Kärnten — nach der Bombe
Daß irregeleitete Narren am „Hause der Heimat“ im kärntnerischen Miklautzhof eine Bombe legten, scheint wie Wahnsinn; und doch hat es Methode. Es ist der ewig gleiche Vorgang, den Unvernunft und Unbelehrbarkeit erzeugen: Gewalt, die immer neue Gewalt hervorruft, worin schließlich Recht und Vernunft untergehen. Es gibt keinen Unterschied zwischen „Gewalt gegen Sachen“ und „Gewalt gegen Personen“, mit der einen Abart beginnt's, bei der zweiten endet's. Wer immer die kühne Frechheit besitzt, für Gewalttaten „die Verantwortung“ zu übernehmen, was in Wahrheit nichts mit Verantwortung, sehr viel aber mit geheimgehaltener Urheberschaft zu tun hat: er schadet der Sache, die er zu verteidigen vorgibt, zumeist absichtlich,, seltener aus Dummheit. Er schadet zuerst und zuletzt, also durchgängig, auch jenen, denen zu nützen er vorgibt: den Menschen.
Daß irregeleitete Narren am „Hause der Heimat“ im kärntnerischen Miklautzhof eine Bombe legten, scheint wie Wahnsinn; und doch hat es Methode. Es ist der ewig gleiche Vorgang, den Unvernunft und Unbelehrbarkeit erzeugen: Gewalt, die immer neue Gewalt hervorruft, worin schließlich Recht und Vernunft untergehen. Es gibt keinen Unterschied zwischen „Gewalt gegen Sachen“ und „Gewalt gegen Personen“, mit der einen Abart beginnt's, bei der zweiten endet's. Wer immer die kühne Frechheit besitzt, für Gewalttaten „die Verantwortung“ zu übernehmen, was in Wahrheit nichts mit Verantwortung, sehr viel aber mit geheimgehaltener Urheberschaft zu tun hat: er schadet der Sache, die er zu verteidigen vorgibt, zumeist absichtlich,, seltener aus Dummheit. Er schadet zuerst und zuletzt, also durchgängig, auch jenen, denen zu nützen er vorgibt: den Menschen.
Daß dies in Kärnten noch Allgemeingut ist, durfte man mit einer gewissen Befriedigung feststellen: alle, von ganz links bis ganz rechts, von Repräsentanten der slowenischen Minderheit bis hin zu jenen, die eine „nationale Mehrheit“ zu repräsentieren meinen, distanzierten sich von dem Attentat. Das ist schön.
Weniger schön ist es, daß die Massenmedien und auch der ORF der energischen und glaubwürdigen Distanzierung der slowenisch-kärntnerischen Repräsentanz wenig oder gar keine Resonanz geliehen haben. Das ist eine Benachteiligung, die zu verhängnisvollen Assoziationen beitragen kann und ganz allgemein das Klima nicht beruhigt, sondern vergiftet.
Bomben krepieren bekanntlich nach allen Seiten. Und so rief auch diese Bombe — es war übrigens nicht die erste, die in Kärnten gezündet wurde — auf allen Seiten Wirkungen hervor, zum Teil recht unterschiedlicher Natur. Die übelste davon: der sogenannte „Kärntner Heimatdienst“ benützte das bösartige Ereignis zu einer Politisierung, die in der „Gretchenfrage“ an die beiden Bundesprä-sidentschaftskandida'ten gipfelte, Wie diese es mit der von den „beimr.t-treuen Verbänden geforderten Minderheitenfeststellung“ hielten. Abgesehen davon, daß selbstverständlich auch die Kärntner slowenischer Abkunft heimattreu sind, weil unzweifelhaft Kärnten auch ihr Heimatboden ist, den sie lieben und auf ihre Weise pflegen, muß man sich davor fürchten, wenn nun die „Minderheitenfragen“ parteipolitisch akzentuiert werden. Denn es geht dem „Heimatdienst“ ja nicht nur um die persönlichen Auskünfte der beiden Kandidaten, es geht ihm um eine politische Aufladung des Problems knapp vor den voraussichtlich im März 1975 stattfindenden Land'tags-wahlen.
Auch eine andere politische Aufladung folgte auf dem Fuße. Gleich nach dem Attentat wurde in nächster Nähe von Miklautzhof eineGroßkund-gebung des „Kärntner Heima'tdien-stes“ und des „Abwehrkämpferbundes“ abgehalten. Man hätte sich einen besonnenen Stil erhofft, doch wurde man darin enttäuscht. Der Obmann des „Heimatdienstes“. Doktor FeMner, sparte nicht mit reichlich unartikulierten Ausfällen gegen Jugoslawien und Slowenien, auch geizte er nicht mit der wortgewaltigen Erzeugung einer neuen „Abwehrkampf-Stimmung“ — für die es nicht die geringste Ursache gibt —, er bediente sich überdies der üblen rhetorischen Floskel, was denn die Slowenen eigentlich noch alles wollten, da sie ja ohnedies „alle Rechte genießen, die alle anderen Staatsbürger auch haben“. Damit hegte er jenen weitverbreiteten Irrtum, den Slowenen werde ohnedies rechtens nichts vorenthalten; ihre Ansprüche seien daher irredentistischer Natur und liefen darauf hinaus, Südkärn-ten von Österreich loszutrennen.
Das alte Spiel mit der „Urangst“, das zu nichts anderem führt als zu Gewalttätigkeiten infolge Panik. Denn davor kann man die Augen nicht verschließen: dem Gewaltstreich der Bombenleger ging schon ein anderer voraus, als man im „Ortstafelkrieg“ nicht minder gewalttätig zweisprachige Ortstafeln umlegte und damit ein auf legale Weise zustandegekommenes Gesetz durch illegale Handlungen beugte. Wie falsch
es war, sich dieser Gewalt zu beugen, wird seither in beängstigend laufenden Ereignissen bestätigt!
In der Tat verhält es sich mit den „Ansprüchen der Slowenen“ ganz anders. Sie haben nicht nur die allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte, ihnen steht auf Grund des Staatsvertrages, Artikel VII, auch eme Anzahl von Sonderrechten zu. Und nur um diese, beziehungsweise um jenen Teil, der noch, nicht erfüllt worden ist, geht es! Diese Rechte sind keineswegs eine Konstruktion der sogenannten „Minderheit“, sondern sie gehen aus einen freiwillig und feier-
lieh geschlossenen, internationalen Vertragswerk hervor, auf welchem sich unsere staatliche Existenz gründet. Verträge sind nicht nur zu erfüllen und das Verlangen nach Erfüllung ist kein unmäßiger Anspruch, solche Verträge sind auch nicht zu umgehen. Früher oder später -müssen sie wirksam werden. Dafür gibt es rechtliche, moralische und politische Voraussetzungen, die weder durch Bomben, noch durch „Tafelstürme“, noch durch feurige Reden aus der Welt zu schaffen sind.
Die Bombe wurde in einem Augenblick gezündet, da sich bemerkenswerte Veränderungen in Kärnten zeigen. Irgendwie mögen die Attentäter darauf Einfluß zu nehmen wünschen; man möchte hoffen, daß der Erfolg versagt bleibt.
Eine der Veränderungen ist es, daß der „Klub der slowenischen Gemeinderäte'“ sich entschlossen hat, zu den Kärntner Landtagswahlen eine eigene Kandidatur anzumelder). Das sollte man begrüßen, denn bisher fand das „slowenische Element“ parteipolitischen Unterschlupf in der SPÖ-Fraktion und zeitweise auch in jener der ÖVP, dort allerdings nur mit „beratender Stimme“. „Windische“ wiederum gab es in der ÖVP-Frak-tion und in jener der FPÖ. Das hat letztlich zu nichts anderem geführt, als daß die slowenische Minderheit sich unterschiedlichen parteipolitischen Präferenzen und Opportunitäten ausgesetzt sah und andersherum die Parteien sich gewissen Präferenzen und Opportunitäten hinsichtlich
der Minderheit ausgesetzt fühlten. Da sie aber alle (SPÖ, ÖVP und FPÖ) auch das „nationale Element“ in ihren Reihen und Fraktionen pflegten und pflegen und auch darin einander konkurrenzieren, konnte dieser Zustand zu nichts führen.
Man wird zwar einsehen müssen, daß es heute sehr viele Gründe mehr für eine Wahlentscheidung gibt als nur die Frage der Minderheit, nämlich soziale, ökonomische, weltanschauliche und viele andere, woraus schlüssig folgt, daß die ..Slowenische Liste“ nicht mit einer des „Volks-tumsbekenntnisses“ gleichgesetzt werden kann; aber es ist sin Fortschritt, wenn die Minderheit nach selbständiger politischer Vertretung strebt, weil diese ninen verbindlicheren Charakter hat als er im „Unterschlupf“ gefunden wenden kann. Im ehemaligen stellvertretenden Bezirkshauptmann Dr. Apovnik hat man einen Kandidaten von Ansehen und Fähigkeit gefunden, was einen Wertzuwachs für die Landespolitik bedeuten kann. Jenseits aller subjektiven Meinung möchte man hoffen, daß er den Einzug ins Landesparlament schafft. Der besseren Klarheit wegen.
Für die SPÖ ist diese Kandidatur von hoher Bedeutung. Da sie stets den größeren Teil slowenischer
Stimmen erhalten hat, sind ihre Wählchancen durch diese auch am stärksten beeinträchtigt. Auch für die ÖVP ergeben sich Folgen. Erstens muß auch sie damit rechnen, slowenische Stimmen zu verlieren und zweitens tritt die politische Repräsentanz der Minderheit, falls diese zu dem erwünschten und möglichen Mandat gelangt, endlich zwischen die beiden Parteien, die künftighin argloser, weil nicht auf Stimmenfang berechnet, über die Minderheitenpolitik miteinander reden könnten. Für die FPÖ ändert sich, wenn auch indirekt, ebenfalls einiges. Zunächst geht die erfolgreiche Anwendung hintergründiger Verdächtigungen „antinationaler Kräfte“ in den Großparteien verloren. Mit anderen Worten, der „nationale Alarm“ ist nicht mehr so leicht z*i sehlagen, die FPÖ wird auf andere politische Bezugnahmen verwiesen, was ihr nur gut tun könnte und was mit der Zeit auch ihre Struktur verändern wird.
Der Entschluß der slowenischen Gemeinderäte ist also durchaus in der Lage, eine neue landespolitische Situation herbeizuführen. Mehr Transparenz winkt, möchte man sagen, wäre dieser Begriff durch andauernden Mißbrauch nicht schon bis zur Unkenntlichkeit verdorben.
Noch ein nicht zu übersehendes Element machte sich deutlich. „Heimatdienst“ und „Abwehrkämpfer-buind“ waren bestrebt, der schon erwähnten Großkundgebung auch die bei Fahnenweihen erforderliche KirchUchkeit zu verleihen. Man
weiß, daß die Kirche gerade unter den slowenischen Kleinbauern und Kleinbürgern ihre in Kärnten stärkste Anhängerschaft besitzt. Mehr als unter der Mehrheit kommt es allen-ortens unter der Minderheit zu einer starken Identifikation von Pfarrern slowenischer Herkunft mit Gläubigen des gleichen Volkstumes. Die „Kirchlichkeit“ einer wie erwähnten Großkundgebung sollte diesen Eindruck wohl verwischen. Die Diözese reagierte prompt und weise und sehr vorbildlich. Es sei nicht ihr Auftrag, sagte sie, zwischen den Landeskindern verschiedener Zunge zu unterscheiden; so könne sie auch derlei Veranstaltungen nicht einseitig begünstigen. Das1 ist genau jene Geisteshaltung der Überparteilichkeit, die in Kärnten bisher in der Minderheitenfrage eher schwächlich vertreten war. Denn wenn auch anderseits „Heimatdienst“ und „Abwehrkämpferbund“ ihrer Organisation nach überparteilich sind, so quellen von dort in ununterbrochener Folge Forderungen, Ansprüche, Resolutionen und anderes mehr hervor, die nur parteipolitisch • befriedigt werden können, woraus sich ergab, daß der „Heimatdienst“ in den Augen des Volkes „eher der ÖVP und/oder der FPÖ nahesteht“ als etwa der SPÖ. Ob das wirklich so ist oder nicht, spielt agesich'ts der Optik eine geringere Rolle.
Dier neue SP-Landeshauptmann Wagner hat sich bezüglich der Minderheitenfrage einen Kurs zurechtgelegt, der sich von dem seines Vorgängers Sima deutlich unterscheidet. Sima war bestrebt, „die Frage im Lande zu lösen“, auch wenn die Ge-
setzgebung im Rahmen des Artikels VII dem Bund zufällt. Wagner macht die „Vorrangstellung“ des Bundes mit Fleiß und Beharrlichkeit deutlich und will sich dm Lande vor allem auf „erzieherische Maßnahmen“ beschränken. Diesen sind, nach Lage der Dinge, freilich enge Grenzen gesetzt. Der „runde Tisch“, an dem sich die Parteien und Verbände und die Minderheit zusammenfinden sollen, wird zunächst nicht stark frequentiert und dürfte überhaupt erst nach den Wahlen, dann aber unter geänderten Voraussetzungen, ständige Gäste finden, die nicht nur reden, sondern auch etwas tun. Sicherlich ist es das Bestreben des neuen Mannes der Kärntner SPÖ, seine Partei, deren Vormachtstellung nicht bloß durch die Minderheitenfrage bedrängt wird, sondern auch durch allgemeine politische Entwicklungen und durch eine noch nicht überwundene innere Krise, die im Macht- und Führungswechsel deutlich wurde, aus einer neuralgischen Zone herauszubugsie-ren. Indem er das minderheitenpolitische Schwergewicht zunächst dem Bund zuschiebt, von dem die Gesetze zur Erfüllung des Artikels VII kommen müssen, schiebt er es auch von der Landes-ÖVP und von der Landes-FPÖ weg und in deren „Bundespolitik“. Darin liegen Vorteile, aber auch Nachteile. Der größte Vorteil: auf Bundesebene herrscht naturgemäß eine tiefere Einsicht in die Notwendigkeit der Vertragserfüllung und in die außenpolitischen Fährnisse einer Nichterfüllung oder Verzögerung, die
sich gegenüber den Landespolitikern besser durchsetzen kann. Der Nachteil: Eine Verzahnung landespolitischer Opportunitäten mit bundespo-litischer Verhaltensweise.
Klarheit darüber schafft sich Raum, daß bei Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes' eine ihrer Art nach noch unabsehbare „Internatio-nalisierunig“ des Problems nicht wird venmeidbar sein. Gewöhnlich sind gezündete Sprengsätze dafür eine uinüberhörbare Ouvertüre. Sie weiten das Problem zum „Konflikt“ und rufen alsbald ein „Krisenmanagement“ auf den Plan, das — anders als es Feuerwehren sonst tun — den Brand zugleich nährt und löscht. Am Ende kommt es, im günstigen Falle, der aber keineswegs garantiert werden kann, zu Lösungen, die keine Seite wirklich zufriedenstellen, aber jene „international garantierte Ruhe“ schaffen, die zumeist bereits den Keim der nächsten Unruhe in sich trägt, worauf „Wächter“ eingesetzt werden müssen. Aus einem zeitlich begrenzbaren Problem wird eine Art „Dauerbrenner“ und genau das sollten die Kärntner aller Zungen sich nicht wüschen!
Schon oft wurde es gesagt: auch eine zeitliche „Minderheitenfeststellung“ löst die Frage nur unvollständig. Da Mehrheit und Minderheit veränderliche Quantitäten sind, müßte es immer wieder zu solchen „Feststellungen“ kommen, einmal von dieser, dann von jener Seite gefordert, womit jene Art stillen und zähen „Volkstumskampfes“ beginnt, der keinen „Waffenstillstand“ kennt. Es mag zutreffen, daß der stark vermischten Besiedelung wegen recht
schwierige Feststellungen notwendig sind, wo der Artikel VII nun tatsächlich wirksam werden soll und wo nicht. Das geht aber nur, wenn man der Minderheit eine von jeder Agitation unbedrohte Art von Selbstentscheid zubilligt. Die so oft geforderte „Minderheitenfeststellung“ und die klimatische Umwelt, in der diese Forderung erhoben wird, wirkt sich aber zur Zeit so aus, als ob die Volksabstimmung des Jahres 1920 „nocheinmal durchgeführt“ werden müsse. Indem man verständnisinnig die Kärntner Slowenen als „im Grunde nicht heimattreu“ betrachtet, entkleidet man die „Zählverfahren“ ihrer eigentlichen Wohltat, nämlich ihrer „staatspolitischen Neutralität und Objektivität“.
Und indem man die ganz natürlichen Bindungen einer Volksgruppe an ihr Mut'tervolk mit der Aura „verräterischer Irredenta“ umgibt, ein Einfall, der uns im Falle der Südtiroler nie in den Sinn und wenn dennoch, so doch nie über die Zunge gekommen ist, muß die Minderheit befürchten, daß ihr aus ihrem Selbstbekenntnis jener geheimnisvolle Strick gedreht wird, der sie für immer an die Rolle von Mißtrauen um-wobener Außenseiter fesselt.
Wenn die Bombe etwas gezeigt hat, dann dies: wie, wenig Zeit wir noch haben, die Frage in gutem Sinn zu lösen. Das hätte zwar auch schon der unheilige „Orts'tafelkrieg“ vermocht, aber da war es wohl noch „zu früh“. Zu früh — nach 19 Jahren? Hoffentlich nicht schon zu spät!