Nur Ärger mit undankbaren Untertanen

Werbung
Werbung
Werbung

Viele mögen erstaunt sein, dass nach zwei Jahren "Dialog"-Politik Jörg Haiders gegenüber den Kärntner Slowenen plötzlich alles anders ist. Die "Dialog"-Politik war aber nur scheinbar großartig, die Zugeständnisse bewegten sich in engem Rahmen. Hier sprach der Fürst, der aus Gnade ein paar Zuckerln streut und die Untertanen sollten dafür gefälligst dankbar sein. Keinesfalls sollten sie sich aber als freie Bürger eines Rechtsstaates verhalten.

Bis zum 13. Dezember 2001 verkündete Jörg Haider landauf, landab, er werde noch als jener Kärntner Landeshauptmann in die Geschichte eingehen, der das meiste für die Slowenen im Land getan habe. Und bis zum 13. Dezember vergangenen Jahres haben ihm das auch viele geglaubt. An diesem Tag aber verkündete der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sein Erkenntnis, wonach die im Volksgruppengesetz (VGG) festgelegte Hürde von 25 Prozent Minderheitenanteil für die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln staatsvertrags- und somit verfassungswidrig sei und löste damit einen Sturm der Entrüstung bei Haider und seinen Anhängern aus. Der VfGH selbst weist dabei auf die im europäischen Bereich übliche Bandbreite zwischen etwa fünf und 30 Prozent hin und hält einen Prozentsatz im unteren Bereich dieser Bandbreite (also zehn Prozent) als staatsvertragskonform.

Zählproblematik

Die Grundlage für diese Auslegung der Minderheitenschutzbestimmungen des Staatsvertrags von 1955 durch den VfGH bildet deren Entstehungsgeschichte: Im Zuge der Verhandlungen wurde nämlich die restriktive Klausel eines "beträchtlichen Anteils" (considerable proportion) an Minderheitenangehörigen fallen gelassen, der Text des Artikels 7 spricht nur mehr von "Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung", in welchen "die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen" wird und in welchen "die Bezeichnungen und Aufschriften topografischer Natur sowohl in slowenischer oder kroatischer Sprache wie in Deutsch verfasst" werden.

Dazu ist zu sagen, dass diese Argumentation nachvollziehbar ist und dass der VfGH auf jeden Fall jenes staatliche Organ ist, das nach der österreichischen Verfassung zur Entscheidung dieser Frage berufen ist. Seine Entscheidungen können kritisiert werden, doch sind sie zu respektieren. Nebenbei bemerkt: Die Kärntner Slowenen vertraten immer die Position, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Staatsvertrages zumindest für Kärnten das Gebiet "mit gemischter Bevölkerung" eindeutig definiert war, und zwar durch die Schulsprengel mit zweisprachigem Schulwesen, es daher keine Frage sein könne, in welchen Gebietseinheiten der umfassende Minderheitenschutz des Artikels 7 zur Anwendung kommen müsse, ohne jegliche Prozentsätze an "gezählten" Minderheitenangehörigen.

Über die Problematik der Zählungen und ihre oft gegen die Minderheiten gerichtete Tendenziosität gibt eine breite wissenschaftliche Literatur Auskunft. Der VfGH jedenfalls entschied sich für einen Minderheitenanteil von zehn Prozent, damit eine Verwaltungseinheit als gemischtsprachig eingestuft wird, was deutlich minderheitenfreundlicher ist als die 25 Prozent des VGG.

Bei der Diskussion um das VfGH-Erkenntnis ist auch die im Sommer 2000 beschlossene "Staatszielbestimmung" zu berücksichtigen, in der es heißt: "Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern." (BGBl. I 68/2000 vom 8. August 2000).

Eine allgemeine Akzeptanz der VfGH-Entscheidung durch die Politik wäre daher mehr als geboten. Nicht so Kärntens Landeshauptmann: Seit dem 13. Dezember übt sich Jörg Haider nicht nur in Drohgebärden gegenüber den Slowenen und beschimpft jene Staatsbürger, die ihre Rechte auf dem dafür in der Verfassung vorgesehenen Weg einfordern, als "Zündler", "Scharfmacher" und ähnliches, sondern greift sogar Institutionen des Rechtsstaates direkt in noch nie dagewesener Schärfe an.

Versuchte Landnahme?

Dass der Landeshauptmann dabei auch Verschwörungstheorien in den Raum stellt, die dem Dunst der Biertische entsprungen sein könnten und die in ihrer Lächerlichkeit durch fast nichts mehr zu überbieten sind, erfüllt durchaus die Funktion, bei einem Teil des Publikums Bedrohungsängste zu fördern: so zum Beispiel die Spekulation, der VfGH-Präsident Ludwig Adamovich hätte mit dem slowenischen Staatspräsidenten nicht nur allgemein über die Ortstafeln gesprochen, sondern sich sogar darüber beraten, was man tun könne, wenn "die Kärntner nicht spuren".

Eine Erklärung für Haiders Verhalten könnte sein, dass nun wieder jene bedingten Reflexe zum Ausbruch kommen, die der politischen Sozialisation des Landeshauptmanns entspringen und im deutschnationalen Bodensatz Kärntens auch durchaus noch vorhanden sind. So sprachen im Zusammenhang mit der VfGH-Entscheidung diverse Kärntner Abwehrkämpferbundfunktionäre in Leserbriefen nun von einer dritten versuchten slowenischen Landnahme (nach den beiden ersten in den Jahren 1918 und 1945). Der Landeshauptmann selbst sprach vom Versuch einer politischen Verfälschung des Ergebnisses der Kärntner Volksabstimmung von 1920, ganz so als ob damals über die Sprache der Ortstafeln und nicht über die staatliche Zugehörigkeit des Gebietes abgestimmt worden wäre.

Ablenkungsmanöver

In guter Erinnerung ist noch der vom Kärntner Heimatdienst (KHD) in seinem "Ruf der Heimat" im Oktober 1970 - also zwei Jahre vor dem Kärntner "Ortstafelsturm" - geäußerte Wille, "dass das ganze Kärntnerland für immer den Charakter eines deutschen Landes trage", es solle "eine Einheit bleiben in seinem Erscheinungsbild vor aller Welt." Die Geschichte in Kärnten habe noch keinen "Schlussstrich" gezogen und der Abwehrkampf werde erst dann zu Ende sein, wenn eines der beiden Völker nicht mehr bestehe. Davon hat sich der KHD bis heute nicht distanziert.

Es gibt zwar wahrscheinlich auch in Kärnten immer weniger Anhänger solcher Ansichten und immer mehr Menschen, die sich solchem Gedankengut auch öffentlich widersetzen, völlig verschwunden ist es aber noch nicht. Zum Teil wird es sogar von einigen Bürgermeistern im zweisprachigen Gebiet öffentlich zur Schau gestellt: "Und wenn ich untergeh' in Eberndorf, bei mir wird ka zwasprochige Ortstafel aufg'stellt." (Aussage von SPÖ-Bürgermeister Josef Pfeifer auf der "Heimatverbände"-Veranstaltung am 25. April 2001, zitiert nach Kärntner Tageszeitung vom 26. April 2001).

Eine andere Erklärung für Haiders Verhalten: Um die Wirtschaftspolitik Kärntens und auch um die Landesfinanzen soll es trotz aller Vermögensverkäufe nicht so gut bestellt sein. Da kann es schon einmal nützen, kräftig abzulenken mittels patriotischer Erregung, noch dazu, wo gerade Gemeinderatswahlen in Sicht sind. Mag sein, dass die Rechnung aufgeht und dadurch Stimmen des bekannten Bodensatzes für die FPÖ mobilisiert werden können, ohne andererseits deshalb andere Stimmen zu verlieren.

Schwenks der FPÖ in dieser Frage in gewissen Bandbreiten sind bekannt: So hatte sich die FPÖ vehement gegen die Errichtung einer zweisprachigen Handelsakademie in Klagenfurt/Celovec gestellt, bei deren Zehnjahresjubiläum im März 2000 trat Haider jedoch mit einigen Worten Slowenisch als Gratulant auf. Das hebt ihn durchaus positiv vom ehemaligen Landeshauptmann Leopold Wagner (SPÖ) ab, der einmal betonte, als "echter Kärntner" kein Wort Slowenisch zu können.

Viele mögen vielleicht erstaunt sein, dass nach etwa zwei Jahren "Dialog"-Politik des Landeshauptmanns gegenüber den Kärntner Slowenen nun plötzlich alles anders ist. Die "Dialog"-Politik war aber nur scheinbar großartig, die Zugeständnisse bewegten sich in engem Rahmen. So kam es zu einer dreijährigen Verlängerung und leichten Erhöhung (um zehn Prozent beziehungsweise 10.900 Euro/150.000 Schilling) der bereits von Haiders Vorgänger im Kulturressort, Michael Ausserwinkler (SPÖ), gewährten bescheidenen Subvention für die slowenische Musikschule. Weiters kam es zur besseren rechtlichen Absicherung von zweisprachigen Institutionen, die bereits bestanden: Die Förderung für zweisprachige Kindergärten wurde nun auf eine landesgesetzliche Grundlage gestellt (sie wurden schon bisher unter anderem vom Bund gefördert). Gab es vorher eine Bundesförderung für ein zweisprachiges ganztägiges privates Radioprogramm, gibt es nun eine Lösung für ein solches Programm im Rahmen des ORF.

Beinharter Kurs

Neben diesen positiven Dingen fuhr Haider gegenüber der Minderheit in Kernfragen abweichend von seinen Vorgängern einen beinharten deutschnationalen Kurs: So zum Beispiel in der Frage der zweisprachigen Qualifikation der Schulleiter von zweisprachigen Schulen, wo eine zweisprachige Befähigung der Kandidaten bei den Bestellungen keine Berücksichtigung mehr findet (dazu sind Verfahren anhängig).

Anmaßung des Fürsten

Die kleinen Zugeständnisse waren begleitet von medial begleitetem Händeschütteln zwischen dem Landeshauptmann und "seinen" Slowenen. Dieses hat nun ein (vorläufiges?) Ende. Haider war auch schulterklopfend in "slowenische" Gebiete gereist und hatte den Leuten in nächtlicher Runde erklärt, sie sollten nur zu ihm kommen, wenn sie eine Subvention für einen Kulturverein bräuchten. Hier sprach der Fürst, der aus Gnade ein paar Zuckerln streut und die Untertanen sollten dafür gefälligst dankbar sein. Keinesfalls sollten die Untertanen sich als freie Bürger eines Rechtsstaates verhalten, wo es einen Grundrechtsschutz gibt und Gerichtshöfe öffentlichen Rechts, die darüber wachen. Das Recht erscheint einem solchen Bewusstsein als Gräuel.

So entwickelte sich nun die Frage nach einer bestimmten Ausgestaltung der verfassungsmäßig verankerten und durch internationale Verträge garantierten Minderheitenrechte zur Frage der Verteidigung des Rechtsstaates gegen Anmaßungen des Fürsten, der zur Durchsetzung seiner Vorstellungen notfalls den Mob in Bewegung setzt.

Der Autorist Assistenzprofessor am Institut für Geschichte der Uni Klagenfurt, Mitglied des Koordinationsausschusses der Kärntner Slowenen (KOKS) und Schriftführer des Zentralverbandes slowenischer Organisationen in Kärnten (ZSO). Er war beim Treffen österreichischer NGO's mit den drei "EU-Weisen" im August 2000 in Heidelberg, wo er über die Lage autochthoner Minderheiten im Land berichtete.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung