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Ein Streit in der Familie

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Seit der Wende in Ex-Jugoslawien, seit dem EU-Beitritt Österreichs hat sich auch bei den Kärntner Slowenen manches in Bewegung gesetzt.

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Seit der Wende in Ex-Jugoslawien, seit dem EU-Beitritt Österreichs hat sich auch bei den Kärntner Slowenen manches in Bewegung gesetzt.

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Im Staatsvertrag von 1955 hat sich Österreich im Artikel 7 zum Schutz der slowenischen und kroatischen Minderheiten verpflichtet. Der Konflikt um Gebietsansprüche Tito-Jugoslawiens war damit endgültig beseitigt. Das zentrale Anliegen einer ethischen Minderheit ist der Minderheitenschutz. Der Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrages, auf den sich die Kärntner Slowenen bezüglich, der Verwirklichung ihres Minderheitenschutzes nach wie vor berufen, enthält den Grundsatz, daß österreichische Staatsangehörige der slowenischen Minderheit dieselben Rechte auf Grund gleicher Bedingungen wie alle anderen österreichischen Staatsangehörigen genießen. Zum Zwecke der Durchführung der Minderheitenschutzbestimmungen hat das österreichische Parlament am 7. Juli 1976 ein Volksgruppengesetz beschlossen, das die Einrichtung von Volksgruppenbeiräten zur Beratung der Bundesregierung und der Bundesminister in Volksgruppenangelegenheiten vorsieht. Die Volksgruppenförderung, die Anbringung zweisprachiger topographischer Bezeichnungen, die Ämtssprachenrege-lung sind weitere Bestimmungen des Volksgruppengesetzes.

Im Zuge der Durchführung der Bestimmungen des Artikels 7 des Staatsvertrages hat der österreichische Staat im Bereich des Minderheitenschulwesens Regelungen getroffen, die einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der slowenischen Sprache, Kultur und Sicherung des Weiterbestandes der Volksgruppe darstellen. Neben einem zweisprachigen Schulsystem im Pflichtschulbereich, einem seit 1957 bestehenden Bundesgymnasium für Slowenen, gibt es in Klagenfurt eine zweisprachige Handelsakademie und in St. Peter bei St. Jakob im Rosental eine zweisprachige Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe. Beim Landesschulrat für Kärnten besteht für Belange des Minderheitenschulwesens eine eigene Minder -heitenschulabteilung. Im Volksgruppenbeirat für Slowenen beim Bundeskanzleramt stehen derzeit unter anderem folgende Fragen zur Diskussion: Erweiterung der Volksgruppenförderung, gesetzliche Verankerung des zweisprachigen Kindergarten- und Musikschulwesens, die Verankerung eines Volksgruppenman-dats im Kärntner Landtag und die Frage eines Ganztagsradiopro-gramms für Slowenen.

Mit dem Zerfall Jugoslawiens erlangte Slowenien die staatliche Selbständigkeit, die vom slowenischen Parlament in Ljubljana (Laibach) nach freien, demokratisch durchgeführten Wahlen am 25. Juni 1991 ausgerufen wurde. Die Bevölkerung Sloweniens ist sich dessen bewußt, was Österreich im Zuge der Bemühungen um eine internationale Anerkennung zur Selbständigkeit Sloweniens beigetragen hat. Seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Gesellschaftssystems und Einführung eines Mehrparteiensystems in Slowenien, seit der Suche Sloweniens nach einem festen Platz in Europa im Wege eines Assoziations-Vertrages mit der Europäischen Gemeinschaft, seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist auch in der politischen Szene der Kärntner Slowenen manches in Bewegung geraten. Die Kärntner Slowenen werden von zwei politischen Organisationen vertreten, dem Bat der Kärntner Slowenen (christlich orientiert) und dem Zentralverband slowenischer Organisationen (links).

Slowenien tut sich hinsichtlich seines Verhältnisses gegenüber den Kärntner Slowenen trotz Bemühungen um gute Beziehungen schwer. Zeitweise Spannungen'haben sogar soweit geführt, daß unter den Angehörigen der slowenischen Volksgruppe nicht selten der Vorwurf zu hören ist, die slowenische Regierung kümmere sich kaum um die Interessen der Kärntner Slowenen, was sicher nicht stimmt. Größere Schwierigkeiten bereitet der slowenischen Begierung die jährliche Aufteilung der finanziellen Mittel an die slowenischen Organisationen und Institutionen in Kärnten. Dies auch deshalb, weil der Bat der Kärntner Slowenen die Auffassung vertritt, daß sich im Stärkeverhältnis der Slowenenorganisationen seit dem Zerfall des kommunistischen Gesellschaftssystems in Jugoslawien manches geändert hat. Der Bat der Kärntner Slowenen nimmt für sich in Anspruch, wenigstens zwei Drittel der Volksgruppe zu vertreten. Aus diesem Grunde habe er Anspruch auf eine stärkere Dotierung als der links orientierte Zentralverband slowenischer Organisationen. Die diesbezüglichen Diskussionen und Polemiken, die zwischen den beiden Zentralorganisationen der Kärntner Slowenen geführt werden, reißen nicht ab. Während der Zentralverband der Auffassung ist, man möge einen

Konsens in Minderheitenfragen in einem Koordinationsausschuß suchen, spricht sich der Rat der Kärntner Slowenen dagegen aus, weil er ein Veto in jenen Fällen ablehnt, in denen es im Koordinationsausschuß zu keinem einhelligen Beschluß kommen würde. Im Verhalten des Zentralverbandes, der gegen Mehrheitsbeschlüsse im Koordinationsausschuß ist, sieht sich der Rat der Kärntner Slowenen in seiner Auffassung bestätigt, der politische Einfluß des Zentralverbandes sei in der Volksgruppe heute schon so geschwächt, daß er sich vor Mehrheitsbeschlüssen fürchte. Der Rat der Kärntner Slowenen sehe sich in seiner politischen Zielsetzung, die er seit Jahren vehement vertritt, be-_i_

stärkt, die Zeit für eine einheitliche Volksgruppenführung sei gekommen. Die Entwicklung habe gezeigt, daß es die Gefahr einer kommunistischen Infiltration von Slowenien her nicht mehr gibt. Auch eine vom Rat der Kärntner Slowenen durchgeführte Urwahl innerhalb der Volksgruppe habe gezeigt, daß ein Großteil in der slowenischen Volksgruppe für eine Änderung der politischen Strukturen ist und eine einheitliche Volksgruppenführung anstrebt. Um das zu erreichen, hat der Rat der Kärntner Slowenen in einer weiteren Konsequenz im Rahmen der letzten Vollversammlung seine Statuten total geändert. Jeder Slowene hat jetzt die Möglichkeit, sich von der Basis her an den Wahlen für eine slowenische Volksgruppenführung zu beteiligen, dies unbeschadet seiner ideologischen und politischen Einstellung. Man habe sich damit auch gegenüber den Anhängern des Zentralverbandes zur Gänze geöffnet, vom Bat der Kärntner Slowenen sei nur mehr der Name der Organisation geblieben. Von einer Ideologie im Bat kann keine Bede mehr sein. Es sei, man bezeichnet die Haltung des Rates jetzt als liberal.

Demokratisierung

Zweifellos geht es dem Rat der Kärntner Slowenen auch darum, die Demokratisierungsbestrebungen in der Volksgruppe voranzutreiben, man muß dabei allerdings vorsichtig sein, den Bogen nicht zu überspannen. Das war letzten Endes der Grund dafür, warum bei den Wahlen eines Vorsitzenden im Volksgruppenbeirat für Slowenen beim Bundeskanzleramt der Obmann des links orientierten -Zentralverbandes slowenischer Organisationen, Mar-jan Sturm, zum Vorsitzenden gewählt worden ist. Politische Vertreter der SPÖ und FPÖ sowie des Zentralverbandes slowenischer Organisationen hatten für die Blockierung des Beirates kein Verständnis. Der Obmann des Rates der Kärntner Slowenen, Matthäus Grilc, gab vor der Presse als einen der Gründe die Notwendigkeit einer Änderung des Volksgruppengesetzes an. Außerdem müßte der Volksgruppenbeirat nach dem Stärkeverhältnis der beiden slowenischen Organisationen zusammengesetzt sein. Er - so Grilc - sei gegen die automatische Festlegung von je vier Mitgliedern für den Rat und den Zentralverband als Vertretung der Volksgruppe im Volksgrup-penbeirat. Der Verlauf der konstituierenden Sitzung des Volksgruppen-beirates für die zweite Legislaturpe-

riode im Herbst 1993 hat mit der Wahl Marjan Sturms zum Vorsitzenden gezeigt, daß-man beim Rat der Kärntner Slowenen den Fehler macht, den politischen Einfluß des Zentralverbandes auf Landes- und Bundesebene zu unterschätzen. Der Bat der Kärntner Slowenen hat nicht nur die Stelle des Vorsitzenden an den Zentralverband slowenischer Organisationen verspielt, die Situation für seine Mitglieder hat sich dort derart geändert, daß sie allmählich den Eindruck haben, im Beirat in eine Isolation zu geraten.

Einheitliche Führung?

Der Wunsch nach einer einheitlichen Volksgruppenführung ist in der Volksgruppe sicher vorhanden. Man darf jedoch nicht übersehen, daß ein nicht geringer Teil von Angehörigen in der Volksgruppe in verschiedenen Parteien mitarbeitet, so die Mitglieder und Sympathisanten des Zentralverbandes slowenischer Organisationen in der Sozialdemokratischen Partei und bei den Grünen. Dadurch, daß man dem Obmann des Zentralverbandes slowenischer Organisationen mit der Wahl zum Vorsitzenden des Volksgruppenbeirates für Slowenen eine zusätzliche politische Plattform geschaffen hat, hat sich auch im politischen Stärkeverhältnis zwischen den beiden Zentralorganisationen der Kärntner Slowenen einiges geändert. Man muß Sturm anerkennen, daß er im Volksgruppenbeirat um eine sachliche Li-

nie bemüht ist.

Wichtig für die Kärntner Slowenen ist vor allem, daß sie sich gegenüber den Regierungsstellen in Wien und Klagenfurt aber auch gegenüber Slowenien gemeinsam ausgearbeiteter Standpunkte bedienen. Der Rat der Kärntner Slowenen hat eine Reihe sehr fähiger Funktionäre und Mitarbeiter. Es ist ihm in den vergangenen Jahren vor allem gelungen, die Jugend anzusprechen. Es wird ihm auch gelingen, aus der Situation, in der er sich jetzt befindet, herauszukommen. Dies umso mehr, als die Volksgruppe davon überzeugt ist, daß sich die dem Rat der Kärntner Slowenen nahestehende slowenische Einheitsliste (EL) engagiert für eine Mitwirkung der Volksgruppe in den gesetzgebenden Körperschaften und die Festigung eines gesunden slowenischen Selbstbewußtseins überzeugend einsetzt. Das hat mit Nationalismus nichts zu tun.

In den vergangenen Wochen ist der Obmann der slowenischen Einheitsliste, Andrej Wakounig, mit seinen Mitarbeitern bezüglich der Verankerung eines Volksgruppen-Landtagsmandats in der Verfassung in Gesprächen mit Vertretern aller Parlamentsfraktionen auf viel Verständnis gestoßen.

Der Autor ist

Prof. L R. und war als Co-Vorsitzen-der des Deutsch-slowenischen Koordinationsausschusses der Diö'gese Gurk-Klagenfurt durch Jahrzehnte um ein friedliches Zusammenlehen der Volks-gruppen in Kärnten bemüht

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