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Der große Katzenjammer läßt nicht warten

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Nachdem seit kurzem die Ergebnisse der geheimen Erhebung der Muttersprache auch für Wien vorliegen, ferner eine berichtigte Auszählung Kärntens und die Detailergebnisse Burgenland, läßt sich eine Beurteilung der Auswirkungen dieser geheimen Minderheitenfeststellung geben.

Dabei kann außer Betracht gelassen werden, daß im Staatsvertrag 1955 auch von der slowenischen Minderheit in der Steiermark die Rede ist. Eine solche gibt es zwar als Sprachminder- heit (in der windischen Dialektform), aber nur in so geringem Ausmaß in den Bezirken Radkersburg und Leibnitz, besonders in der Gemeinde De- denitz, daß es nicht sinnvoll ist, auf diese Auszählung einzugehen. Die mehr als Fleißaufgabe gedachte Erhebung der Muttersprache in anderen Bundesländern fand ein äußerst geringes Echo (in Vorarlberg trugen sich gar nur 5 Prozent der Stimmberechtigten ein) und ergab nichts anderes als was man ohnehin wußte, nämlich daß die Österreicher der Sprache nach Deutsche sind.

Im Gegensatz zu den anderen Volksgruppen haben die Wiener Tschechen, zusammengeschlossen vor allem im Minderheiten rat der tschechischen und slowakischen Volksgruppe, sich für eine Beteiligung an der geheimen Erhebung der Muttersprache ausgesprochen.

In Wien, wo die Beteiligung an der Zählung gering war (379.657 abgegebene Kuverts von 1,474.819 Teilnahmeberechtigten), bekannten sich nur 4427 Personen zur tschechischen Muttersprache, 317 zur slowakischen, 33 zur „böhmischen“, was nach altösterreichischem Nationalitätenrecht mit Tschechisch gleichzusetzen ist, und 4 zur „mährischen“ (gemeint: slowakischen). Das ergibt zusammen 4781. Das ist erheblich weniger als 1971, als über 7000 Tschechen nach der Umgangssprache ermittelt wurden.

Die mindefheitenfreündliche Fragestellung nach der Muttersprache hätte, da eine sehr große Zahl Wiener tschechischer (kaum auch slowakischer) Muttersprache ist, vielleicht Zehntausende Sprachtschechen ergeben müssen. Offenbar sind diese Wiener Sprachtschechen der Aufforderung nicht gefolgt, wie das bei einer Zuwanderungsminderheit mit ihren Assimilierurtgstendenzen nicht weiters wunder nimmt. Man muß zudem an das fehlende Sozialprestige des Tschechischen in Wien denken.

Relativ am meisten Sprachtschechen wurden am 14. November 1976 in Wien im 2. Bezirk (322), im 3. (275), im 10. (560), im 12. (259), im 15. (287), im 16. (368), im 20. (288) und im 21. (258) ermittelt. In den übrigen Bezirken blieb die Zahl unter 200, im 1. Bezirk betrug sie gar nur 41. Diese Streuung entspricht in etwa derjenigen um die Jahrhundertwende.

Im Burgenland hatten die an sich sehr gut organisierten Magyaren („Burgenländischer Ungarischer Kulturverband“) keine Empfehlung zur Frage der Beteiligung an der geheimen Spracherhebung abgegeben. Auch in ihrem Siedlungsgebiet war das Interesse an der Zählung gering, zumal die Burgenlandmagyaren eher eine „gesättigte Minderheit“ sind. Daß dennoch 1826 Sprachmagyaren gezählt wurden, davon erwartungsgemäß die größte Zahl, nämlich 1021 im Bezirk Oberwart, dazu 370 im Bezirk Oberpullendorf, ist erstaunlich und ein deutliches Zeichen des Lebenswillens dieser Volksgruppe, die zu Recht auch einen Volksgruppenbeirat erhalten soll. Zwar wurden 1951 5251 und 19615629 und 19715673 Sprachmagyaren gezählt, aber wenn man die äußerst geringe Gesamtbeteiligung der Burgenländer an der ihnen überflüssig erscheinenden Zählung in Betracht zieht, ist die Zahl von 1826 Sprachmagyaren eher groß, relativ jedenfalls ungleich größer als bei den Kroaten oder bei den Kärntner Slowenen.

Gänzlich anders verhält es sich bezüglich der Burgenlandkroaten. Die Burgenlandkroaten waren entschieden gegen die Sprachzählung, da man genau wisse, wo im Burgenland die

Kroaten leben und dies aus den Volkszählungsergebnissen 1961 und 1971 ersichtlich sei.

Die 1955 vom Bürgermeister von Steinbrunn, dem damaligen SPÖ-Na- tionalratsabgeordneten Fritz Robak, gegründete „Bürgermeisterkonferenz kroatischer und gemischtsprachiger Gemeinden“, die lange nicht alle Bürgermeister kroatischer Gemeinden umfaßt, da es auch Kroatengemeinden mit ÖVP-Bürgermeistem gibt, wandte sich in zahlreichen Aufrufen gegen doppelsprachige Ortstafeln und empfahl den Kroaten, wahrheitswidrig nicht Kroatisch als Muttersprache anzugeben, sondern Deutsch.

Tatsächlich ist bezüglich der Kroaten bei der Sprachzählung nichts herausgekommen, aber auch die deutschsprachigen Burgenländer ließen sich nicht zählen. Teilnahmeberechtigt waren 260.589 Personen, Kuverts abgegeben haben aber nur 72.711, was wohl auch ein Beweis für den relativen ethnischen Frieden im Lande ist. Als der Muttersprache nach kroatisch be- zeichneten sich nur 2942 (1951: 34.471, 1961: 28.126,1971: 24.526). Die Enthaltungsparole wurde also beinahe lük- kenlos eingehalten. Das Ergebnis der Sprachzählung ist unbrauchbar.

In Kärnten hat die Volksgruppenführung den Boykott der geheimen Sprachzählung proklamiert. Wer die Verhältnisse in Kärnten kennt, konnte nicht zu solcher Abstinenz raten, da mit Sicherheit anzunehmen war, daß dann eben, weil nirgendwo 25 Prozent Minderheitsangehörige ermittelt würden, auch nirgendwo zweisprachige Ortstafeln aufgestellt würden.

Die Parteienvereinbarung, die jetzt von den drei Landtagsparteien geschlossen wurde, beweist die Richtigkeit dieser Erwägungen. 438.542 von 523.198 Teilnahmeberechtigte gaben Deutsch als Muttersprache an, nur 3941 aber Slowenisch. Bedenkt man, daß bei den letzten Landtagswahlen in Kärnten die (slowenische) Einheitsliste (KEL - Koroska Enotna Lista), die doch nur einen eher kleinen Teil der Slowenen erfaßte, da der Zentralverband gegen sie Stellung nahm, weit über 6000 Stimmen errang und beinahe ein Landtagsmandat geschafft hätte, so ergibt sich, daß diese geheime Sprachenerhebung tatsächlich nicht einmal eine Orientierungshilfe darstellt.

Natürlich ist es falsch, alle jene, die nicht gestimmt haben, den Sprach- slowenen zuzurechnen, denn das ergäbe rund 70.000. Heute wird man auch nicht mehr von 40.000 Slowenen sprechen können, eine realistische Zahl wäre zwischen 26.000 und 28.000.

Wenn die drei im Landtag vertretenen politischen Parteien sich auf doppelsprachige Ortstafeln in nur zwei Gemeinden zur Gänze entschlossen haben, nämlich Globasnitz und Zell (wobei für Zell aber keine Ergebnisse vorliegen), so ist das noch viel weniger als selbst die größten Pessimisten erwarteten, die mit 3 bis 5 Gemeinden rechneten. Dazu kommen allerdings noch 7 Ortschaften (Altgemeinden, die bei Abschluß des Staatsvertrages noch selbständig waren), in denen es doppelsprachige Ortstafeln geben soll: Schwabegg, Moos, Feistritz ob Bleiburg, Vellach, Radsberg, Windisch- Bleiberg und Unterdörfl. Es handelt sich mit Ausnahme von Vellach, Moos und Feistritz ob Bleiburg um Kleinstgebiete, die für die Ortstafelfrage keinen Symbolwert haben.

Etwas weiter gezogen haben die drei Parteien die Einführung des Slowenischen als zusätzlicher Amtssprache, da dort die 25-Prozent-Grenze nicht gilt. Vorgesehen sind die heutigen Gemeinden Neuhaus, Bleiburg, Globasnitz, Sittersdorf, Eise’nkappel-Vellach, Ebental, St. Margarethen i. R., Zell, Ferlach, Feistritz i. R., Lud- mannsdorf, St. Jakob i. R. und Rosegg. Gegenüber den 61 Gemeinden, in denen 1955 Slowenen bodenständig lebten, worauf die Bischöfe Sloweniens unter Erzbischof Dr. Pogacnik Mitte März eine Abordnung der Kärntner Slowenen hinwiesen, ist das äußerst wenig, obzwar nicht gänzlich unangemessen.

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