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Der „Kleinbürgerblock“

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In Graz sind die Würfel für einen FPÖ-Bürgermeisfer Alexander Götz bereits gefallen, in Klagenfurt mit einwöchiger Verspätung für einen neuen Bürgermeister, der der ÖVP angehört und Leopold Guggenberger heißt. Man könnte an Mur und Wörthersee also nach einiger Aufregung zur Tagesordnung übergehen — besser: man könnte an die Arbeit gehen. Letzteres muß man — noch etwas sollte man: nach den Ergüssen der in Redaktionsstuben gelandeten Wirtshaus-Strategen aus den Wahlen vom 25. Februar und März und den daraus erwachsenden Folgen auch einmal emotionsfrei die Bilanz ziehen und Zukunftsaspekte ausloten. Aspekte, die über Riagenfurt und Graz hinausleuchten.

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In Graz sind die Würfel für einen FPÖ-Bürgermeisfer Alexander Götz bereits gefallen, in Klagenfurt mit einwöchiger Verspätung für einen neuen Bürgermeister, der der ÖVP angehört und Leopold Guggenberger heißt. Man könnte an Mur und Wörthersee also nach einiger Aufregung zur Tagesordnung übergehen — besser: man könnte an die Arbeit gehen. Letzteres muß man — noch etwas sollte man: nach den Ergüssen der in Redaktionsstuben gelandeten Wirtshaus-Strategen aus den Wahlen vom 25. Februar und März und den daraus erwachsenden Folgen auch einmal emotionsfrei die Bilanz ziehen und Zukunftsaspekte ausloten. Aspekte, die über Riagenfurt und Graz hinausleuchten.

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Die FURCHE hat bereits am 27. Jänner dieses Jahres auf die beinahe identischen Ausgangssituationen hingewiesen, die in Graz und Klagenfurt diesen Wahlgängen voranstanden. Hier wie dort ging es gegen eingefahrene (oder auch ausgefahrene) Wege der Kommunalpolitik, zu denen die wohl sehr emotionsgespeicherten Fragen der Phyrnauto-bahn und der Ortstafeln kamen. Gerade letztere Details (das wird man für Graz behaupten dürfen, das darf man für Klagenfurt behaupten) kamen der FPÖ zugute. Betrachtet man etwa den Stimmenzuwachs der FPÖ in Klagenfurt und stellt man ihn in ein Vergleichsverhältnis zur Zahl der Unterschreiber des Minder-heitenfeststellungs-Volksbegehrens, so kann dies als Beleg dafür gewertet werden, wen der Ortstafelzorn hinaufgetragen hat.

Die ÖVP wiederum scheint in beiden Städten für das kommunalpolitische Umdenken der Gespanne Hasiba-Strobl und Guggenberger-König (auch dies läßt sich eruieren, wenn man die „Gewinnzonen“ der Volkspartei auf ihre Bevölkerungsstruktur hin untersucht) von jüngeren, problembewußteren Wählerschichten honoriert worden zu sein.

Conclusio: in Graz und Klagenfurt hat das gerade in den Ballungsräumen immer stärker an die Oberfläche dringende Unbehagen der Bürger zugeschlagen.

Und damit hätte man (was in bisherigen Kommentaren kaum geschehen ist) einmal die Ausgangslage für die Bürgermeisterwahlen definiert, die den eigentlichen Zankapfel bildeten. In Graz ging diese Kür samt der Ressortverteilung im Stadtsenat relativ glatt über die Bühne — in Klagenfurt nicht, obwohl auch hier die Situation mit jener in der Mur-Stadt wiederum vergleichbar zu sein scheint. Auch die Gewichtverteilung im Senat sieht hier nicht viel anders aus als die in Graz — und trotzdem glaubte die SPÖ, von einem „Diktat“ sprechen zu müssen, wobei ihr auch noch einige Wiener Kommentatoren nach dem Mund redeten. Letztere zeigten damit einmal mehr, wie schwer es ist, aus der Distanz über Probleme zu urteilen, die man kaum kennt.

Es wäre unrichtig und ungerecht, Klage'nfurts Bürgermeister Ausser-winkler persönlich nahe zu treten. Seine „Überschneidungen“ der Interessen des Bürgermeisters und jene des Parteimannes gingen auch nicht weiter, als man es anderswo mehr oder minder zu tolerieren bereit ist. Ihn aber (wie „profil“) zum „Paradepferd“ sozialistischer Kommunalpolitik hochzujubeln, das dürfte höchstens durch die mit der Einfügung des Wortes „sozialistisch“ vorweggenommene Relativierung akzeptabel sein. Ob nun in Klagenfurt wirklich jemand einem „Diktat“ unterworfen wurde, muß in der Beurteilung wohl eine Geschmacksache bleiben. Die rechtliche Situation ist klar: Über die Ressortverteilung wird im Stadtsenat (wo es 4 SP, 3 VP, 2 FP steht) mit einfacher Mehrheit abgestimmt. Ob der Einflußbereich der Klagenfurter SPÖ in der Gemeindeverwaltung nun 20 (wie sie es selbst behauptet) oder 63 Prozent (wie es VP und FP behaupten) beträgt, ist Gegenstand schwer nachvollziehbarer Rechnungen.

Leichter scheint man noch Licht in die Frage bekommen zu können, ob es Absprachen zwischen Graz und Klagenfurt oder gar auf Bundesebene gegeben hat. Mag in der Wahlnacht von Klagenfurt dieser Gedanke für einige Betroffene auch nicht so-

fort vom Tisch zu fegen gewesen sein, so weiß man nun doch, daß es diesen „Bürgermeistertausch“ zwi-VP und FP formalrechtlich nicht gegeben hat. Aber die „psychologischen Auswirkungen“ des Grazer Ubereinkommens auf Klagenfurt kann auch niemand leugnen.

Vor dem 25. März hatte wohl niemand auch nur die Möglichkeit einkalkuliert, daß der Bürgermeister nicht weiter Ausserwinkler heißen würde. Schließlich ereignete sich das Wunder des 25. März aber doch, und' damit gerieten ÖVP und FPÖ in eine Situation, die für diese Parteien eigentlich nur noch die Alternative eines Guggenbergers oder Vallon als Bürgermeister offen ließ. Nicht nur, daß sich die beiden Spitzenkandidaten vor der Wahl gegen die praktizierte Form der Stadtverwaltung aussprachen und nun schwer diesen

Stil wieder aufrichten hätten können: für sie mag der 25. März — man wird es noch sehen — so etwas wie eine „historische Chance“ gebracht haben, die man einfach nützen mußte. Lange genug hatte man es in Kärnten beklagt, daß, durch die mangelnde Kooperatiohsbereitschaft von ÖVP und FP die SPÖ zu ihrer Stärkeposition gelangen konnte. Man hatte einmal sogar die Chance gehabt, Abwechslung ins „rote Kärnten“ zu bringen, als es dem damaligen VP-Landtagskandidaten Thomas Truppe gelungen war, sowohl die FPÖ wie auch die Slowenen für eine Wahl seiner Person zum Landeshauptmann einzunehmen. Dieses Projekt scheiterte damals aber an einem Mann, der Truppe später unter noch immer aufklärungsbedürftigen Umständen in der ÖVP erledigte und es wohl nicht verwinden konnte, selbst keine Landeshauptmannchancen zu besitzen — am Unwillen des damaligen VP-Landespar-teiobmannes Karl Schleinzer.

Nun wurde diese zweite Chance also genützt und auf die Zukunftsaspekte, die aus diesem Umstand erwachsen, wird noch einzugehen sein. Vorerst springt jedoch die unterschiedliche Reaktion der Grazer und Klagenfurter SPÖ ins Auge. Auch hier wird man wohl „psychologische Aspekte“ ins Spiel bringen müssen. Die Grazer SP-Funktionäre, gewohnt, mit einer VP-Landesmehrheit zu leben, besitzen sicher ein anderes Sachverständnis als ihre machtgewohnten Kärntner Genossen, die sich bislang unstürzbar wie kleinbürgerliche Satrapen auf ihren Thronen fühlten.

So dürften die Klagenfurter Reak-

tionen zu deuten sein — auch die Reaktionen der bisherigen Minderheit, die vielleicht auch den Rausch der neuen Um- und Zustände unvorbereitet aufzunehmen begann. Alles in allem: Nachdem dies 1966 auf Bundesebene eingetreten ist, konnte nun auch in Kärnten eine hoffentlich das politische Leben belebende „Verunsicherung“ der Machtverhältnisse Platz greifen. Womit man aber auch schon beim Stichwort „Bürgerblock“ wäre. Hier muß man Hermann Polz applaudieren, der in den „Oö. Nachrichten“ schrieb, es bestehe höchstens die Gefahr eines „Kleinbürgerblocks“ — zu dessen Komplettierung müßte

aber gerade in Kärnten auch die SPÖ zu zählen sein.

Man wird sich allerdings in der ÖVP (und das nicht nur in Kärnten) dazu durchringen müssen, alle jene Vorgestrigen, die das Erkennen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse mit dem geistlosen Schlagwort der „Linksüberholerei“ charakterisieren, nicht einmal zu ignorieren.

Und noch etwas muß der ÖVP in diesem Zusammenhang gesagt werden — jener ÖVP, die nun offensichtlich glaubt, die Erfolge von Graz und Klagenfurt müßten sich notwendigerweise fortsetzen und bei den Nationalratswahlen 1975 ihren krönenden Abschluß finden: in Graz und Klagenfurt ist es der Volkspartei gelungen, eine bislang unbekannte und problemadäquate Fortschrittlichkeit auszustrahlen, die sich an den gesellschaftlichen Bewußtseinsnormen von heute und nicht von gestern orientiert hat.

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