischen Ereignisse drehen und wenden wie man will, an der Frage aber „Wie macht, man’s richtig und wie nicht?“ kommt man nicht vorbei. Noch konkreter: Josef Taus als Obmann der großen Oppositionspartei wird man in Hinkunft auch daran messen können, welche Lehren er - bundesweit - aus diesen Oktober-Ereignissen zu ziehen bereit ist, und ob er innerparteilich stark genug ist, sie in Taten umzusetzen.

Das Ergebnis in Österreichs östlichem Bundesland kann nicht damit abgetan werden, daß ein Soronics gegen den seit elf Jahren amtierenden Landeshauptmann Theodor Kery keine Chance hat. Kery ist gewiß kein Mann, der darauf verzichtet hätte, seine persönliche Macht als Landeshauptmann in den Dienst politischer Taktik zu stellen. Zu Fragen der Macht hater nie ein gestörtes Verhältnis gehabt. Aber: Ist die ÖVP wirklich gut beraten, wenn sie angesichts der zur SPÖ förmlich überlaufenden Landbevölkerung dieses Phänomen anstarrt wie das Kaninchen die Schlange?

Daß Nebenerwerbslandwirte - und im Burgenland sind über 50 Prozent der Bauern in einem nichtlandwirtschaftlichen Nebenerwerb tätig - in der für sie fremden Fabriksumgebung anfällig für sozialistische Propaganda sind, ist längst kein Geheimnis mehr;

es ist eine Tatsache, die sich bei den Wahlen der letzten Jahre stets in Erinnerung gehalten hat, sei es bei den Landtagswahlen in Tirol oder in der Steiermark, sei es bei den letzten Nationalratswahlen.

Innerhalb der Volkspartei müßte ein Blick nach Oberösterreich eigentlich genügen: Dieses Land, mit seiner rapiden Industrialisierung der vergangenen Jahrzehnte, müßte nach den gängigen Klischeevorstellungen viel eher ein „rotes“ Land sein als das Burgenland. Ähnlich fallt ein Struktur- Vergleich zwischen der Steiermark und Kärnten aus.

Stärker als man glauben möchte, sind auch heute politische Mehrheitsverhältnisse noch davon abhängig, in welcher Weise die Parteien nach Kriegsende der Vergangenheit die Hand gereicht haben und wie sie das so übernommene politische Erbe verwaltet haben. In Oberösterreich hat sich diese konsequente politische Arbeit schon einmal bezahlt gemacht, als Wenzl auf Gleißner folgte. In der Steiermark, als Friedrich Niederl von Josef Krainer die Geschäfte übernahm.

Was das Burgenland betrifft, ist es nicht ganz unwahrscheinlich, daß die ÖVP bei den in zwei Wochen fälligen Gemeinderatswahlen nicht so katastrophal wie bei den Landtagswahlen abschneidet. Der in wenigen Wochen stattfindende Landesparteitag wird aber bestimmt unter dem Tagesordnungspunkt „Neuwahl des Landesparteiobmannes“ die Weichen für die Zukunft der Partei im Lande zu stellen haben.

Kein Zweifel: Auf Josef Taus wartet der heißeste Herbst, den er je erlebt hat. Will er seine Partei ohne weitere Substanzverluste über die noch zweijährige Distanz bis zu den nächsten Nationalratswahlen bringen, hat er alle Hände voll zu tun, für innerparteiliche Blutauffrischung zu sorgen, denn daß Persönlichkeiten in der Politik immer stärker den Ausschlag geben, ist einfach nicht zu leugnen.

So wie es in Graz und in Klagenfurt Hasiba und Guggenberger gelungen ist, die Unzufriedenen, die Kreativen und die Entscheidungswilligen in ihre Partei zu integrieren, so müßte es auch in den anderen Städten gelinden, bürgerliche Gruppen und Bürgerinitiativen von opponierenden Gegnern zu Bundesgenossen zu machen.

So wie es in Wien gelungen ist, Leopold Gratz mit Erhard Busek erstmals einen Gegner gegenüberzustellen, so müßte es in Kärnten und Burgenland auch möglich sein, Leopold Wagner und Theodor Kery das Feld nicht kampflos zu überlassen.

Die Volkspartei wäre gut beraten, würde die oberste Maxime, die in Oberösterreich und in der Steiermark längst Geltung besitzt, auch in den Parteisekretariaten Wiens, vor allem aber Kärntens und des Burgenlandes Einzug halten: Straffe Organisationen der Sozialisten bekämpft man nicht auf Dauer mit Improvisationsgabe und bürgerlicher Lauheit Der Beweis sind die Ereignisse der letzten Tage.

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