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Kombinationen und Rechnungen

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Doch nicht erst seit der „Klaus-Wahl“ von 1966, sondern schon am 18. November 1962 hätte die ÖVP in der Stadt Salzburg die Mehrheit gehabt. Diese beiden Ergebnisse und die Tatsache, daß die SPÖ 1966 bei den Nationalratswahlen in der Stadt zum erstenmal echt verloren hat, nähren den Optimismus der ÖVP. Zu bedenken ist jedoch, daß die Salzburger Wähler zwischen Kommunalwahlen und Nationalratsentscheidungen einen großen Unterschied machen. Viele stimmen in der Gemeinde für die Freiheitlichen und unterstützen auf Bundesebene die

ÖVP. Außerdem gab es bisher genug bundesweite ÖVP-Wähler, die mit Baaks Gemeindepolitik zufrieden waren.

Immerhin haben aber die Freiheitlichen bei der Gemeindewahl 1962 ein Mandat an die ÖVP verloren. Besser ist die Papierform der Blauen in der Zwischenzeit nicht geworden ... Aber auch ein neuerliches Mandat von der FPÖ wäre für die ÖVP wohl zu wenig, um den Sozialisten Bäck 'aus dem Sattel zu heben. Denn es ist kaum damit zu rechnen, daß die Freiheitlichen in diesem Fall die ÖVP bei der Bürger-

meisterwahl unterstützen. Dazu dürften sie sich wohl erst bei einer ÖVP-Mehrheit entschließen.

Kombinationen gibt es schließlich auch um das kommunistische Mandat. Die Frage, ob das Einmannteam Falterbauer auch dieses Mal den Sprung über die Hürden schafft, ist schwer zu beantworten. Hier spielen nämlich neben den politischen auch Momente der „Traditionspflege“ mit. Immerhin wird man 'diesen eingefleischten Stimmenstock in die Rechnung einbeziehen müssen.

Die größte Unbekannte: Jungwähler

Die größte Unbekannte in all diesen Rechnereien sind aber die Jungwähler. Nach den letzten Berechnungen — die endgültige Zahl der Wahlberechtigten steht noch nicht fest — dürften seit 1962 (rund 78.200) rund 8000 bis 9000 Wähler zugewachsen sein. Auf diese Leute und auf die zwischen National- und Gemeindewahlen Fluktuierenden hat man die Wahlpropaganda zugeschnitten.

Ein Hauptmerkmal, das neu und allen drei Programmen gemeinsam ist: In der Vorschau und in den Plänen werden die engen Grenzen der fünfjährigen Funktionsperiode des Gemeinderates gesprengt. Das Ziel liegt irgendwo in der Zukunft und man zeigt auch Wege dorthin. Die Väter der Programme haben ihre Sache gut gemacht: bei einem Vergleich findet man, mit wenigen —-parteibedingten — Ausnahmen, die gleichen Punkte. Die Rangordnung mag verschieden sein, die Kernprobleme werden von allen drei Parteien in den Vordergrund gerückt. Man hat leicht noch etwas von den

alten Plänen abschreiben können. Denn die Erfüllungsquote der Versprechungen aus 1962 ist nicht überwältigend. Besonders die Abschnitte über die Altstadtsanierung, über die Verkehrsplanung und -regelung, über die Wasserversorgung, die Detailverbauungspläne, über den Mangel an Sportanlagen, Kindergärten und Wohnungen haben einen sehr vertrauten Klang.

Munition aus der Vergangenheit

So wird im Wahlkampf nicht von mangelnder Vorschau geredet, sondern man holt die Munition aus der Vergangenheit. Hier ist Bürgermeister Bäck naturgemäß Zielscheibe Nummer eins. Vor allem mit seiner Funktion als Finanzreferent ist die ÖVP gar nicht zufrieden. Munition haben Bäcks Kritiker genug: die finanzielle Lage der Stadt ist nicht rosig, die Schulden drücken. Die Kassen sind bisweilen so leer, daß Rechnungen erst mit großer Verspätung beglichen werden. Es müssen teure Kredite und noch teurere Zwischenkredite aufgenommen werden. Dazu kommt, daß es mit der Bauplanung — Chef des Planungsamtes war bisher übrigens VP-Vize-bürgermeister Vavrovsky — nicht klappt und daß es bei öffentlichen Bauten wiederholt zu beträchtlichen Kostenüberschreitungen gekommen ist.

Mit Recht ist die Bevölkerung von diesen Dingen gar nicht begeistert. Die ÖVP spricht — das haben verschiedene Aktionen bewiesen — den Salzburgern aus der Seele, wenn sie auf ihren Plakaten von Planlosigkeit und Mißwirtschaft redet. Sie hat nur in all den vergangenen Jahren tapfer mitgestimmt. Denn das war ja das Hauptmerkmal des vielzitierten Salzburger Klimas: Einigkeit in der Gemeindestube.

Bürgermeister als Zugpferd

Bürgermeister Bäck ist, das hat auch eine Umfrage der ÖVP ergeben, mit Abstand die bekannteste Person in der Salzburger Kommunalpolitik. Er ist eine außerordentlich dynamische Persönlichkeit. Seine „Geldaufreißtouren“ haben ihm seinerzeit den Ruf eines Finanzgenies eingetragen. Heute wirft man ihm die Schuldenlast vor, die zugegebenermaßen schwer wiegt. Aber trotz aller Angriffe ist Bäck in der Bevölkerung noch immer sehr populär. Ob er mit den Kindern — nicht nur in Vorwahlzeiten — um die Wette schaukelt, ob er auf dem Fußballplatz seinen „Schmäh rennen“ läßt: er ist der Stadtvater. Die SPÖ hat den gesamten Wahlkampf auf die Person Bäcks zugeschnitten. Die wenigsten Salzburger kennen — obwohl das sehr profilierte Leute sind — die einstimmig bestellten „Hintermänner“ Bäcks auf der Kandidatenliste. „Bäck oder nichts“, könnte man grob die Wahlwerbung der Sozialisten charakterie-sieren. Die Freiheitlichen — mit FP-Vizebürgermeister Weilhartner verbindet Bäck eine persönliche Freundschaft — werden praktisch nicht angegriffen. Der ÖVP hält man vor, daß sie an den „sogenannten Fehlentscheidungen“ mitgewirkt habe, daß VP-Bürgermeisterkandidat Haslauer zu wenig „vom G'schäft“ verstehe und verweist schließlich auf die unstreitbaren Leistungen der Stadtverwaltung unter sozialistischer Führung. Alles in allem ein im Gegensatz zur ÖVP eher zurückhaltender, fast retirierend geführter Wahlkampf. Freilich vergißt man nicht, von Zeit zu Zeit die schwarze Katze aus den Sack zu holen: Es sei doch nicht tragbar, daß Land und Stadt Salzburg monokoloir regiert wurden.

ÖVP: Spitzenkandidaten gesucht

Die ÖVP hat nach dem Verzicht von Vizebürgermeister Vavrovsky, dessen Entscheidung zwischen Politk und Beruf zugunsten seiner Rechtsanwaltskanzlei ausgefallen ist, einen neuen Spitzenkandidaten aufbauen

müssen: Dr. Wilfried Haslauer, 42 Jahre alt, Kammeramtsdirektor der Salzburger Handelskammer und L'andtagsabgeordneter. Haslauer, der in dem vergangenen Monaten keine Gelegenheit zu „Salzburg Relations“ ausgelassen hat, ist im Vergleich zu Bäck eher trocken. Sein „Renommee“ liegt in der fachlichen Auseinandersetzung. In der Kommunalpolitik ist er ein unbeschriebenes Blatt. Gleichgültig, ob die ÖVP mit Haslauer das Schloß Mirabell erobern wird oder nicht, eines steht schon heute fest: Kaum jemals zuvor hat die ÖVP eine Kampagne mit solcher Akkuratesse vorbereitet und durchgeführt wie jetzt.

Die FP-Riege wird wieder von Vizebürgermeister Weilhartner angeführt. Auch hier, wie bei der SPÖ,

ein eher zurückhaltender Wahlkampf ohne viel Spitzen. Man muß schließlich nach allen Seiten koalitionsfähig bleiben. Außerdem ist Weilhartner Chef des so schwer angegriffenen Bauressorts. Und im Glashaus soll man mit dem Steinwerfen vorsichtig sein...

Die Salzburger Wahlen sind die ersten seit dem ÖVP-Wahlsieg vom 6. März 1966, aus deren Ergebnissen man einige Schlüsse ziehen kann. Für eine Testwahl ist das Schlachtfeld wohl zu klein. Zweifellos wird man aber den Urnengang als ein Barometer bezeichnen können. Nicht nur als eine Art Zwischenzensur für „die in Wien“, sondern auch als Barometer, von dem man das künftige Salzburger Klima genau wird ablesen können.

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