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Wieder alles möglich

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Die Gemeinafcratswahlen in Graz brachten ein eher überraschendes Ergebnis: die SPÖ verlor die 1968 erreichte absolute Mehrheit (52,2 Prozent), indem sie rund 8 Prozent einbüßte und jetzt mit 44,2 Prozent nur noch die relative Mehrheit innehat. ÖVP. und FPÖ* “sind die großen Gewinner dieser Wahl; beide gewannen je'vier Prozent der Stimmen, was mit je zwei zusätzlichen Mandaten honoriert wurde.

Die Frage, ob es sich bei diesen Wahlen um „Testwahlen“ handle, würde eigentlich von allen drei Parteien am liebsteh totgeschwiegen oder durch ausweichende Antworten beiseitegeschoben. T:otz einiger Grazer „Spezialitäten“ bleibt aber die Tatsache bestehen, daß Graz nahezu genausoviel Wahlberechtigte (zirka 178.000) hat wie das Burgenland und daß ein Wahlgang in der zweitgrößten österreichischen Stadt sehr wohl Aufschlüsse über das Verhalten der städtischen Wähler zu geben vermag.

Was dieses Ergebnis aber so interessant macht, ist die Bestätigung eines Trends, der sich vom Burgenland über die Stadt Salzburg nunmehr auch bis Graz fortgesetzt hat und zwischendurch auch bei Betriebsratswahlen erkennbar war. Der „Genosse Trend“ läuft nunmehr gegen die amtierende Regierungspartei, die SPÖ ist — zumindest vorläufig — auf der Verliererstraße.

Darüber hinaus hat das Grazer Ergebnis den spektakulären Nebeneffekt, daß ein SPÖ-Verlust von 8 Prozent in einer bereits seit Jahrzehnten sozialistisch verwalteten Großgemeinde auch die Sozialisten in Wien zum Zittern bringt. Am 27. April 1959 erhielt die Wiener SPÖ 57 Prozent der Stimmen — und das bei einer Wahlenthaltung von fast' einem Viertel der Wiener Wähler. Ein vergleichsweiser Rutsch in Landtagswahlen, die spätestens im April 1974 stattfinden müssen, würde das politische Gleichgewicht in Wien radikal verändern, die Positionen in Österreich fundamental verkehren.

Sollte der FPÖ-Vizebürgermeister Götz jetzt in Graz mit Hilfe der ÖVP Bürgermeister werden, so zwingen sich neue Kombinationen für die Zeit nach 1974/75 auf. In Wien, im Bund ist dann alles möglich.

Allerdings sollte sich die Volkspartei bei ihrem Flirt mit der FPÖ auch im klaren sein, daß allzuviel zerschlagenes Prozellan nicht immer guttut. Überdies ist die SPÖ noch immer die größte Partei in Graz, die FPÖ aber noch immer die kleinste.

Die sieggewohnte Grazer SPÖ, die mit dem 67jährigen Bürgermeister Scherbaum eine der letzten großen politischen Vaterfiguren Österreichs präsentieren kann, ging allzu siegessicher in diese Wahlen. Immerhin hatte Scherbaum in den zwölf Jahren, in denen er als Bürgermeister amtierte, bereits ziemlich viel politisches Fett angesetzt: seine Beweglichkeit hatte erheblich gelitten. Der Auobahnblitz traf dann auch aus heiterem Himmel und riß die Grazer SPÖ aus einem Dämmerschlaf — was auch die taktisch unklugen Reaktionen erklärt.

Franz Hasiba, der Listenführer der ÖVP, hatte ein anderes Handikap. Er ist in Graz noch zu wenig bekannt und etabliert. Seine Investitur erfolgte erst vor kurzem und wurde auch innerhalb der Grazer ÖVP ursprünglich nicht mit einhelliger Freude zur Kenntnis genommen Dennoch gelang es dem neuen Mann in kurzer Zeit, sich und seinen Weg der „eigenständigen steirischen ÖVP“ zu profilieren. Immerhin wurde nicht einmal Bundesparteiob-mann Schleinzer nach Graz eingeladen, dafür aber — im Rahmen eines „Kommunalpolitischen Kongresses“ der ÖVP — Innsbrucks Bürgermeister und Olympiaden-Held Lugger, der seinem jüngeren Parteifreund durch Lob und Schulterklopfen kommunale Bestätigung zollte.

Hasibas erklärtes Ziel war es, die ÖVP aus der Verliererstraße herauszubringen (die ÖVP hatte bei Gemeinderatswahlen bisher stets verloren) und, wenn möglich, etwas dazuzugewinnen. Dieses Ziel hat die Grazer ÖVP erreicht; inwieweit Scherbaums Autobahnschlappe dazu beigetragen hat — manche sprachen schon von einem steirischen Fußach — wird nur schwer festzustellen sein.

Nur die FPÖ ging mit ihrem Vizebürgermeister Alexander Götz (er sitzt schon seit 15 Jahren im Stadtsenat) ohne Benachteiligung in den Wahlkampf. Die Hilfestellung seitens der Parteizentrale in Wien erschöpfte sich in einem Besuch Friedrich Peters. Uberhaupt muß gesagt werden, daß die Werbekampagne der FPÖ ganz auf Götz zurechtge-trimmt war; nicht ohne Grund, gelingt es dem sympathischen Vizebürgermeister doch regelmäßig, bei Gemeinderatswahlen weit mehr Stimmen für die Blauen zu ergattern als bei Nationalrats- oder Landtags -wählen.

Das Wahlergebnis vom vergangenen Sonntag ist einerseits ein deutlicher Denkzettel für den im allgemeinen sehr beliebten Bürgermeister Scherbaum, der in der Frage der Pyhrnautobahn die Grazer hart vor den Kopf gestoßen hatte, anderseits aber auch ein Vertrauensvorschuß für den 41jährigen Franz Hasiba, der vor allem durch sein beachtliches „Stadterneuerungskonzept“ die Grazer beeindruckt haben dürfte.

Daß es den beiden relativ jungen und dynamischen Politikern Hasiba und Götz gelungen ist, das Denkmal Scherbaum, wenn auch nicht zu ?tür-zen, so doch zumindest schwer anzuschlagen, zeigt wieder einmal, daß Väterlichkeit allein in unserer raschlebigen Zeit nicht mehr ganz genügt; vor allem dann, wenn nebenher ein entsprechender Verlust an politischer Substanz fühlbar wird.

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