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Völker im Volke Österreichs

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Das Schulrecht der Slowenen it Kärnten

Seit Jahrzehnten geht der Strei um die Minderheitenschule in Kärnten. In der Zeit der Monarchie mußte er mit der Frage nach Erhebung de: (am meisten dem Altslawischen ähnlichen) slowenischen Sprache d« Volkes zu einer Schriftsprache mil eigener Literatur deshalb auftreten weil man dem deutschen Österreicher nur schwer zumuten konnte In gemischtsprachigen Gebieten, wie in Südkärnten und in der Untersteiermark, die slowenische Spracht in der Schule gezwungenermaßen zu erlernen, eine Sprache, die keiner Zugang zur großen Welt vermitteln konnte, während umgekehrt jedem slowenischen Vater es wichtig sein mußte, daß seine Kinder in dei Pflichtschule nicht nur Slowenisch lernten, womit sie im übrigen Österreich nirgends zu beruflichem Aufstieg gelangen konnten, sondern daß sie die quasi Staatssprache Deutsch erlernten. Ganz gleich gelagert waren die Verhältnisse zwischen den Italienern und den Slowenen (und den Kroaten) im alten Österreich43 Slowenenführer, die sich mit Stolz zur slowenischen Sprache bekannten und ihren Aufstieg zu einer modernen Schriftsprache propagierten, wie Pomladinoviö und suman, haben gerade diesen Aspekt klar gesehen44. Da Art. XIX des Staatsgrundgesetzes jeden Zwang zur Erlernung einer zweiten landesüblichen Sprache in Pflichtschulen ausschloß, verfiel man in Kärnten auf die an sich geradezu grandiose Lösung mittels der utraquistischen Schule. Die doppelsprachige Schule, die im übrigen auch anderswo mit gutem Erfolg eingerichtet ist, wie heute zum Beispiel in Friesland (Provinz Leeuwarden), in Süd- und Nordschleswig, im Sorbenland (Bautzen, Brandenburg), ist überall dort am Platz, wo Völker in Verzahnung leben. Das war aber in Südkärnten seit jeher der Fall. Dem Wunsche des überwiegenden Teiles der Slowenen selbst entsprechend, gab es in Kärnten bei Beginn des ersten Weltkrieges nur drei (davon eine öffentliche) Volksschulen mit slowenischer Unterrichtssprache, denen jedoch 89 doppelsprachige („utraquistische“) Volksschulen gegenüberstanden, wo die Schüler von Jahr zu Jahr mehr in deutscher Sprache den Lehrstoff vermittelt bekamen. Sie wuchsen so in die deutsche Sprache immer mehr hinein, ohne der Muttersprache entfremdet zu werden (Wutte, Lob-meyr)45.

Mit dem Entstehen der Ersten Republik, die nun auch offiziell das Deutsche zur Staatssprache erklärte, mußten die Slowenen notwendigerweise noch größeren Wert darauf legen, daß ihre Kinder in der Volksschule neben der Muttersprache auch Deutsch lernten. Da sich für eine rein slowenische Schule keine Kinder mehr fanden, wurden die erwähnten drei slowenischen Schulen nach und nach geschlossen. Dies entsprach dem Elternrecht, das im Schulrecht entscheidend ist und sein muß und auch den Grundauffassungen der katholischen Kirche entspricht. Beim Ende der Ersten Republik gab es in Kärnten daher nur utraquistische Schulen. Ihre Zahl war gegenüber 1914 naturgemäß (Gebietsabtretungen) zurückgegangen und betrug noch 78 (mit 186 Klassen).

Slowenischerseits war man mit dieser utraquistischen Schule dei Ersten Republik sehr unzufrieden. Grund dafür war, daß nur sehr wenige Schulleiter dieser Schulen slowenische Sprachkenntnisse hatten und (1931) von den 206 Lehrern an utraquistischen Schulen nur 126 auJ Slowenisch geprüft waren, wozu weitere 34 mit slowenischen Sprachen kenntnissen ohne Prüfung kamen. Vor allem aber beschwerten sich die Slowenen — dies wohl mit Recht — darüber, daß mit Ausnahme einiger weniger Schulen (Abtei, Bad Vellach, Eberndorf, Fürnitz, Globasnitz, St. Michael ob Bleiburg, Zell) die slowenische Sprache spätestens im zweiten Schuljahr als Unterrichtssprache gänzlich durch das Deutsche ersetzt wurde, so daß von einer ausreichenden Doppelsprachigkeit nicht mehr gesprochen werden konnte und damit Verhältnisse eintraten, die sehr an die allgemein als untragbar empfundenen Schulsprachenverhält-lisse im Elsaß erinnern4'.

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